Als sich zeitgleich erstmals Zombies und Inquisitoren anschickten, dem Mainstreamkino das Fürchten zu lehren, schien sich das Rezept der Hammer Films mit einem Schlag überlebt zu haben – antiquiert, auserzählt. Doch so leicht wollte es James Carreras der Konkurrenz nicht machen und ließ Graf Dracula erneut dem Grab entsteigen. DRACULAS RÜCKKEHR stand nichts mehr im Wege.
Monsignore Müller (Rupert Davies) traut seinen Augen nicht: hatte er doch gerade noch selbst am Schloss des Vampirfürsten ein Kruzifix angebracht, so muss er jetzt annehmen, dass Dracula (Christopher Lee) wieder zum Leben erweckt wurde. In Keinenberg geht der Satan um und will am Kirchenmann blutige Rache nehmen. Gemeinsam mit dem, seinem Bann unterliegenden Dorfpriester (Ewan Hooper) hat er es auf Müllers Nichte Maria (Veronica Carlson) abgesehen. Doch in deren Freund Paul (Barry Andrews) findet er einen ebenbürtigen Gegner und so entwickelt sich vor Draculas Schloss ein letzter Kampf auf Leben und Tod.
Schon der psychedelische Vorspann mit seinen mäandernden Formen und Farben ließ erkennen, dass Regisseur Freddie Francis es trotz seines angespannten Verhältnisses zum Horrorfilm noch einmal wissen wollte. Francis war eher kurzfristig für den eigentlich vorgesehenen, jedoch erkrankten Spielleiter des Klassikers DRACULA (1958), Terence Fisher, eingesprungen. Hatte er schon mit den ebenfalls für Hammer Films entstandenen Psychothrillern wie HAUS DES GRAUENS (1962) oder DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN (1962) in schwarzweißer Optik sein Können bewiesen, zeigte er in DRACULAS RÜCKKEHR, dass er auch im Farbfilm eine facettenreiche und ausgeklügelte Bildsprache zu erschaffen wusste. Er entwarf – gleich einer in sich schlüssigen Liturgie – das Konzept, sämtliche Aufeinandertreffen zwischen Dies- und Jenseits sowie die Auftritte Draculas mit Filtern farbenreich zu verfremden, um den morbiden Charme des Grafen noch zu verstärken. Auch die Szenen über den Dächern der Stadt erhielten märchenhafte Züge und heimsten viel Kritikerlob ein. Man sah dem Film an, dass sein Regisseur gelernter Kameramann war und ein Faible für die Farbspektakel Mario Bavas zu haben schien. Auch wenn nicht mehr in den traditionellen Bray Studios, sondern auf dem erheblich großräumigeren Pinewood-Gelände gedreht wurde, so atmete DRACULAS RÜCKKEHR retrospektiv betrachtet zum letzten Mal das traditionelle und unnachahmliche ‚Hammer-Flair‘ klassischer Prägung.
Inhaltlich schrieb man den eigentlichen Dracula-Part zwar auf einen simpleren Racheengel herunter, die sonstige Geschichte hatte jedoch erstmals erkennbar religionskritische Züge – ein Priester verbündet sich unter dem Einfluss des Geistes des Grafen Dracula gar mit dem Fürsten der Finsternis – und einen gehörigen Anteil ausgestellter Erotik. Zwar bewegte sich beides im Rahmen dessen, was Hammer Films gegenüber der britischen Zensur und auch dem eigenen Selbstverständnis entsprechend vertreten wollte und konnte, doch ein Paradigmenwechsel ließ sich erkennen. Dass man auf diese Weise versuchte, die klassische Erfolgsformel behutsam zu variieren, um modern zu bleiben, konnte niemanden argwöhnisch auf die Macher blicken lassen. Noch dazu stand mit Christopher Lee ein Mime parat, der seiner Interpretation eines blutrünstigen und sexualisierten Teufels in Menschengestalt jene unvergleichliche Laszivität und Grandezza verleihen konnte, die man sich nicht erarbeiten kann – Lee hatte diese Fähigkeit und adelte den Film mit seiner Präsenz. Auch Rupert Davies, berühmt geworden durch die Fernsehserie um den Meisterdetektiv Maigret (1960-1963), konnte als Lees Gegenspieler wirksame Akzente setzen.
James Bernard, der schon dem Original von 1958 musikalische Seele eingehaucht hatte und mittlerweile Garant für den „Hammer Sound“ war, schielte nicht auf die leichte Lösung und bloße Kopie seiner selbst. Denn das berühmte ‚Dracula-Motiv‘ mit der abfallenden Oktave sparte er aus, verwendete lediglich den als Tritonus ausgeführten ‚Dracula-Akkord‘ und baute hierum einen neuen, rhapsodischen und ausgesprochen reichhaltig orchestrierten Score, der sich aller disharmonischen Mittel bediente, um im Stile eines spätromantisch-modernen Soundtracks den Schrecken der Bilder klanglich noch zu steigern. Für die klerikalen Aspekte ließ sich der hochgebildete Bernard vom klassischen ‚Dies Irae‘ inspirieren, wobei er die Akkorde hier bewusst offen, unaufgelöst und somit für das Publikum unterschwellig bedrohlich stehen ließ.
Nun brachte Anolis eine technisch perfekte Version von DRACULAS RÜCKKEHR in ihrer Hammer-Edition heraus. Neben einem Mediabook, das in mehreren Covervarianten erhältlich ist, ist auch eine abgespeckte Fassung erschienen, um alle Käuferschichten zufrieden zu stellen. Das Breitwand-Bild erstrahlt in bisher nicht dagewesener Pracht, wobei die nach wie vor erstklassigen Sets und effektreichen Farbspielereien hervorragend zur Geltung kommen. Die deutsche, in Berlin entstandene Synchronfassung punktet neben hervorragenden Sprechern – so ist mit Gerd Martienzen eine prägnante Stimme für Christopher Lee zu hören – mit einem hochsprachlichen und passechten Dialogbuch; der englische Originalton versteht sich in dieser Edition von selbst. Mit Extras wird nicht gegeizt, wobei der Audiokommentar mit dem erprobten Duo Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad erneut kenntnisreich und liebevoll geraten ist. In den Dokumentationen „Dracula the Antichrist“ und „Composing the Count“ wird auf die unterschiedlichsten Hintergründe und Motiviken der Produktion im Allgemeinen und der vielschichtigen Kompositionen von James Bernard im Besonderen eingegangen. Als Interviewpartner stehen u.a Aktrice Veronica Carlson, Musikwissenschaftler Dr. David Huckvale sowie die AutorenInnen Kat Ellinger und Gavon Baddeley parat. Neben dem britischen und deutschen Kinotrailer und den opulenten Bildergalerien mit der dazugehörigen, britischen Ad Card, finden der deutsche und englische Werberatschlag und Abbildungen des Filmprogramms Verwendung. Ein vierundzwanzigseitiges Booklet, geschrieben von Dr. Rolf Giesen und Lars Dreyer-Winkelmann, winkt darüber hinaus exklusiv nur den Käufern der Mediabook-Variante.
DRACULAS RÜCKKEHR vollführte endgültig den turnaround zum Horrormärchen und stellte 1968 das Nonplusultra in Sachen britischem Gothic Horror dar. Hammer Films hatte bewiesen, dass es ihnen noch gelang, mit der Erfolgsformel Kritiker und Publikum zufriedenstellen zu können. Was auch immer danach kam, wie auch immer man darüber denken mochte: DRACULAS RÜCKKEHR ist britisches Horrorkino in Perfektion, dass sich in jeder guten Filmsammlung wiederfinden sollte.
___________________________________________________________________
Dracula Has Risen from the Grave | GB 1968 | Regie: Freddie Francis | Darsteller: Christopher Lee, Rupert Davies, Veronica Carlson, Barbara Ewing, Barry Andrews, Michael Ripper u.a.
Anbieter: Anolis Entertainment