„Mr. De Palma, wie haben Sie das gemacht?“ Brian De Palma verdient es, wie Hitchcock behandelt zu werden. Als einzig wahrer Nachfolger des wohl größten Regisseurs der Filmgeschichte soll auch er sich zu Lebzeiten erklären dürfen. Wie damals Hitchcock seinem großen Fan Truffaut. De Palma tut dies in einem lnterview, angereichert mit Filmausschnitten und Fotodokumenten.
In der Dokumentation von Noah Baumbach und Jake Paltrow kann sich der Regisseur zwar nur etwa 100 Minuten lang erklären, doch das genügt immerhin, um seine formale und inhaltliche Meisterschaft zu erfassen. Das ist begeisternd und faszinierend zugleich.
Der Film beginnt mit Schriftsetzungen wie bei Godard, was kein Zufall ist. Auch wenn De Palma Godards WEEKEND nur einmal kurz als Einfluss benennt, so wird doch deutlich, dass die Revitalisierung Hitchcocks, die De Palma betreibt, ohne den Einfluss von Godard niemals zu dieser Modernität gefunden hätte.
Zügig werden wir auch durch den Rest seines Oeuvres geführt, nicht ohne vor einigen der aufregendsten Stellen der Filmgeschichte aus den spannungsgetriebenen Meisterwerken der Siebziger Halt zu machen. Vor den atemberaubenden Split-Screen-Szenen in SISTERS (1972) etwa, der ewig gedehnten, blutüberströmten Abschlussball-Szene und der Rückwärtskamera am Grab in CARRIE (1976) und nicht zuletzt vor dem unterschätzten Telekinese-Thriller THE FURY (1978), dessen achtfache Explosion eines Kopfes allerdings ausgelassen wurde.
De Palma selbst schätzt die beiden Folgefilme: den wunderbar durchchoreografierten Mafiafilm THE UNTOUCHABLES (1987) mit großer Oper, Eisensteinscher Treppenszene (PANZERKREUZER POTEMKIN) und Connery, Costner und De Niro (über den sich De Palma allerdings ärgerte: „Bobby was not learning his lines“) und den Vietnamfilm CASUALTIES OF WAR (1989), eine erfolglose Herzensangelegenheit, in dem die brutale Vergewaltigung einer Vietnamesin zur Metapher für Amerikas Krieg wurde.
Ab dann werden De Palmas Aussagen reflektierender. Zu seinem vielleicht letzten wirklich großen Werk, CARLITOS WAY (1993), erklärt er uns seinen Job: „Being a director is being a watcher.“ Und er meint damit auch am Set: „… in the sense that you have a lot of egos in the room and you have to sort of watch how they interact together.“
Und am Ende der Dokumentation, zu seinem bisher letzten Film PASSION (2012) wird noch einmal der Bogen zu Hitchcock geschlagen: „People talk about Hitchcock being so influential. I never found too many people who followed Hitchcock except for me.“ Tatsächlich erschuf Hitchcock dieses vielschichtige Vokabular von filmischen und dramaturgischen Mitteln, von denen vor allem ersteres kaum je von Filmemachern weiterverwendet wurde. Außer eben von Brian De Palma, der sich vor allem an VERTIGO, REAR WINDOW und PSYCHO exzessiv bediente und damit vielschichtige Meisterwerke der Spannung und zur Zeitgeschichte schuf. Und selbst das Material lieferte für eine alles in allem sehr abwechslungsreiche und erfreuliche Dokumentation.
___________________________________________________________
De Palma, USA 2015 | Regie: Noah Baumbach, Jake Paltrow | Kamera: Jake Paltrow | Mit: Brian De Palma | Laufzeit: 110 Min.