Dominika Egorova (Jennifer Lawrence) ist eine umjubelte Primaballerina am Bolschoi-Ballett. Ihre dortige Anstellung versorgt sie auch mit einer hübschen Wohnung und der Gesundheitsversorgung ihrer kranken Mutter (Joely Richardson). Ein schwerer Unfall während einer Vorstellung bedeutet das Karriereende für Dominika und eine ungewisse Zukunft für sie und ihre Mutter. Ihr Onkel Vanya (Matthias Schoenaerts als schmieriger Putin-Lookalike), ein hoher Offizier im russischen Geheimdienst, bietet ihr die Möglichkeit ein sogenannter Sparrow zu werden, eine in allen möglichen Verführungs- und Spionagekünsten ausgebildete Agentin. Mangels anderer Alternativen willigt Dominika ein und wird in der Sparrow-Schule unter Aufsicht der namenlosen Ausbilderin (eine eisige Charlotte Rampling auf den Spuren von Lotte Lenyas Rosa Klebb) nach dem Motto „Eure Körper gehören dem Staat“ an ihre psychischen und physischen Grenzen gebracht. Sie lernt Körper und Geist als Waffe einzusetzen.
US-Kritiker David Sims schrieb im „Atlantic“ sinngemäß: RED SPARROW ist wie TINKER, TAILOR, SOLDIER, SPY – wenn der von Paul Verhoeven gedreht worden wäre. Das beschreibt den Film ziemlich gut, auch wenn mir persönlich als erster Vergleich Michael Apteds GORKY PARK eingefallen ist. Francis Lawrence‘ (HUNGER GAMES 2-4, CONSTANTINE) Film ist ein durchsexualisierter und hakenschlagender Spionagethriller, bevölkert von wenig vertrauenswürdigem Personal mit überwiegend egoistischen Motiven und wenig Skrupeln bei der Durchsetzung eigener Interessen. Die Brutalität mancher Szenen ist ausgesprochen unangenehm, angefangen bei dem Bühnenunfall über die Ausbildung in der „Hurenschule“ bis zu diversen Mord- und Foltersequenzen. Wer die HUNGER GAMES-Filme in rosiger Erinnerung hat, sollte sich nochmal ins Gedächtnis rufen, welche Leiden Jennifer Lawrence dort durchzustehen hatte. Regisseur Lawrence zieht hier die Schraube nochmal an.
Nach ihrer Rolle in Darren Aronofskys umstrittenem „MOTHER!“ zeigt Jennifer Lawrence erneut, dass sie offenbar wenig Interesse an einfachen Rollen hat, sondern auch hier die Herausforderung sucht. Sie ist gewohnt experimentierfreudig und schreckt weder vor Nacktheit noch vor allerlei anderen Unannehmlichkeiten zurück, denen sie im Verlauf der Geschichte ausgesetzt wird. Abgesehen von ihrer irritierenden Frisur, liefert sie hier erneut eine Spitzenleistung ab.
Eine löbliche Entscheidung seitens Twentieth Century Fox, 70 Millionen Dollar in einen explizit erwachsenen Film zu investieren, der denkbar ungeeignet ist für die Standard-Zielgruppe ab 12.
Herausgekommen ist ein gelungener, durchaus anspruchsvoller, mitunter auch leicht trashiger Spionagethriller, über dem durchgängig der Schatten Putins schwebt, ohne dass dessen Name auch nur einmal im Film erwähnt wird.
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Red Sparrow, USA 2018 | Regie: Francis Lawrence | Drehbuch: Justin Haythe nach dem Roman von Jason Matthews| Musik: James Newton Howard | Kamera: Jo Willems | Schnitt: Alan Edward Bell | Produktion: Peter Chernin, Jenno Topping, Steven Zaillian, David Ready | Mit: Jennifer Lawrence, Joel Edgerton, Matthias Schoenaerts, Jeremy Irons, Charlotte Rampling, Ciaran Hinds, Mary-Louise Parker, Joely Richardson, Bill Camp, Thekla Reuten, Douglas Hodge, Sakina Jaffrey | Laufzeit: 139 Min.