Charlotte Willmore (Allison Williams – GET OUT), eine erfolgreiche Cellistin, hat die ihr bevorstehende Weltkarriere auf Eis gelegt, um ihre tödlich erkrankte Mutter zu pflegen. Ausgebildet wurde sie an der höchst renommierten Bachoff-Privatakademie in Boston. Nach dem Tod ihrer Mutter nimmt Charlotte Kontakt zu ihrem früheren Förderer Anton (Steven Weber – 13 REASONS WHY) auf, der die Akademie zusammen mit seiner Frau Paloma (Alaina Huffman – SUPERNATURAL) leitet.
Anton lädt Charlotte nach Shanghai ein, wo sein aktuelles Protegé Elizabeth „Lizzie“ Wells (Logan Browning – DEAR WHITE PEOPLE) einen prominenten Auftritt anlässlich einer Preisverleihung absolviert. Trotz anfänglicher Rivalität freunden sich die beiden an und verbringen die Nacht miteinander. Für den nächsten Tag plant Lizzie ihre Abreise ins chinesische Hinterland, um sich von der anstrengenden Tournee zu erholen. Sie überredet Charlotte, sie auf dem Trip zu begleiten. Unterwegs erkrankt Lizzie, bekommt Halluzinationen und wird gewalttätig, so dass die beiden aus dem Bus geworfen werden. Unterdessen verschlimmern sich Lizzies Wahnvorstellungen und münden in einem blutigen Akt der Selbstverstümmelung.
Kurz darauf erwacht sie in einem Krankenhaus und ihr wird klar, dass sie nach ihren Verletzungen nie wieder ein Cello spielen wird. Sie kehrt zurück zur Akademie und berichtet Anton und Paloma von ihrem Verdacht, dass Charlotte sie aus Rivalität unter Drogen gesetzt und ihre Verstümmelung provoziert hat. In ihrem Zustand hat Lizzie jedoch keinen Wert mehr für die Akademie und wird vor die Tür gesetzt. Da sie nichts mehr zu verlieren hat, macht sie sich auf die Suche nach Charlotte, um sich zu rächen…
Und hier nimmt dieser kleine, in vier Kapitel unterteilte und mit Horror-, Drama- und Erotikelementen versetzte Thriller eine von mehreren unvorhersehbaren Wendungen. Dabei schreckt Regisseur Richard Shepard (HUNTING PARTY) nicht vor brutaler Gewalt, queerem Sex und provokanten Szenen, sowie einer ordentlichen Portion Bodyhorror zurück. Insgesamt also eine recht wüste Mischung, die jedoch funktioniert wie ein gut aufeinander eingestimmtes Orchester.
Auffällig an diesem Film ist an erster Stelle die Optik. Kamera und Schnitt gehen hier Hand in Hand. DP Vanja Cernjul (CRAZY RICH ASIANS) kredenzt hier exzellent ausgeleuchtete Bilder, stimmungsvolle Großaufnahmen, elegante Schwenks und ungewöhnliche Kameraperspektiven, die von Editor David Dean sehr gelungen montiert wurden. So ist beispielsweise das Celloduett von Charlotte und Lizzie fast wie eine Sexszene gedreht und knistert vor erotischer Spannung.
Mit den mehrfachen Kehrtwendungen der Story sowie den wechselnden Erzählperspektiven zieht Regisseur Shepard dem Zuschauer ständig den Boden unter den Füßen weg. Alle Erkenntnisse, die man vermeintlich schon gesammelt hat, wirft Shepard mit einem plötzlichen Genre- und Stilwechsel über den Haufen und entwirrt somit erst nach und nach den verwinkelten Plot. Gelegentlich verliert der Regisseur dabei ein wenig die Balance, fängt sich jedoch wieder, während er die nächste Wendung vorbereitet.
Aus einer Geschichte von Ehrgeiz, Talent und Rivalität wird so allmählich eine abgründige Missbrauchs- und Rachestory, die auf dem Weg zum furiosen Finale nicht vor Extremen zurückschreckt. Splatterfreunde werden hier nicht enttäuscht.
Einen sehr großen Anteil am Gelingen dieser durchaus riskanten Story haben die beiden Hauptdarstellerinnen, bei denen die Chemie stimmt und die ihren Charakteren auch in den hart an der Grenze zur Parodie kratzenden Momenten Authentizität verleihen. Auch Steven Webers „larger than life“ Interpretation des Talentförderers Anton darf hier nicht unerwähnt bleiben. Von Anfang an ein suspekter Charakter, ist auch seine Entwicklung für manch unangenehme Überraschung gut.
Übertreibt es der Film an mancher Stelle? Ja, ganz sicher, aber dabei bleibt er immer effektiv, unterhaltsam, bisweilen schwarzhumorig und in seiner abgedrehten Konsequenz sogar nachvollziehbar. Manches wirkt trashig, aber Shepard weiß, was er tut, und bedient ungeniert und mit offensichtlichem Vergnügen die Konventionen des Genres. Das zeigt sich auch an der Soundtrackauswahl, die in fröhlicher Folge zwischen Klassik, HipHop und Haslingers Originalkomposition wechselt und jeweils einen akustischen Punkt zum optischen Geschehen setzt. Zartbesaitete Zuschauer, die eventuell sogar noch eine Körperausscheidungsphobie pflegen, werden mit diesem Film definitiv nicht glücklich. Allen Freunden leicht überdrehter und blutiger Thriller sei dieses Werk wärmstens ans Herz gelegt.
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The Perfection, USA 2018 | Regie: Richard Shepard | Drehbuch: Eric C. Charmelo, Richard Shepard, Nicole Snyder | Kamera: Vanja Cernjul | Schnitt: David Dean | Musik: Paul Haslinger | Darsteller: Allison Williams, Logan Browning, Steven Weber, Alaina Huffman, Glynis Davies, Molly Grace, Doralynn Mui, Stephen Chang, Evelyn Chew, Graeme Duffy, Mark Kandborg | Laufzeit: 90 Min.