Armer großer Gruselvogel.

„Turkey“, Truthahn, nennt man in den USA einen missratenen Film. Und wie ein Truthahn der nur knapp eine Maschinenwäsche inklusive Schleudergang überlebt hat sieht leider auch das Monster in Columbia Pictures‘ 1957er B-Grusler THE GIANT CLAW aus. Dem deutschen Kinopublikum damals vorenthalten, erlebte der Film hierzulande seine Premiere viel später im Privatfernsehen, ANGRIFF DER RIESENKRALLE betitelt und mit einer überraschend guten Synchronisation versehen. Anolis brachte den Film jetzt in Blu-ray-DVD-Pracht als siebten Film der „Rache der Galerie des Grauens“-Box heraus.

image-2018-06-21 In einem mit wenig überzeugenden bis hin zu grandios verunglückten Monstern reich gesegneten Genre, ist der gigantische Raubvogel, der hier sein Unwesen treibt ein tragischer Höhepunkt. Da der Film nach seiner Kinoauswertung weltweit jahrzehntelang nur wenig gesehen werden konnte, hatte er bald den Ruf einer Totalkatastrophe weg, dank Mundpropaganda und Büchern wie „The Golden Turkey Awards“ wuchs und wuchs seine Legende.

Nun ist er also auch bei uns im Heimkino gelandet, der Riesenvogel. Ist er so schlecht wie man hörte und las? Eigentlich nicht, eher müsste man von einem tragischen Unfall sprechen, denn der verunglückte Look des Giganten verhält sich geradezu konträr zur ansonsten durchaus kompetent und ernsthaft geratenen Machart des Films. Für den Ursprung des Schreckensvogels haben sich die beiden Drehbuchautoren sogar etwas richtig außergewöhnliches einfallen lassen: Statt der für Plots dieser Art handelsüblichen Atomstrahlung, die ein irdisches Tier überproportional anwachsen lässt, sind es hier Antimaterie und ein Loch im Raum-Zeit-Kontinuum (oder so ähnlich), die der Erde den gefräßigen außerirdischen Riesengast bescheren.

image-2018-06-21-4 Was haben wir hier also vorliegen, einen Trashfilm zum abfeiern im Kreise Gleichgesinnter? Klar, dafür ist er bestens geeignet. Man kann ihn aber alternativ auch zur Messung des persönlichen Emphase-Quotienten nutzen, denn wer hier nicht mitleidet und traurig wird, welch große Scheren sich zwischen Plan und Ergebnis auftun können, zwischen dem was ein Regisseur und ein Special-Effects-Team ohne gemeinsame Abstimmung so aushecken können, muss ein Herz aus Stein haben. Es ist, als sähe man live und in Schwarzweiß dabei zu, wie zwei Filme kollidieren: ein spannend gestrickter Science-Fiction-Film mit charmant und professionell aufspielenden Hauptdarstellern, den Genre-Profis Jeff Morrow und Mara Corday, ein Film, der mit einer funktionierenden Dramaturgie die Bedrohung durch ein unbekanntes Monsters aufbaut und steigert, und dann – Schock! – das Monster selbst, aus Kostengründen und ohne Kontrolle durch Produzent oder Regisseur von einem Trickteam in Mexiko als Marionette gestaltet, und offensichtlich weniger auf amerikanischen oder europäischen Schreckensvorstellungen denn auf südamerikanischer Folklore basierend.

image-2018-06-21-2 Man möchte nicht in Produzent Sam Katzmans oder Regisseur Fred F. Sears’ Haut gesteckt haben, als diese das Ergebnis der Trickanstrengungen das erste Mal zu sehen bekamen. Wie sich Hauptdarsteller Jeff Morrow schamvoll aus der Filmpremiere stahl, ist nur eine der vielen Fakten und Anekdoten rund um das Werk, von denen im informativen Booklet von Ingo Strecker und den beiden Audiokommentaren mit Dr. Rolf Giesen, Uwe Sommerlad und Ivo Scheloske sowie mit Ingo Strecker und Thomas Kerpen berichtet wird.

Wie die anderen Veröffentlichungen ist auch diese „Galerie des Grauens“ technisch top, das Bild im 1.79:1/16:9-Format hervorragend restauriert, an den beiden Tonspuren in Deutsch und Englisch (DTS 2.0 Mono) gibt es ebenfalls nichts auszusetzen. Die Extras neben Audiokommentaren und Booklet bestehen aus dem US-Kinotrailer, der US- und der spanischen Titelsequenz, Werbematerialien, einer Super-8-Fassung und einer reichhaltigen Bildergalerie. Man sollte dem tragischen Riesenvogel also definitiv eine Chance geben, auch wenn es weh tut.

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The Giant Claw, USA 1957 | Regie: Fred F. Sears | Darsteller: Jeff Morrow, Mara Corday, Morris Ankrum, Louis Merrill, Edgar Barrier u.a.

Anbieter: Anolis Entertainment