Hätte es DIE WÖLFE vielleicht zehn Jahre früher in dieser Form gegeben, wer weiß – man hätte ihn womöglich nicht so schnell vergessen und als schlaffen Nachklapp im Register der Filmgeschichte abgeheftet. Unter Umständen wäre das Werk eines veritablen Actionregisseurs und eines nachmaligen Top-Autors zusammen mit jenem deutschen Seewolf-Kultstar, der Heinz Klett war, ein Reißer gewesen. Doch die Geschichte ist ungnädig – aber auf DVD ist es höchste Zeit DIE WÖLFE dem Vergessen zu entreißen; und sei es auch nur um des Entreißens Willen.
Blackie Blackavov (Darren Dalton) hat zusammen mit seiner attraktiven Schwester Barbara (Kristen Hocking) 50.000 Hektar Land in den tiefen Wäldern Alaskas geerbt. Doch hier marodiert der ungemütliche Unternehmer Raymond King (Raimund Harmstorf) durch die bewaldete Einöde und will den beiden ihr Land für wenig Geld abspenstig machen. Während Barbara sich zunächst von Kings gedungenem Helfer Connors (John Furey) einwickeln lässt, wittert der Aussteiger Blackie sofort Ungemach. Es kommt zum Streit zwischen den Geschwistern. Doch allmählich wird auch Barbara klar, dass ihr Land durch die Lagerung von gefährlichen Abfällen und verklapptem Industriemüll in ernster Gefahr ist. Blackie, Barbara und der fintenreiche Ureinwohner Chikoot (Ben Cardinal) kämpfen zusammen gegen illegale Aktionen und für die Erhaltung der Natur und die Lebensräume der Wölfe. Aber King geht über Leichen und so entbrennt zwischen radioaktiven Abfällen, Wolfsrudeln und dem ungemütlichen Klima Nordamerikas ein Kampf ums nackte Überleben.
Artur Brauner, Filmmogul aus goldenen Nachkriegszeiten des deutschen Wirtschaftswunderkinos, wollte es mit DIE WÖLFE noch einmal wissen. Anstatt Geschichtsaufarbeitung der Judenverfolgung wurde in den russischen Weiten die Genremaschinerie angeschmissen. Von CCC-Filmkunst in Koproduktion mit dem Moskauer Courier Filmstudio hergestellt, wurde DIE WÖLFE zum letzten Aufbäumen des Genrekinos klassischer Prägung. Brauner, der unter seinem schon seit seligen Jess-Franco-Zeiten à la X 312 – FLUG ZUR HÖLLE (1970) ‚berüchtigten‘ Pseudonym Art Bernd am Drehbuch mitschrieb, ließ seinen Bruder Wolf ein Spektakel produzieren, dass die große Show wollte. Zwar schien die Zeit günstig für Öko-Action, doch im Grunde war die Geschichte schnell erzählt und konnte kaum tragfähig für einen Kinofilm sein; da auch die Charakterisierung der Figuren stets schablonenhaft blieb, ragte DE WÖLFE nicht über solide Genreware hinaus.
Mit unwegsamem Terrain kannte sich Regisseur Steve Carver aus: ob es nun Hochhäuser, Straßenschluchten oder Südstaatenwüste war, in Streifen wie SECHS MÄNNER AUS STAHL (1979) oder den Chuck-Norris-Krachern DER GIGANT (1981) und MCQUADE, DER WOLF (1983) hatte Carver stets bewiesen, dass er als versierter Techniker einen Actionfilm stemmen konnte. Dass aber sein Schwanengesang DIE WÖLFE, storytechnisch beliefert von Charles Osburn und dem nachmaligen TOTAL-RECALL-Autor Kurt Wimmer, nicht so recht zu zünden vermochte, hat mehrere Gründe – und doch ist der Film eine Überraschung.
Anstatt stark anzufangen und dann nachzulassen, geht DIE WÖLFE den umgekehrten Weg – der Film wird immer besser, je länger er dauert. Ist der Schnitt zu Beginn holprig und verhackstückt, die Dialoge blutleer, der Musikeinsatz ‚gewagt‘ und die Geschichte auf der Stelle tretend, so kommt das Epos immer findiger in Fahrt. Zwar verbessern sich die Fallstricke im weiteren Verlauf nur nuanciert, doch dank der Naturaufnahmen und der wunderbaren Bebilderung der Wolfsrudel kaschiert der Film seine Schwächen. Und im letzten Drittel bekommt sogar TANZ-DER-TEUFEL-2-Kameramann Eugene D. Shlugleit noch Gelegenheit, sich abseits von Waldbildern mit gelungenem Setting auszuzeichnen. Stets präsent ist die Musikuntermalung von Rolf Bauer, der hier mit einem seiner letzten Filmscores zu hören ist und sein Händchen für Melodien zeigen darf.
Raimund Harmstorf, bereits gezeichnet von den durch die Gazetten angefachten Querelen um seine Person, liefert eine bärbeißige Vorstellung als skrupelloser Müllverscharrer im Klett-Modus – Altersrolle für den Seewolf und ein dankbares Fressen. Während Darren Dalton und Ben Cardinal durchaus gut harmonieren und aus ihren Stanzrollen ein Optimum herausspielen, fällt Kristen Hockings Auftritt zwiespältig aus. Obschon sie bei den Dreharbeiten ihren späteren Mann kennenlernte, hat sie am Anfang Mühe mehr als nur optischer Beifang zu sein – doch auch sie arbeitet sie sich, analog zum Film, im Laufe der Handlung immer mehr ins Sujet. Dass die Tiere der eigentliche Star des Filmes sind und man sich dieser uns Menschen so traut und doch so fremd wirkenden Spezies gerne widmet, zeigen nicht zuletzt aktuelle Beispiele wie Nicolette Krebitz‘ großartiger WILD (2016).
Pidax schenkt uns DIE WÖLFE in deutscher Fassung auf DVD, wobei das 1,37:1-Bild einen sauberen Eindruck macht und auch in den atmosphärischen Nachtaufnahmen zu überzeugen weiß. Mit einer Trailershow und dem Wendecover wird allerdings an Extras geknausert.
Bereits zum Jahreswechsel 1993/1994 fertiggestellt, dauerte es fast 2 Jahre, bis DIE WÖLFE dann doch noch ihr Fernsehpublikum fanden – für einen Kinoeinsatz langte es im Umfeld der damaligen Blockbuster nicht mehr. Im Ganzen ist dieses Spätwerk Brauners weit davon entfernt ein Klassiker zu sein, doch einen gewissen, fast nicht beschreibbaren und eher auf unterschwelliger Ebene mitlaufenden Reiz des Halbfertigen, kann man als Freund des europäischen Genrekinos dem Film nicht aberkennen – und vergessen darf man ihn ohnehin nicht, wie man generell nichts vergessen darf.
Zehn Jahre früher – man denkt bei der Sichtung, DIE WÖLFE hätten zehn Jahre auf Eis gelegen und wären schon Mitte der 1980er entstanden. Bei aller Unvollkommenheit und aller Kritik, es gibt viele Kleinigkeiten die es wert sind, DIE WÖLFE nicht einfach abzutun. Dank Pidax kann man seine Tierliebe neu entdecken, denn DIE WÖLFE sind zurück im Land!
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Die Wölfe, D/RUS/US 1996, R: Steve Carver, D: Darren Dalton, Raimund Harmstorf, Ben Cardinal, John Furey, Kristen Dalton, Wilfried Loll u.a.
Anbieter: Pidax