Roland Deschain (Idris Elba) ist der letzte Revolvermann von Mittwelt. Seine Heimat ist dem Untergang geweiht, wenn er den dunklen Turm nicht schützen kann, der alle Welten zusammenhält. Er muss ihn beschützen vor Walter, dem Mann in Schwarz (Matthew McConaughey), in einem ewig währenden Kampf, in dem im Laufe der Zeit alle anderen Revolvermänner auf der Strecke geblieben sind… – Im heutigen New York hat der junge Jake Chambers (Tom Taylor) beängstigende Visionen vom dunklen Turm und den vom Mann in Schwarz durchgeführten Zerstörungsversuchen, die sich in Jakes Welt in Form von Erdbeben zeigen. Durch ein Portal gelangt er in die Welt des Revolvermanns und gemeinsam nehmen sie den Kampf gegen den Mann in Schwarz auf.
„Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste und der Revolvermann folgte ihm.“
So beginnt der erste Teil von Stephen Kings 8-bändigem Magnum Opus, in dem er auf mehreren tausend Seiten die epische Geschichte von Roland, Jake, Walter und vielen weiteren Charakteren erzählt, die durch verschiedene Welten reisen, um den dunklen Turm und damit auch die Menschheit zu retten. Und hier haben wir nun die langerwartete und gleichzeitig gefürchtete Verfilmung dieser überbordenden Geschichte. Doch schon die schmale Laufzeit von 95 Minuten lässt erahnen, dass es mit epischer Breite nicht weit her sein wird. Und so ist es auch.
Statt sich zum Start der vom Studio erhofften Serie auf einen der 8 Bände zu konzentrieren, haben die Autoren Akiva Goldsman (BATMAN & ROBIN), Jeff Pinkner (AMAZING SPIDER-MAN 2), Anders Thomas Jensen (THE SALVATION) und Regisseur Nikolaj Arcel (A ROYAL AFFAIR) Fragmente mehrerer Teile des Zyklus’ sowie eigene Ideen oder Interpretationen zu einem Drehbuch kondensiert, das lediglich grob an Kings Werk erinnert. Für Zuschauer ohne Kenntnis der Vorlage mag daraus ein durchaus kurzweiliger Fantasytrip geworden sein, der zwar nicht im Gedächtnis bleibt, aber auch niemandem wehtut. Für die meisten King-Fans dürften sich hier jedoch die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten. Von der epischen Geschichte des dunklen Turms bleibt in dieser Version lediglich eine schon halb von der einsetzenden Flut weggespülte Sandburg am Strand.
Ich selbst hätte es wissen müssen, wenn ich meiner üblichen Maxime gefolgt wäre, keine Filme zu sehen, deren Trailer schon nichts taugen.
Die Tatsache, dass man die Rechte an 7000 Seiten Stephen King kauft und anschließend nur Fragmente daraus übernimmt, um eine mehr oder weniger neu erfundene Geschichte zu verfilmen, ist schon mal eine ziemlich schizophrene Idee. Und dabei ist mir durchaus bewusst, dass Film und Buch zwei unterschiedliche Medien sind, die eine unterschiedliche Behandlung erfordern. Ich störe mich also bei Romanverfilmungen nur sehr selten an Vereinfachungen, personellen Kombinationen oder veränderten Zeitabläufen, solange das Gerüst und die Intentionen der Vorlage intakt bleiben.
Aber all das ist hier nicht der Fall.
Wichtige Ereignisse aus den Büchern werden auf den Kopf gestellt oder gar nicht erst angerissen. Eine Charakterzeichnung, nach wie vor eine der größten Stärken von Kings Prosa, existiert in diesem Film kaum, stattdessen werden wir mit Abziehbildern und Platzhaltern versorgt. Diverse Verweise auf andere Werke von King („1408“, „Hearts in Atlantis“, „Cujo“, „Es“) hätten in einer besseren Verfilmung sicher funktioniert, wirken hier aber eher unverdient und aufgesetzt. Zudem wirkt der Film mickrig, ist personell unterbesetzt und insgesamt hastig zusammengestoppelt. Die Effekte sind von unterschiedlicher, teils fragwürdiger Qualität, Kamera und Schnitt wenig bemerkenswert und auch der Score von Tom Holkenborg (MAD MAX FURY ROAD) stellt nicht gerade eine Sternstunde seines Schaffens dar.
Matthew McConnaughey (DALLAS BUYERS CLUB) chargiert gnadenlos vor sich hin, was seine Rolle zwar bedingt unterhaltsam, aber leider nicht eine Sekunde lang wirklich bedrohlich erscheinen lässt. Der wunderbare Jackie Earle Haley (WATCHMEN) hat eine lächerlich kleine Klischeerolle als Walters Handlanger und Dennis Haysbert (HEAT) schafft ungefähr 3 Minuten Filmzeit. Newcomer Tom Taylor (THE LAST KINGDOM) ist gut besetzt als Jake und muss sich vor seinen routinierten Mitspielern nicht verstecken.
Den besten Auftritt liefert erwartungsgemäß ein erstklassiger Idris Elba als Revolvermann Roland. Ohne ihn würde das ganze Filmkonstrukt in sich zusammenstürzen wie der dunkle Turm beim Brechen aller Balken (von denen im Film nicht ein einziges Mal die Rede ist, obwohl sie nicht nur für den dunklen Turm erhebliche Relevanz haben, sondern auch in einer Vielzahl anderen King-Romane zur Sprache kommen). Aber auch Elba kann den Film nicht retten, der ganz klar über die Jahre ein Opfer von zu vielen Köchen geworden ist.
Die Anzahl der Studios, Regisseure, Autoren und Darsteller, die über die Jahre für eine Verfilmung im Gespräch waren, ist schier endlos. Und an irgendeinem Punkt in der „Development Hell“ ist das ganze Unternehmen offensichtlich entgleist. Entweder hätte man wirklich viel Geld in die Hand nehmen und von Anfang an zumindest ein Trilogie à la „Herr der Ringe“ planen müssen oder – heutzutage vielleicht die bessere Idee – man hätte die Rechte einem Kabelsender wie HBO überlassen müssen, um ein angemessen üppiges TV-Event wie GAME OF THRONES herstellen zu können.
Zudem hätte man den Mut aufbringen müssen, nicht auf eine Jugendfreigabe zu schielen, sondern die harte GeschicHte auch angemessen umzusetzen. Was wir hier haben, ist der weichgespülte Torso eines Films, eine verschenkte Möglichkeit und zumindest für die meisten Fans eine gewaltige Enttäuschung, aus der angesichts der mageren US-Einspielergebnisse sicherlich weder ein weiterer Film noch eine verbindende TV-Serie entstehen werden.
Zum aktuellen Vergleich: THE DARK TOWER hat in den USA innerhalb von 4 Wochen 48 Mio. Dollar (bei einem Budget von 60 Mio.) eingespielt, was angesichts der miesen Kritiken schon fast überrascht. Die Neuverfilmung von IT ist gerade, unterstützt von exzellenten Kritiken, mit einem Einspiel von 120 Mio. Dollar allein am ersten Wochenende gestartet und Kapitel 2 ist bereits in Vorbereitung.
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The Dark Tower, USA 2017 | Regie: Nikolaj Arcel | Drehbuch: Akiva Goldsman, Jeff Pinkner, Anders Thomas Jensen, Nikolaj Arcel nach den Romanen von Stephen King | Kamera: Rasmus Videbaek | Musik: Tom Holkenborg (Junkie XL) | Darsteller: Idris Elba, Matthew McConnaughey, Tom Taylor, Dennis Haysbert, Jackie Earle Haley, Ben Gavin, Claudia Kim, Katheryn Winnick, Jose Zuniga, Abbey Lee, Fran Kranz | Laufzeit: 95 Min.