Best Western.

Der US-Staat Wyoming im Winter. Das Indianerreservat „Wind River“ ist von Schnee überzogen, inmitten einer riesigen und schwer zugänglichen, waldigen Gebirgsregion. Der Wildhüter Cory Lambert (Jeremy Renner), schnell erkennbar als Jäger im Auftrag des Guten, entdeckt abgelegen im Schnee die Leiche der jungen Indianerin Natalie. Mord? Das FBI wird eingeschaltet.

WindRiver_Poster Der stimmungsvolle und bildgewaltige Thriller WIND RIVER von Taylor Sheridan versetzt uns in eine Welt, in der Gesetze nur am Rande gelten. „Nur Schnee und Stille, kein Spaß.“ Im Reservat herrschen derart trostlose Verhältnisse, dass die jüngere Generation sich in Drogen und anderen Delikten ersäuft und oft lieber im Gefängnis aufhält, wo es Wärme, Essen und TV for free gibt – so äußert sich der Chef der örtlichen Stammespolizei Ben Shoyo (Graham Greene), der mit seinen 6 Angestellten ein Gebiet von 3000 m2 überwachen muss und mit dem Mordfall heillos überfordert ist. Wie schon am Mord an Lamberts Tochter vor einigen Jahren, ihres Zeichens beste Freundin von Natalie.

Keine Frage, dass da Lamberts Interesse an der Aufdeckung groß ist. Und als ihn die anfangs überforderte, aus Las Vegas kommende FBI-Ermittlerin Jane Banner (Elisabeth Olsen) um Mithilfe bittet, ist er natürlich interessiert. Nicht zuletzt geht es hier um die Verletzungen, die das gesellschaftliche Umfeld den Menschen antut. Die Familie, die eine Tochter verliert und sich trennt. „Ich war in einem Trauerseminar“, sagt Lambert zu Natalies Vater Martin (Gil Birmingham), der völlig fassungslos seines Lebenszwecks beraubt ist (während seine Frau sich die Haut aufritzt).

WindRiver_4 Auf die Frage, weshalb er Natalies neuen Freund nicht unbedingt kennenlernen wollte, antwortet er: „Sie war 18. Ich wollte ihr vertrauen.“ Doch genau das scheint heutzutage nicht mehr möglich zu sein – zu groß die Gefahren, die da lauern. Für Regisseur Sheridan, der bereits die Drehbücher zu SICARIO (2015) und HELL OR HIGH WATER (2016) schrieb und die drei Filme als seine Frontier-Trilogie bezeichnet, befinden wir uns auch hier in einem modernen Western, einem Raum, in dem die Zivilisation und das Gesetz nicht wirklich hinkommen. Menschen bewegen sich auf motorisierten Pferden (Schneebobs) durch die Plains und nehmen das Recht in die eigene Hand. In der Zwischenzeit hat das „Gesetz“ selbst, verkörpert durch die aufrechte FBI-Agentin, Probleme, überhaupt Fuß zu fassen: nicht nur die Kälte und die Unwissenheit über die Gepflogenheit im Reservat sind Janes Probleme, auch die Tote selbst: Natalie wurde zwar mehrfach vergewaltigt, starb aber auf der Flucht, weil eine Lunge in der -30 Grad kalten Luft irgendwann gefriert und zu bluten beginnt.

WindRiver_3 In allen drei Filmen bilden „gescheiterte“ Vaterfiguren den Angelpunkt. Sheridan dazu auf collider.com: „It’s three fathers, each facing a failure of whether that failure was innocence or naiveté about (…) the rule of law with Alejandro in SICARIO, whether it’s (…) with Toby in HELL OR HIGH WATER, that failure is an inability to provide and so he makes a decision to (…) operate outside the rule of law in this sort of selfish martyrdom. And with Cory, his failure is trusting his child where he lives in a place where the rule of law doesn’t exist.“ Das Problem der gescheiterten Väter ist, dass sie mit einer Familie in einer Region leben, in der Männergewalt das Gesetz vertritt. Das führt Cory Lambert schließlich zu einer abstrusen Philosophie: In Städten kann man irgendwann, irgendwie, zufällig ums Leben kommen, man geht über die Straße und kommt unter ein Auto – doch in zivilisationsfreieren Zonen gilt es, stark zu sein, zu beschützen und zu töten.

WindRiver_2 Dass da noch ganz andere Menschen außer dem Wildhüter Cory Lambert das Gesetz in ihre eigenen Hände nehmen, wird immer klarer und bedrohlicher. Die Gewalt im Film ist absehbar und doch furchtbar. Bis sich alles in die kalte, verschneite Gegend einpasst: die Trauer, die Gewalt, die Gesetzlosigkeit, die weite Landschaft, die Kälte der Jahreszeit und nicht zuletzt der melancholisch-dramatische Soundtrack von Nick Cave und Warren Ellis.

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Wind River | USA/UK/Kanada 2017 | Regie und Drehbuch: Taylor Sheridan | Musik: Nick Cave, Warren Ellis | Kamera: Ben Richardson | Darsteller: Jeremy Renner, Elisabeth Olsen, Graham Greene, Gil Birmingham, Kelsey Chow, Teo Briones | Laufzeit: 107 min.