Mit DRACULA (1958) hatten die britischen Hammer Films nicht weniger als einen ikonischen Standard für gotischen Horror in farbigster Ausgestaltung gesetzt. Ein gutes Jahrzehnt lang waren die Produktionen aus den Bray Studios weltweit wegweisend für das Genre, doch gegen Ende der 1960er Jahre schienen die gesellschaftlichen Gegebenheiten und die filmische „New Wave“ die alten Rezepte zu überholen. Für Hammer also höchste Zeit neue Wege zu gehen – doch auf den alten Bekannten mit den langen Eckzähnen konnte man dann doch nicht ganz verzichten.
Nachdem die Freudenhäuser ihren Reiz verloren haben, suchen drei alternde, distinguierte Biedermänner (Geoffrey Keen, Peter Sallis, John Carson) nach dem ultimativen Kick. Lord Courtley (Ralph Bates) behauptet, der Jünger des Grafen Dracula zu sein und lädt sie zur Wiedererweckung seines Herrn in eine alte Kirche. Doch die Lüstlinge bekommen es mit der Angst zu tun und töten den jungen Lord. Allerdings haben sie die Rechnung ohne den Vampirfürsten (Christopher Lee) gemacht, der zu neuem Leben erwacht und auf blutige Rache für seinen Jünger sinnt. Nächte des Entsetzens brechen an.
In vielerlei Hinsicht stellte WIE SCHMECKT DAS BLUT VON DRACULA? eine Art Sollbruchstelle im Hammer-Schaffen um den blutsaugenden Vampirfürsten dar. Sowohl war es die letzte Fortsetzung, die direkt an ihre Vorgänger anknüpfte, als auch der erste Film der Reihe, in dem es Dracula tatsächlich nach England verschlug. Wäre es nach Produktionschefin Aida Young gegangen, hätte die Neuorientierung noch mehr Konsequenz erfordert. Denn ursprünglich sah die Planung – neben dem engagierten Neuling Peter Sasdy auf dem Regiestuhl – nicht mehr den mittlerweile etwas reservierten Christopher Lee als ‘leading man’ vor. Hammer wollte den jungen Theaterschauspieler Ralph Bates als Draculas Nachfolger aufbauen und beauftragte einen Reinkarnationsplot, in dem sich der Adlatus einen neuen Harem williger Vampirkonkubinen heranziehen und mit diesen auf die Gesellschaft hinabfahren sollte.
Doch Warner Bros., die für den Film mit einer Verleihgarantie winkten, machte da nicht mit: ohne Lee, kein Geld – ohne Geld, kein neuer Hammer-Film. Also gab man klein bei, stellte dem Film einen Pre-Title voran – der den Übergang von DRACULA RÜCKKEHR (1968) ermöglichte – und klingelte reuig bei Lee an, doch nochmals in seine legendäre Rolle zu schlüpfen. Dass sich der fertige Film durch dieses Kuddelmuddel in zwei ziemlich separate Grundstrukturen aufspaltete, trug mit zu seinem unvergleichlichen Status in der Hammer-Geschichte bei. Neben Lee und dem fantastisch spielenden Bates konnten vor allem Linda Hayden in ihrem ersten Hammer-Einsatz sowie Geoffrey Keen und Peter Sallis Schauspielakzente setzen.
Regisseur Sasdy generierte einen wilden Stilmix, der die fantastischen Bauten des viktorianischen Zeitalters mit Kostümen in poppigen Pastelltönen kombinierte, dazu die typische Hammer-Bildgestaltung mit vielen Handkamerasequenzen vitaler gestaltete und den Männern überbordende Koteletten verpasste, die auch Twiggy hätten schwach werden lassen. Dass die bisher stets subkutane Erotik einer etwas offenherzigeren Ausgestaltung wich – der Schlangentanz im Séparée stand auch jedem Bond-Film gut an – sorgte für zusätzlichen Reiz beim jugendlichen Kinogänger.
Mochte der Weg bis zum fertigen Produkt steinig sein, so konnte sich das Drehbuch dennoch sehen lassen. Die Verbindung einer Kritik an der bigotten Altherrengesellschaft – die sich ohne Weiteres auch in die 1960er Jahre hineinprojizieren ließ – verbunden mit dem Vorrecht der Jugend, der Vätergeneration die Grenzen aufzuzeigen, geriet schlüssig und hatte Witz. Auch die religiös umgedeutete Erlösung des Grafen durch Leib und Blut verriet, dass den Hammer-Leuten das Sujet nach wie vor geläufig war, obgleich die damalige Jugend mit den klerikalen Insignien wohl nicht mehr allzu viel anzufangen wusste. Komponist James Bernard schließlich, der mit seinem in großorchestrale Symphonik überführten „DRAAAAA-CU-LAAAA“ eines jener Filmthemen entworfen hatte, dass ähnlich wie Williams‘ tieflagige Streicherphrase aus DER WEISSE HAI (1975) signifikant für klingenden Horrorsoundtrack wurde, bereicherte den Film um romantisch-hintergründige Liebesthemen, die in ihren abwechslungsreichen Instrumentierungen eine neue Facette dieses Musikgenies preisgaben.
Bereits seit einiger Zeit auf Blu-ray erhältlich, brachte nun Anolis eine technisch verbesserte Version als Nr. 21 ihrer Hammer-Edition heraus. Neben einem Mediabook, das in drei Covervarianten erscheint, ist auch eine abgespeckte Fassung erschienen, um alle Käuferschichten zufrieden zu stellen. Das Breitwand-Bild erstrahlt in bisher nicht dagewesener Pracht, wobei die nach wie vor erstklassigen Sets und expressiven Farbkompositionen hervorragend zur Geltung kommen. Die deutsche, in Berlin entstandene Synchronfassung punktet neben hervorragenden Sprechern mit einem hochsprachlichen Dialogbuch; der englische Originalton versteht sich in dieser Edition von selbst. Mit Extras wird erneut nicht gegeizt, wobei der Audiokommentar mit dem erprobten Duo Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad erneut kenntnisreich und liebevoll geraten ist. In der Dokumentation „A Taste of New Blood“ (exklusiv nur auf dieser VÖ erhältlich) gibt insbesondere der Regisseur Peter Sasdy sympathische Auskünfte über seine Intentionen bei der Umsetzung des Filmstoffes. Neben dem britischen und deutschen Kinotrailer sowie den historischen Super-8-Fassungen (wahlweise in der hundertzwanzig oder sechzig Meter langen Fassung), finden sich opulente Bildergalerien mit dem britischen Werberatschlag – dem sogenannten Campaign Book – sowie der dazugehörigen, britischen Ad Card. Das amerikanische Pressbook sowie der deutsche Werberatschlag und Abbildungen von zahllosen Set- und Aushangfotos runden das Vergnügen ab. Ein achtundzwanzigseitiges Booklet, geschrieben von Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad, winkt darüber hinaus exklusiv nur den Käufern der Mediabook-Variante.
WIE SCHMECKT DAS BLUT VON DRACULA? ging neue Wege im Hammer-Horror und stellt aus heutiger Sicht einen nicht zu unterschätzenden, in seiner Diversität hochspannenden Genrevertreter dar. Speziell in der vorliegenden Edition sollte man sich ein Wiedersehen mit dem berühmtesten Vampir der Filmgeschichte auf keinen Fall entgehen lassen.
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Taste the Blood of Dracula | GB 1970 | Regie: Peter Sasdy | Darsteller: Christopher Lee, Linda Hayden, Anthony Higgins, Ralph Bates, Geoffrey Keen, Peter Sallis u.a.
Anbieter: Anolis Entertainment