Gefangenendrama nach dem Originaldrehbuch der Erstverfilmung von 1973.

Paris, 1931: Safeknacker Henri Charrière, wegen seiner Schmetterlingstätowierung auch „Papillon“ genannt, hat große Pläne mit seiner Liebsten, der Tänzerin Nenette im Nachtclub seines Gangsterchefs Castili. Doch der miese, alte Typ schiebt ihm einen Mord in die Schuhe, für den Henri lebenslänglich in einem Dschungelknast in Französisch Guayana schmoren soll. Frankreich hat ihn und die anderen Elenden verstoßen, selbst nach Verbüßung der Strafe sollen sie in Südamerika bleiben müssen. Der Gefängnisdirektor macht nicht viele Worte: Die einzigen Fluchtwege sind durch den Urwald oder durchs Meer und beide nicht zu empfehlen. Wer einmal zu fliehen versucht, muss für zwei Jahre in Einzelhaft. Wer ein zweites Mal flieht, für fünf. Und wer einen Mord begeht, der wird geköpft. – Für Henri gibt es trotzdem nur eine Option: Flucht! Weil die ohne Geld aber nicht zu haben ist, bietet er dem zart gebauten Millionär Louis Dega seinen Schutz an. Der gewiefte Fälscher von Kriegsanleihen vertraut darauf, dass seine Liebste daheim in Berufung geht und er bald wieder draußen ist. Doch die einzige Chance, die Louis tatsächlich hat, ist Henri. Zwischen beiden entsteht eine ungewöhnliche Männerfreundschaft, die sich besonders dann bewährt, als das Schicksal sie für lange Zeit auseinander reißt…

Papillon_Poster Gute Kamera, gute Sets (sie sehen exakt wie die historischen Fotos am Filmende aus, nur in Farbe), der Däne Michael Noer, schon Regisseur des Knastdramas „R“ (2010), hat das sauber hingekriegt. Charlie Hunnams Sixpack ist vielleicht etwas übertrieben bzw. ziemlich 21. Jahrhundert, Rami Malek dagegen überzeugt mit spürbarer Schutzbedürftigkeit. Trotzdem fragt man sich, wozu das alles? Es gibt doch schon den tollen Film mit Steve McQueen und Dustin Hoffman! Mit der viel tolleren Musik von Jerry Goldsmith! Mit einem elegischen Ohrwurm-Titelstück, und wenn am Ende, kurz vorm großen Sprung ins Meer, die Streicher sphärisch flirren, wird man selbst klatschnass. Das Remake endet mit Choralgesängen, und wieder fragt man sich, zu welchem Gott die Duplikateure eigentlich beten. Ist der Film außer einer Anklage gegen die mörderische französische Justiz nicht auch eine schallende Ohrfeige für die bigotte Kirche?

Papillon_1 Für junge Leute, die sich keine alten Filme ansehen, mag diese Form von Copy-Entertainment ein willkommener Behelf sein, um trotzdem irgendwie mitreden zu können. Wer aber das Original kennt, wird sich ziemlich langweilen, denn neu ist hier wenig (immerhin ist man so ehrlich, im Abspann zuzugeben, dass man sich am Originaldrehbuch der Erstverfilmung von Dalton Trumbo und Lorenzo Semple Jr. orientiert hat). Hollywood-kritische Zuschauer, die sich seit Jahren nur noch wundern – über Sequels, Prequels, Spin-offs und Reboots –, dürften nun vollends verzweifeln. Der neue Film ist nicht nur künstlerisch überflüssig, sondern auch kommerziell impotent. In meiner 20.15-Uhr-Vorstellung waren wir 6 oder 7 Zuschauer (in der 1. Spielwoche!) – nicht die jungen, hippen Leute, sondern alte Knacker wie ich, die wissen möchten, wie unsere prägenden Erinnerungen verhunzt werden und die Filmindustrie sich immer weiter selbst auslöscht, indem sie immer irrelevanter und inzestuöser wird. Die nächsten Sündenfälle bzw. Akte der Hybris werden Steven Spielbergs Remake von WEST SIDE STORY und das schon lange angekündigte Remake von THE WILD BUNCH werden.

Papillon_2 Kommt irgendwer auf die Idee, ein zweites Mal den Kölner Dom zu bauen? Wieso eigentlich gibt es vom ersten STAR WARS immer noch die alte Fassung von 1977? Möchte nicht jemand einfach mal Ingmar Bergmans PERSONA nachmachen? Oder warum denkt jeder bei NOSFERATU an Friedrich Wilhelm Murnau und Max Schreck, aber nicht an Werner Herzog und Klaus Kinski? Vielleicht, weil das Publikum nicht ganz so doof ist, wie die Filmindustrie denkt. Zumindest die Distributeure sind schlauer als die Produzenten: PAPILLON, das Remake, läuft in Hamburg dieser Tage in Kinos der Stadtrandlage, klarer kann einem das Biz gar nicht anzeigen, wie sehr es der eigenen Ware misstraut. Mir war das klar, aber ich wollte es eben auch wissen…

Papillon_4 Man hätte dem Remake irgendeinen neuen Dreh verleihen können: Wie eine Grande Nation ihre eigenen Migranten schafft und exportiert. Oder wie zwei heterosexuelle Männer zur homoerotischen Schicksalsgemeinschaft verschmelzen. Aber Charlie Hunnam und Rami Malek bleiben kalte Frösche, die meist still vor sich hinleiden, leere Blicke austauschen, sich vielleicht ideell trösten, sonst ist da nichts (okay, die Kokosnüsse). Einmal, kurz vorm Einschlafen, kommt Louis Dega seinem Kumpel Papillon leicht zu nah, doch schnell die Finger weg, hier wird nicht gekuschelt! Der Arsch ist heilig, er ist in der Tat ein Safe! (Wer denkt da nicht an „Die goldene Uhr“ in PULP FICTION!). Und wenn es Schwule gibt, dann sind es eklige Fettwänste und vielleicht ein blasser Bursche, der sich auf der Latrine rumtreibt (in einer hingehuschten, undankbaren Rolle: Joel Basman). Aber neue Ansätze bzw. Perspektiven scheinen nicht gewünscht zu sein. So spricht auch wirklich nichts dagegen, sich einfach mal das Original von 1973 anzusehen. Genau das sollten alle tun.

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Papillon, USA / Spanien / Tschechische Republik 2017 | Regie: Michael Noer | Drehbuch: Aaron Guzikowski, nach dem Roman von Henri Charrière und dem Drehbuch von Dalton Trumbo und Lorenzo Semple, jr. | Musik: David Buckley | Kamera: Hagen Bogdanski | Mit: Charlie Hunnam, Rami Malek, Tommy Flanagan, Yorick van Wageningen, Eve Hewson, Roland Møller, Michael Socha, Christopher Fairbank, Joel Basman | Laufzeit: 117 Min.