Von Bodo Traber
Jüngster Beitrag zur großen Paul-Naschy-Reihe bei Subkultur ist EL RETORNO DE WALPURGIS (CURSE OF THE DEVIL), ein wenig bekannter Film aus dem Werwolf-Zyklus um die wiederkehrende Figur des Waldemar Daninsky – inszeniert von Carlos Aured, der sein Debüt mit EL ESPANTO SURGE DE LA TUMBA (BLUTMESSE FÜR DEN TEUFEL) gegeben hatte und mit dem Jacinto Molina 1973 vier Filme drehte, bevor er sich mit ihm überwarf. Obwohl sich der (Original-)Titel an den Erfolgsfilm LA NOCHE DE WALPURGIS anlehnt, gibt es keinen inhaltlichen Zusammenhang; eher scheinen Motive aus BLUTMESSE FÜR DEN TEUFEL (und damit aus Mario Bavas Klassiker LA MASCHERA DEL DEMONIO) wieder auf: Im mittelalterlichen Transsylvanien tötet ein Vorfahr Daninskys den satanischen Grafen Bathory im Kampf und lässt dessen Frau und ihre Hexenbrut hinrichten. Auf dem Scheiterhaufen verflucht Elisabeth Bathory das Geschlecht der Daninskys, und tatsächlich erfüllt sich der Fluch in einer Walpurgisnacht einige Jahrhunderte später, als Waldemar (in der deutschen Fassung: Wladimir) von einer bösen Zigeunerin mit dem Teufelsmal gezeichnet wird und sich in Vollmondnächten in ein werwölfisches Ungetüm verwandelt. Schreckliche Greuel häufen sich in Wäldern und Dörfern rund um das Schloss der Daninskys, bis Waldemar von der ihn liebenden Kinga von dem Fluch erlöst wird.
Im Gegensatz zu den meisten Filmen der Reihe ist die Handlung im 19. Jahrhundert angesiedelt. Hexenjäger- und Incuba-Motive lehnen RETORNO DE WALPURGIS mit am nächsten an die späten Hammer-Filme Roy Ward Bakers und John Houghs an, einige Zitate (der Familiensitz der Daninskys liegt in der Nähe des Borgo-Passes) erinnern an Bram Stokers „Dracula“, das Grundgerüst aber weist sogar auf George Waggners originalen THE WOLF MAN zurück. In betont langsamem Rhythmus beschwört Carlos Aured ein alptraumhaftes Märchen; an Stelle der wilden Unbekümmertheit Leon Klimovskys stehen düsterer Fatalismus und visuelle Strenge. Molinas Drehbuch legt tatsächlich nur Tangenten an den eigentlichen Plot, konzentriert sich vielmehr zu einem großen Teil auf die Verstrickungen der Figuren, die sich in Gewalteruptionen entladen, und Aured hält den Film in langen Einstellungen, sorgfältiger Quadrage und vielfach in Nachtschwärze. Auch wenn Handlung und Personage zu diesem Zeitpunkt bereits Muster wiederholen, die frühere Naschy-Filme vorgegeben hatten, und dieser Beitrag zum Werwolf-Zyklus bis heute als einer der schwächeren gilt, erweist er sich doch als einer der psychologisch interessantesten Daninsky-Filme, der sich dem Seelenleben seiner Figur mit einiger Sensibilität nähert. Mit einem Fluch belastet, den die Hexen über die Familie gebracht haben, wie mit der Erbsünde, wird Waldemar von seiner alten Magd und Übermutter Maritza aufgezogen, behütet – und keusch gehalten. Der einsame Junggeselle lebt ein trauriges, aber sicheres Leben, bis er die Zigeunerin aufliest, die ihm das Teufelsmal beibringen wird, als er das Bett mit ihr teilt. Maritza hatte noch erwogen, das Weib vorher umzubringen, kann aber nicht verhindern, dass sich Waldemars grausiges Schicksal erfüllt. In der sittsamen Kinga findet er die wahre Liebe, die ihm nichts als den Tod bringen wird, ihre sexlüsterne Schwester Maria indes wird ein bestialisches Ende finden. Ähnlich wie in BLUTMESSE FÜR DEN TEUFEL sind sexuelle und teuflische Verlockung oft eins, entlädt sich Wollust in Tod und Verdammnis; die moralischen Schranken einer katholischen Kirche, die sich seit dem Mittelalter zum Werkzeug faschistoider Repression machen ließ, sollten in Spanien erst mit dem Ende der Franco-Diktatur niedergerissen werden. Vor der so genannten ‚Destape’ („Entblößung“) waren nackte Körper im spanischen Kino noch undenkbar; auch von diesem Film wurden manche Szenen für den spanischen Markt mit bekleideten, für den internationalen Markt mit nackten Darstellern gedreht (die „bekleideten“ Szenen finden sich unter dem Bonusmaterial). Die deutsche Fassung war um einige durchaus relevante Dialogszenen gekürzt, u.a. jene, in der Waldemar von Kinga erfährt, dass sie ein Kind von ihm erwartet. Sie sind hier deutsch untertitelt.
Nach wie vor erstaunt es, welche Qualität man heute noch aus so einem Film herausholen kann, der seinerzeit im Schmuddelkino lief und von dem sicher niemand gedacht hätte, dass er Jahrzehnte später wiederentdeckt würde. Das spanische Master wirkt wie immer ein bisschen weich, aber gibt den Film in einer Farbkraft und Makellosigkeit wieder, als käme er frisch aus dem Kopierwerk. Ebenfalls unter dem Bonusmaterial findet sich zudem die Abtastung einer deutschen Kinokopie. In jedem Fall trotz mancher Kuriosität einer der unterschätztesten Naschy-Filme seiner Zeit; Zeugnis seiner fruchtbaren Zusammenarbeit mit Carlos Aured, die bald darauf zu Ende ging.
___________________________________________________________
El Retorno de Walpurgis, Spanien 1973, R: Carlos Aured, D: Paul Naschy, Fabiola Falcon, Vidal Molina, Maritza Olivares, u.a.
Anbieter: Subkultur Entertainment