„Dieser Film basiert auf den tatsächlichen Ereignissen zwischen 1968 und 1985. Scheinbar perfekt geplant geschieht Mord für Mord. Man nennt den Mörder: DAS MONSTER VON FLORENZ. Die grauenvollen Verbrechen eines Wahnsinnigen versetzen die Menschen in Angst und stellen die Kriminalisten vor ein Rätsel“.
Ruhe, unendliche Ruhe – in Anbetracht des Sujets gar ewige Ruhe. Dadurch besticht Cesare Ferrarios Inszenierung. Denn anstatt, der damals schon im Siechtum befindenden Filmindustrie Italiens lediglich ein weiteres ‚Metzgereiprodukt‘ hinterher zu werfen – was sich bei der zugrunde liegenden Thematik andere Regisseure kein zweites Mal hätten sagen lassen – geht er in medias res. Anhand der realen Ereignisse zieht Ferrario ein Opus über menschliche Abgründe per se aus dem Ärmel, wie man es in dieser Phase der Cinecittà nicht mehr erwartet hätte. Mit Ausdauer und geradezu entwaffnender Ruhe wird schichtweise die Psyche des Täters dechiffriert. Der Schriftsteller – den Leonard Mann mit einer unterkühlt-präzisen Leinwanddarbietung personifiziert – wird zum Medium eines Mannes, der seit frühester Kindheit Traumata, sexuelle Störungen und ödipale Komplexe mit sich herum trägt. Bis zu einem gewissen Punkt ein Mitglied der Gesellschafft, beherrscht und unerkannt lässt. Doch von Zeit zu Zeit brechen die Dämme und es geschieht das Unvermeidliche: der Hass kanalisiert sich in den Lauf einer Beretta; jedes Mal, wenn der Finger am Abzug zuckt, drängt er seine Dämonen zurück – bis zum nächsten Ausbruch. Psychologisch geht es sattsam bekannt zu, wer sich als Filmfan etwas im Genre auskennt, wird wenig überrascht sein. Doch die Art und Weise, wie der Regisseur hier eine Aufbereitung vornimmt, enthält sich jeglicher Unsicherheiten und wildert nicht in plumpem Effektgehasche. Der Film will uns verstehen lassen, warum es so kommen konnte wie es kommen musste – und warum ein Mensch auch immer ein Mörder sein kann.
Als Grundierung dieses Psychogramms fungiert die atmosphärische Filmmusik von Paolo Rustichelli, wobei sich der Sohn in den Fußtapfen seines berühmten Vaters Carlo als treuer Erbe erweist. Über unendlich elegische Fetzen einer Klaviermelodie schieben sich obsessive Streicher in hohen Lagen, mit verfremdeten Chorpassagen koloriert Rustichelli die von Ferne dräuenden Stimmen, die ‚Das Monster‘ in seinem Kopf immer wieder zu hören scheint – und die vereinzelten Paukenschläge lassen zusammenfahren, sitzen wie Messerhiebe in den Gehörgängen des Zuschauers.
Und genauso immerwährend der Arno seine trüben Wasser durch das florentinische Tal schieben wird, so ewig werden wohl junge Liebende in seinen Auen von der Angst heimgesucht – von der Angst, dass sie die nächsten sein könnten, über die DAS MONSTER VON FLORENZ seinen dunklen Mantel aus Vergänglichkeit decken wird. Denn sie denken an die Worte, durch die der jüngst abberufene Norbert Gastell uns mit sonorer Stimme aus dem Film entlässt:
„Wer das Monster ist, wurde nie endgültig geklärt. Sicherlich ist es unter jenen, die diesen Film gesehen haben. Die Frage ist nur: wann schlägt es wieder zu?“
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Il mostro di Firenze, I 1986, R: Cesare Ferrario, D: Leonard Mann, Bettina Giovannini, Gabriele Tinti, Francesca Muzio, Federico Pacifici, Alberto Di Stasio
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