Geschichte wiederholt sich. Dieses Faktum wird dem Zuschauer auch bei einem Film wie DER 27. TAG erneut bewusst. Denn auch in unserer heutigen Zeit der ‚fake news‘, in denen gewisse Medien nichts unversucht lassen, Russland als den unbeherrschten Weltaggressor heraufzubeschwören, lässt sich Propaganda nicht leugnen. Dass das bereits vor Jahrzehnten, als der ‚Kalte Krieg‘ noch auf der Kippe stand ‚heiß‘ zu werden, geübte Praxis war und sich die klare Verortung des Feindes auch im amerikanischen Unterhaltungsfilm wiederfand, sollte Filmfreunde nicht überraschen. Doch selten wurde in einem nominellen Science-Fiction-Film so überzeichnet eingenordet, dass nicht etwa extraterrestrische Wesen die Wurzel allen Übels waren, sondern die Schurken am Roten Platz in Moskau saßen. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, für den ist DER 27. TAG nicht weniger als ein ‚Muss‘ – denn die Geschichte hat es in sich.
Nicht, dass hier etwas falsch verstanden wird: DER 27. TAG ist kein reinrassiger Science-Fiction-Film, ein erdgebundener höchstens, mit klar irdischen Problemen und Anschauungen. Entstanden 1957 und somit gerade einer Zeit anschließend, die heute gemeinhin als ‚McCarthy-Ära‘ bezeichnet wird. Eine regelrechte Kommunistenhatz war über die Jahre veranstaltet worden, auch in Hollywood hatten viele Kreative Schaden genommen. Doch wo der Feind saß, war für viele noch immer klar: der Kommunist wusste, ganz im Gegensatz zum amerikanischen Demokratieheilsbringer, nichts als Ärger in die Welt zu bringen. Doch selten wurden im damaligen Publikumskino der USA die Vertreter des Kremls so hinterlistig und heimtückisch dargestellt, wie in DER 27. TAG.
Auffällig ist – und dahingehend muss man den Machern wirkliches Lob aussprechen – die komplexe und von moralischen Themen geprägte Geschichte, die hier trotz der anti-russischen Propaganda kurzweilig und vor allem ohne Logikpatzer expliziert wird. Der vielschichtige Konflikt, dem sich die unversehens im Besitz einer Superwaffe befindlichen Menschen ausgesetzt sehen, ist definitiv ambitioniert für einen Film, der damals per se vom Studio eher als Cash-in-Produkt bilanziert und eingestuft wurde. Offenkundig in der Tradition von DER TAG, AN DEM DIE ERDE STILLSTAND (1951) stehend, wurde hier ausgesprochen überlegt zu Werke gegangen. Nun war William Asher sicher kein Robert Wise und die finanziellen Möglichkeiten waren nicht im Ansatz zu vergleichen – für ein schmal budgetiertes B-picture sieht DER 27. TAG allerdings exzellent aus – aber dank der rein infrastrukturellen Gegebenheiten des damaligen Studiosystems konnte der Film eine überzeugende Figur machen.
In der Reihe ‚Die Rache der Galerie des Grauens‘ erscheint DER 27. TAG als mittlerweile neunter Eintrag zu dieser begeisternden Serie. Veröffentlicht als BD-/DVD-Kombo-Release erstrahlt der in kontrastreichem Schwarzweiß gedrehte Film in neuem Glanz, zeigt sein ganzes Spektrum auf großen Diagonalen und Heimkinowänden dieses Landes. Neben dem englischen Originalton ist die deutsche Synchronisation verfügbar, in der sich liebgewonnene Sprecherlegenden der ausklingenden 1950er Jahre quasi das Mikro in die Hand geben; dass der Film einst ungekürzt in die deutschen Kinos kam, dürfte aufgrund seiner tendenziösen Grundhaltung nicht verwundern.
Preiswert hergestellt und trotzdem inhaltlich hochwertig – indoktrinierend ausgedacht und dennoch irgendwie nicht alt geworden – ganz Kind seiner Zeit, doch mit den Jahren gut gealtert. DER 27. TAG ist ein Film, der auf vielen Ebenen einen genauen Blick lohnt. In Zeiten der allgemeinen Unsicherheit, der ‚alternativen Wahrheiten‘ und ’social bots‘ kann ein bisschen Geschichtsunterricht nicht schaden. Die Klitterung der Vergangenheit wie einen Schleier tragend, doch der Zuschauer wird ihn lüften – und was zum Vorschein kommt sollte man sich als Fan ruhig mehrmals ansehen; wir haben schließlich mehr als 27 Tage Zeit.
___________________________________________________________
The 27th Day | USA 1957 | Regie: William Asher | Darsteller: Gene Barry, Valerie French, George Voskovec, Azenath Janti, Arnold Moss, Friedrich von Ledebur u.a.
Anbieter: Anolis Entertainment