Der fünfjährige Billy Chapman und seine Familie besuchen den katatonischen Großvater in dessen Pflegeheim. Ganz so katatonisch scheint er jedoch nicht zu sein, denn als Billy einige Minuten mit ihm allein gelassen wird, erzählt sein Großvater ihm plötzlich, dass er sich vor dem Weihnachtsmann fürchten muss, falls er nicht das ganze Jahr artig war. Santa Claus würde nämlich unartige Kinder hart bestrafen. Auf der Rückfahrt hält die Familie mitten im Nirgendwo an, um einem als Weihnachtsmann verkleideten Mann zu helfen, der scheinbar eine Autopanne hat. Dass der vorher einen Ladenbesitzer bei einem Überfall erschossen hat, können sie natürlich nicht wissen. Als der vermeintliche Santa eine Waffe zieht, versucht Billys Vater noch zu entkommen, wird jedoch erschossen. Dann stürzt sich Santa Claus auf Billys Mutter, reißt ihr die Bluse herunter und durchtrennt ihr schließlich die Kehle. Billy ergreift unterdessen die Flucht, wobei er seinen kleinen Bruder Ricky im Wagen zurücklässt.
Drei Jahre später. Weihnachten. Billy und Ricky leben seit dem Tod der Eltern in einem Waisenhaus unter den wachsamen Augen der strengen Mutter Oberin (Lilyan Chauvin – UNIVERSAL SOLDIER), die gern zu drastischen Erziehungsmethoden greift, wenn eines der Kinder unartig war. Die junge Schwester Margaret (Gilmer McCormick – SLAUGHTERHOUSE-FIVE) hält nicht viel von solchen Methoden und begegnet den Kindern eher mit Verständnis und Hilfe, kann sich aber gegen die Mutter Oberin nicht durchsetzen. Am Weihnachtsmorgen wird das Waisenhaus von einem als Santa Claus verkleideten Mann besucht, der den Kindern Geschenke bringen soll. Der traumatisierte Billy weigert sich, sich auf dessen Schoß zu setzen, verpasst ihm eine Ohrfeige und flüchtet auf sein Zimmer. Die Bestrafung durch die Mutter Oberin erfolgt umgehend. Zehn Jahre später verlässt der inzwischen erwachsene Billy (Robert Brian Wilson – DYNASTY) das Waisenhaus. Mit Unterstützung von Schwester Margaret findet er einen Job als Lagerist im örtlichen Spielzeugladen. Dort verliebt er sich in seine Kollegin Pamela. Seine sexuellen Phantasien werden jedoch von blutigen Erinnerungsfetzen an den Mord an seinen Eltern unterbrochen. Am Heiligabend meldet sich der Mitarbeiter krank, der sonst die Rolle des Weihnachtsmanns übernommen hat, also wird kurzerhand Billy zum neuen, wenig begeisterten Weihnachtsmann ernannt. Nach Ladenschluss gibt es eine kleine Firmenfeier. Billy, noch immer im Weihnachtsmann-Outfit, hat jedoch keinen Spaß daran. Als er dann noch seinen Kollegen Andy bei dem Versuch erwischt, Pamela im Lager zu vergewaltigen, brennen seine Sicherungen durch und er sorgt für eine angemessene Bestrafung dieses unartigen Benehmens. Und es gibt noch viele weitere unartige Menschen in der Stadt…
Weihnachten. Das Fest der Liebe. Daraus muss sich doch Stoff für Alpträume ableiten lassen, so wie es auch für Halloween oder Valentinstage der Fall ist. Das hat sich auch die Filmindustrie gedacht und spätestens seit Bob Clarks 1974er Klassiker BLACK CHRISTMAS in schöner Regelmäßigkeit den weißbärtigen und rotgewandeten Geschenkeverteiler Santa Claus zum Mittelpunkt diverser Horrorfilme gemacht.
Zeitgleich mit Wes Cravens A NIGHTMARE ON ELM STREET kam 1984 SILENT NIGHT, DEADLY NIGHT in die US-Kinos. Das Studio hatte dafür TV-Spots produziert, deren Platzierung am Nachmittag während der Übertragung eines Football-Spiels natürlich denkbar unpassend war. Die Spots wurde schnell auf andere Zeiten umgebucht, allerdings hatte sich da schon heftiger Protest von aufgebrachten Moralaposteln (Citizens against movie madness) formiert, die natürlich, wie immer in solchen Fällen, den Film gar nicht gesehen haben, die aber anführten, dass die Spots ihren Kindern eine Höllenangst vor dem Weihnachtsmann eingeflößt hätten.
Es kam zu Protestkundgebungen vor diversen Kinos und dann schlug die Stunde von Roger Ebert und Gene Siskel. Die beiden wichtigsten US-Kritiker nahmen sich den Film und seine Macher in ihrer wöchentlichen Kinosendung zur Brust, wobei besonders Siskel seiner Empörung freien Lauf ließ. Er nannte die Namen vieler am Film beteiligten Personen und warf ihnen vor, dass ihre Profite „Blutgeld“ seien. Besonders verantwortlich machte er das beteiligte Studio mit den Worten: “TriStar Pictures, co-owned by Columbia Pictures, CBS, and Home Box Office. Shame on you!”.
Zwei Wochen nach Kinostart zog TriStar alle Kopien aus den Kinos ab, angeblich wegen des mangelnden Erfolgs. Man darf eher vermuten, dass sowohl Columbia Pictures, als auch deren damalige Muttergesellschaft Coca-Cola weitere negative Publicity wegen eines billigen Slashers vermeiden wollten, der seine geringen Kosten eh schon eingespielt hatte.
Und damit kommen wir zu dem Film, der leider – das gleich vorweg – nicht halb so interessant ist, wie der durch ihn ausgelöste Skandal, ohne den heute wahrscheinlich niemand mehr ein Wort über diesen Film verlieren würde. Hier haben wir einen billig heruntergekurbelten Slasher, der zwar einen sympathisch nostalgischen Unterhaltungswert besitzt, ansonsten aber an vielen Stellen doch eine gewisse Professionalität vermissen lässt, insbesondere beim Drehbuch und bei den Darstellerleitungen.
Anfangs lässt sich der Film viel Zeit mit den drei Zeitebenen, in denen die Geschichte abläuft. Hier wird geschickt die psychologische Basis für Billys Trauma und den späteren Amoklauf gelegt. In der ersten Filmhälfte hat man sich also mit einem Haufen plumper Klischees und platter Dialoge herumzuschlagen, die dann auch noch von unterschiedlich überforderten Schauspielern dargeboten werden. Zwischendurch blitzt jedoch auch immer wieder eine inspirierte Szene durch, wie z.B. eine Sequenz über Billys erste Tage im Spielzeugladen, bei der ich an die zeitgeraffte Anprobesequenz zum Abschlussball aus de Palmas CARRIE denken musste. Als dann endlich die Mordserie beginnt, kommen Messer, Äxte, Lichterketten, Baseballschläger und Hirschgeweihe zum Einsatz, mal mehr, mal weniger kreativ, aber insgesamt gut getrickst.
In einem solchen Film sind neben Mord und Totschlag natürlich auch nackte weibliche Brüste von Vorteil. Hier kommt zuerst Tara Buckman (THE CANNONBALL RUN) als Billys Mutter zum Einsatz, dicht gefolgt von der einschlägig bekannten Linnea Quigley (RETURN OF THE LIVING DEAD), die in einer wunderbar lachhaften Szene nach einem unfreiwillig unterbrochenen Beischlafversuch zwar ihre Shorts anzieht, aber trotz des draußen herrschenden Winters doch tatsächlich ihr Oberteil vergisst, als sie vor die Haustür tritt, um die Katze reinzulassen. Dann gibt es noch eine schräge Beischlafszene – ausgerechnet im Kloster – die von Billy durchs Schlüsselloch beobachtet wird. Die Mutter Oberin wird vom durch das durchs ganze Haus schallenden Gestöhne angelockt und bestraft die beiden unartigen Teilnehmer (eine Nonne und der Hausmeister? Oder wer sind die beiden überhaupt?) mit der üblichen Tracht Prügel. Woraus sich für Billy gleich das nächste Trauma ergibt, denn offenbar führt auch Sex zu prompter Bestrafung.
Die insgesamt unterdurchschnittlichen Darstellerleistungen werden gerettet von Lilyan Chauvins resoluter Mutter Oberin, Gilmer McCormicks Schwester Margaret und Robert Brian Wilsons überraschend glaubwürdiger Darstellung des hübschen, durchtrainierten Weihnachtskillers. Dabei schafft es Wilson sogar, aller Morde zum Trotz, die Sympathie der Zuschauer für den traumatisierten Billy zu behalten.
Der 2011 verstorbene Charles E. Sellier jr. (THE ANNIHILATORS) hinterlässt drei Regiearbeiten und über siebzig Credits als Produzent. Als begnadeter Regisseur hat er sich in diesem Film nicht hervorgetan, eher als solider Handwerker. Technisch gibt es, auch angesichts seines Entstehungsjahres und des geringen Budgets, wenig an dem Film auszusetzen. Story und Darsteller sind jedoch oft fragwürdig und der Trashfaktor ist hoch. Aus meiner Sicht ist sein Kultstatus – ebenso wie seine vier Sequels – daher einzig durch den alten Skandal erklärbar.
Wer jedoch ein Faible für 1980er Trashperlen hat, wird hier sicher sein Vergnügen finden, zumal diese Anolis-Fassung mit üppiger Ausstattung daherkommt. Anolis erklärt in einem dem Film vorangestellten Text, dass die schon in der Originalfassung entfernten Szenen für diese „Unrated“ Fassung aus einer VHS-Quelle per Farbkorrektur so gut wie möglich wieder eingefügt wurden. Das ist ein netter Zug, auch wenn die Qualität dieser Szenen sich erheblich von der sehr schön restaurierten 4K-Fassung unterscheidet.
STILLE NACHT, HORROR NACHT erscheint in einem hochwertigen Mediabook mit drei verschiedenen Covern, wobei Cover C mit der Darstellung des schmerzhaften Zusammentreffens von Hirschgeweih und Linnea Quigley den Geist des Films am besten trifft. Innen eingeheftet findet sich ein informatives vierundzwanzigseitiges Booklet. Die Blu-ray selbst enthält neben der kürzeren R-Rated-Kinoversion einen Audiokommentar von Fangoria-Autor Justin Beahm mit Robert Brian Wilson und Scott J. Schneid und einen mit Michael Hickey, Komponist Perry Botkin, Michael Spence und Scott J. Schneid. Außerdem findet man die fünfundvierzigminütige, auch von Justin Beahm produzierte Doku „Slay Bells Ring: The Story of Silent Night – Deadly Night“, ein (manchmal ironisch-amüsantes, manchmal peinliches) Interview mit Linnea Quigley, sowie ein Video über die damaligen Drehorte. Weitere Extras bieten dann noch den US Kinotrailer, TV- und Radiospots und eine Bildergalerie. Bis auf die Trailer ist auch alles untertitelt abrufbar.
Ob der Film den bemerkenswerten Aufwand wert ist, liegt dann sicher im Auge des Betrachters, aber als Sammlerstück ist diese Ausgabe auf jeden Fall ein Highlight.
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Silent Night, Deadly Night | USA 1984 | Regie: Charles E. Sellier jr. | Darsteller: Robert Brian Wilson, Lilyan Chauvin, Gilmer McCormick, Toni Nero, Britt Leach, Linnea Quigley u.a.
Anbieter: Anolis Entertainment