In Asien gibt es noch diese abgelegenen Orte, in denen eine Menschenjagd fernab der Zivilisation möglich ist. Regisseur Jimmy Henderson findet den idealen Ort in einem kambodschanischen Grenzgebiet, einem Urwald, in dessen Nähe ein Correctional Center steht. Ein Gefängnis also, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, seine Gefangenen zu reformieren und weiterzubilden. Doch in diesem exzellent gemachten Exploitationfilm existiert natürlich kein Gefängnis, das liebevoll mit seinen Insassen umgeht.
Diese Wahrheit erfährt der chinesische Undercover-Interpolagent Xin (Gu Shangwei) am eigenen Leib. Als er in Phnom Penh in eine Razzia gerät, lässt er sich verhaften, damit seine Tarnung nicht auffliegt. Leider wird er zügig in das Correctional Center verlegt und tut sich in einem von Gefängnisaufsehern beobachteten Gefängnisfight prompt derart hervor, dass er auserwählt wird – zu einem Trip in die grüne Hölle Kambodschas. Mit ein paar anderen Straftätern wird Xin an eine entlegene Stelle im Urwald gefahren.
Dort werden sie in einer Reihe aufgestellt, hinter ihnen der Aufseher mit gelber Zuhältersonnenbrille (Vithaya Pansringarm) und drei reiche Männer, die eine beachtliche Summe für den Wettkampf darauf bezahlt haben, wer am meisten Gefangene tötet. Und dann der Startschuss: „If you have a will to live, run to the jungle.“ Die Gefangenen rennen los, einige von ihnen werden bereits auf dem offenen Feld niedergestreckt. Was dann abgeht, ist eine nach allen Regeln des Genres gestrickte, spannende Jagd auf die Überlebenden, die sich zusammenschließen, wehren, immer wieder auffliegen. Dass Xin vor seiner Festnahme noch eine Nachricht ans Interpol-Hauptquartier schicken konnte und sich die gutaussehende Ly (Dy Sonita) tatsächlich bis zu den Menschenjägern in die kambodschanische Hölle vorrecherchieren konnte – gepflegt in weißer Bluse -, bringt Xin denn auch keine Vorteile. Im Gegenteil: Natürlich liefert die Präsenz der „sauberen“ chinesischen Frau eine Steilvorlage für Erpressungen, Drohungen, sexuelle Belästigungen.
Auch wenn hier nicht, wie so oft im asiatischen Genrekino, aus einem abgelutschten Plot etwas Neues, Cooles gemacht wird, funktioniert THE PREY trotzdem prächtig. Einfach als klassischer Exploitationfilm: Die reichen Menschenjäger sind komplett geil aufs Morden, der Aufseher ist ein uneinsichtiges, berechnendes Arschloch, der am Schluss noch erklärt, weshalb seine Handlungen der Gesellschaft dienten, und die Story ist voller Wendungen, die man zwar aus all den Menschenjagdfilmen seit GRAF ZAROFF – GENIE DES BÖSEN (THE MOST DANGEROUS GAME, 1932) kennt, die hier aber äußerst gut eingesetzt sind. Mit THE PREY ist Regisseur Jimmy Henderson ein weiterer Actionfilm in einem Land gelungen, das in dieser Hinsicht keine filmische Vergangenheit hat – aber sehr wohl eine unglaublich harte, brutale Geschichte in den Siebzigern durch das Regime von Lon Nol und mehr noch durch die Terrorherrschaft der Roten Khmer. Dieser Hintergrund macht den Film glaubwürdig und gleichzeitig ungemütlich.
Ein seltsamer Balanceakt des italienischen Regisseurs Jimmy Henderson. Er lebt seit 2011 vornehmlich in Kambodscha und hat sich dort mit dem ersten kambodschanischen Zombiefilm RUN (2012), dem Martial Arts-Gangsterfilm HANUMAN (2013) und dem äußerst erfolgreichen Gefängnisfilm JAILBREAK (2016) bereits höchst verdient gemacht. THE PREY soll irgendwann auch auf Netflix laufen.
The Prey
Kambodscha 2018
Regie: Jimmy Henderson
Darsteller: Gu Shangwei, Vithaya Pansringarm, Byron Bishop, Sahajak Boonthanakit, Dy Sonita u.a.
Laufzeit: 93 min.
Der Film lief am Neuchâtel International Fantasy Film Festival 2019.