Hätte es DIE WÖLFE vielleicht zehn Jahre früher in dieser Form gegeben, wer weiß – man hätte ihn womöglich nicht so schnell vergessen und als schlaffen Nachklapp im Register der Filmgeschichte abgeheftet. Unter Umständen wäre das Werk eines veritablen Actionregisseurs und eines nachmaligen Top-Autors zusammen mit jenem deutschen Seewolf-Kultstar, der Heinz Klett war, ein Reißer gewesen. Doch die Geschichte ist ungnädig – aber auf DVD ist es höchste Zeit DIE WÖLFE dem Vergessen zu entreißen; und sei es auch nur um des Entreißens Willen.
Artur Brauner, Filmmogul aus goldenen Nachkriegszeiten des deutschen Wirtschaftswunderkinos, wollte es mit DIE WÖLFE noch einmal wissen. Anstatt Geschichtsaufarbeitung der Judenverfolgung wurde in den russischen Weiten die Genremaschinerie angeschmissen. Von CCC-Filmkunst in Koproduktion mit dem Moskauer Courier Filmstudio hergestellt, wurde DIE WÖLFE zum letzten Aufbäumen des Genrekinos klassischer Prägung. Brauner, der unter seinem schon seit seligen Jess-Franco-Zeiten à la X 312 – FLUG ZUR HÖLLE (1970) ‚berüchtigten‘ Pseudonym Art Bernd am Drehbuch mitschrieb, ließ seinen Bruder Wolf ein Spektakel produzieren, dass die große Show wollte. Zwar schien die Zeit günstig für Öko-Action, doch im Grunde war die Geschichte schnell erzählt und konnte kaum tragfähig für einen Kinofilm sein; da auch die Charakterisierung der Figuren stets schablonenhaft blieb, ragte DE WÖLFE nicht über solide Genreware hinaus.
Anstatt stark anzufangen und dann nachzulassen, geht DIE WÖLFE den umgekehrten Weg – der Film wird immer besser, je länger er dauert. Ist der Schnitt zu Beginn holprig und verhackstückt, die Dialoge blutleer, der Musikeinsatz ‚gewagt‘ und die Geschichte auf der Stelle tretend, so kommt das Epos immer findiger in Fahrt. Zwar verbessern sich die Fallstricke im weiteren Verlauf nur nuanciert, doch dank der Naturaufnahmen und der wunderbaren Bebilderung der Wolfsrudel kaschiert der Film seine Schwächen. Und im letzten Drittel bekommt sogar TANZ-DER-TEUFEL-2-Kameramann Eugene D. Shlugleit noch Gelegenheit, sich abseits von Waldbildern mit gelungenem Setting auszuzeichnen. Stets präsent ist die Musikuntermalung von Rolf Bauer, der hier mit einem seiner letzten Filmscores zu hören ist und sein Händchen für Melodien zeigen darf.
Pidax schenkt uns DIE WÖLFE in deutscher Fassung auf DVD, wobei das 1,37:1-Bild einen sauberen Eindruck macht und auch in den atmosphärischen Nachtaufnahmen zu überzeugen weiß. Mit einer Trailershow und dem Wendecover wird allerdings an Extras geknausert.
Bereits zum Jahreswechsel 1993/1994 fertiggestellt, dauerte es fast 2 Jahre, bis DIE WÖLFE dann doch noch ihr Fernsehpublikum fanden – für einen Kinoeinsatz langte es im Umfeld der damaligen Blockbuster nicht mehr. Im Ganzen ist dieses Spätwerk Brauners weit davon entfernt ein Klassiker zu sein, doch einen gewissen, fast nicht beschreibbaren und eher auf unterschwelliger Ebene mitlaufenden Reiz des Halbfertigen, kann man als Freund des europäischen Genrekinos dem Film nicht aberkennen – und vergessen darf man ihn ohnehin nicht, wie man generell nichts vergessen darf.
Zehn Jahre früher – man denkt bei der Sichtung, DIE WÖLFE hätten zehn Jahre auf Eis gelegen und wären schon Mitte der 1980er entstanden. Bei aller Unvollkommenheit und aller Kritik, es gibt viele Kleinigkeiten die es wert sind, DIE WÖLFE nicht einfach abzutun. Dank Pidax kann man seine Tierliebe neu entdecken, denn DIE WÖLFE sind zurück im Land!
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Die Wölfe, D/RUS/US 1996, R: Steve Carver, D: Darren Dalton, Raimund Harmstorf, Ben Cardinal, John Furey, Kristen Dalton, Wilfried Loll u.a.
Anbieter: Pidax