Bei einem Film deutscher Herkunft stellen sich nicht wenigen immer noch die Nackenhaare hoch, und der Bildträger fliegt schneller aus dem Player als jemand im Film „Hitler“ sagen kann. Allergische Reaktionen in Folge von andauernder Geschichtsaufarbeitung sind häufig, zeugen jedoch von einer sehr eingeschränkten Wahrnehmung der hiesigen Filmlandschaft. Dabei liegt der eigentliche Reichtum oft unter der Wahrnehmungsgrenze der Massen und vermag auch international durchaus eigenständige Akzente zu setzen, man denke nur an Wenzel Storchs einzigartiges Privatuniversum. Die Phrase „Für einen deutschen Film gar nicht schlecht“ war noch nie einleuchtend, zumal sie den gönnerhaften, despektierlichen Unterton nicht vermeiden konnte. Vielleicht zeigt es aber auch, dass man die ganze Zeit in die falsche Richtung geschaut hat.
Ironischerweise führt DER BUNKER – zumindest was die Ausstattung betrifft, eine genaue zeitliche Zuordnung findet nicht statt – zurück in die Blütezeit des deutschen Films, in die Zeit der analogen Telefone mit ihren gelochten Wählscheiben, von mechanischen Schreibmaschinen, mit geometrischem Mustern bedruckter Tapeten und geknüpfter Teppiche. Diese Welt entdeckt ein namenloser Student, als er bei einer Familie ein ruhiges Plätzchen für seine Studien zu finden sucht. Das ruhige Plätzchen befindet sich abseits der Zivilisation halb unter der Erde in einem Wald, und auch seine Bewohner scheinen aus der Zeit gefallen. Der Vater stolziert mit überheblichen Gockelgehabe eines Zirkusdirektors herum. Sein Sohn Klaus ist ein erwachsener anmutender Achtjähriger mit Lernschwäche. Die Mutter als feuchter Traum eines jeden Reaktionärs sorgt sich um den Haushalt und sucht ihre Erfüllung im Kochen. Man kommt überein, dass der Student für die Bildung des Jungen sorgen soll, um so für die Zimmermiete aufzukommen. So beengt die Verhältnisse auch sind, so groß sind die Ambitionen des Vaters, der aus seinem schweigsamen, verschüchterten Sohn einmal den „Präsidenten“ machen möchte. Dafür scheint es zunächst auszureichen, dass Klaus die Hauptstädte aller Länder auswendig weiß. Lernfortschritte werden von den Eltern täglich kontrolliert, Misserfolge mit Prügel bestraft. Und Klaus erweist sich als sehr lernresistent.
Gerade dadurch, dass Chryssos in seiner Groteske bewusst auf Erklärungen verzichtet, eine zeitliche und soziale Verortung nicht stattfindet, der Bunker sozusagen losgelöst im Assoziationsraum schwebt, lädt er den Zuschauer ein zu subjektiven Interpretationen.
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Der Bunker, Deutschland 2015, Regie: Nikias Chryssos, Mit: Pit Bukowski, Daniel Fripan, Oona von Maydell, David Scheller u.v.a.
Anbieter: Bildstörung