Brett Ridgeman (Mel Gibson) und Anthony Lurasetti (Vince Vaughn) sind Cops in der fiktiven Stadt Bulwark. Während einer Drogenrazzia wird der ältere Ridgeman bei seinem unnötig heftigen Vorgehen gegenüber einem Verdächtigen von einem Passanten gefilmt. Das Video gelangt an die Öffentlichkeit, so dass Lt. Calvert (Don Johnson), der Chef der beiden Cops und ehemaliger Partner von Ridgeman, sich dazu gezwungen sieht, beide ohne Bezahlung zu suspendieren. Ridgeman versucht vergeblich, Lurasetti davor zu bewahren, aber der Medienrummel erfordert ein klares Zeichen. Da Ridgemans Frau Melanie (Laurie Holden), auch eine ehemalige Polizistin, wegen multipler Sklerose nicht mehr arbeiten kann, muss er als Alleinverdiener für Frau und Tochter sorgen. Außerdem wollen sie unbedingt umziehen, da es mit der Nachbarschaft rapide abwärts geht und Ridgemans Tochter bereits mehrfach von schwarzen Jugendlichen belästigt wurde, was Melanie zu der Feststellung bringt, dass sie sich früher nie als Rassistin gesehen hat.
Lurasetti dagegen plant, seiner Freundin Denise (Tattiawna Jones) einen Antrag zu machen. Denise hat einen sehr gut bezahlten Job und Lurasetti fühlt sich ihr unterlegen, was durch die Suspendierung nur weiter kompliziert wird. Beide brauchen also eine finanzielle Überbrückung für die Zeit ihrer Freistellung. Ridgeman wendet sich an Fred (Udo Kier), einen gutsituierten Geschäftsmann mit zwielichtigen Kontakten, der ihm einen Gefallen schuldet. Fred soll Informationen über geplante Überfälle beschaffen, bei denen Ridgeman und Lurasetti dann gefahrlos Geld von den Gangstern abgreifen können. Parallel dazu lässt sich der frisch aus dem Gefängnis entlassene Henry Jones (Tory Kittles) von seinem Kumpel Biscuit (Michael Jai White) zu einem Job als Fahrer bei einem Überfall anheuern. Eigentlich wollte Henry der kriminellen Laufbahn entsagen, aber seine drogensüchtige Mutter und sein im Rollstuhl sitzender Bruder zwingen ihn dazu, mehr Geld zu beschaffen, als ein normaler Job einbringen würde. Auftraggeber ist der mysteriöse und kaltblütige Vogelmann (Thomas Kretschmann), der bereits minutiöse Vorbereitungen für seinen Coup trifft. Genau diesen Überfall hat Ridgeman als Tipp von Fred bekommen und hier beginnen sich die beiden Erzählstränge auf verhängnisvolle Weise zu vermischen.
Die parallelen Geschichten bewegen sich mit schmerzhafter Langsamkeit auf ihr unausweichlich böses Ende zu und als der Überfall eine völlig ungeahnte Wendung nimmt, bleiben die beiden Cops trotz der kriminellen Pläne doch an erster Stelle Cops… Zwei Konstanten kann man nach BONE TOMAHAWK und BRAWL IN CELL BLOCK 99 inzwischen bei S.Craig Zahler voraussetzen. Der Film wird weit über zwei Stunden dauern und für den Großteil der Besetzung blutig enden. Zahlers dritte Regiearbeit ist da nicht anders. In diesem streckenweise zum Roadmovie mutierenden Copdrama lässt er sich wieder Zeit mit seiner beinahe minutiös erzählten Geschichte. Die vermittelt mitunter den Eindruck, als ob nicht seine Protagonisten ihre potentiellen Opfer observieren, sondern als ob man selbst als Zuschauer gerade eine Beschattung durchführt. Dabei steht Zahler erneut eine exquisite Besetzung zur Seite.
Mel Gibson (leider mit ungewohnter Synchronstimme) gibt dabei den grantigen Cop, dessen Karriere wegen früherer Brutalitäten stagniert und der jede geplante Aktion mit prozentualen Erfolgswahrscheinlichkeiten kommentiert. Angesichts von Gibsons eigenen Skandalen der letzten Jahre sind die Parallelen zu dieser Rolle bemerkenswert, was allerdings nichts daran ändert, dass dies seine mit Abstand beste Rolle seit Shyamalans SIGNS von 2002 ist. Vince Vaughn überzeugt auch in seiner zweiten Zusammenarbeit mit Zahler. Weniger bullig und brutal als in BRAWL IN CELL BLOCK 99, ist er hier der ständig zweifelnde Partner, der nur aufgrund der widrigen Umstände Rigdemans Plan zustimmt. Tory Kittles Rolle scheint anfangs nicht sonderlich wichtig zu sein, aber im Verlauf des Films stiehlt er mit seiner kontrollierten Darstellung manch anderem die Show. Dabei sind die Gemeinsamkeiten zwischen seiner und Ridgemans Geschichte besonders interessant. Beide haben kranke Familienmitglieder, die auf ihre Hilfe und somit auf das Geld aus dem Überfall angewiesen und beide wollen raus aus ihrem bisherigen Leben. Einen bemerkenswerten Kurzauftritt hat Jennifer Carpenter, ebenfalls zum zweiten Mal in Zahlers Team. Mit ziemlicher Sicherheit hätte ein anderer Regisseur ihre gesamte Episode aus dem Film geschnitten, aber Zahlers Entscheidung gegen einen Schnitt sorgt für eine der größten Überraschungen des Films und zeigt gleichzeitig seine zynische Sicht auf die Welt. Don Johnson, Udo Kier, Laurie Holden und Michael Jai White unterstützen in den kleineren Rollen, während Thomas Kretschmann den ausgesucht unangenehmen und eiskalten Kopf der europäischen Gangsterbande gibt.
DP Benji Bakshi führt die Kamera stilvoll mit gewohnt ruhiger Hand, während Greg D‘Auria die breiten Bilder in gemächlichem Tempo montiert hat. Zahler versteht es, seine Szenen, Charaktere und Dialoge so interessant zu gestalten, dass trotz der überbordenden Länge des Films nie Langeweile aufkommt. Der methodische Aufbau öffnet mit jedem Zug neue Varianten für den Fortgang des Dramas. Auch wenn die Gewalt hier weniger präsent ist, als in den beiden Vorgängern, zelebriert Zahler sie mit der gewohnt kaltschnäuzigen Wucht.
Der Film entwickelt eine innere Spannung, die selbst scheinbar banale Szenen wichtig erscheinen lässt. Zahlers Dialoge sind nicht ganz so smart und die Geschichten nicht ganz so ausufernd, aber seine Filme erinnern mich strukturell an Tarantino, ohne ihn je plump zu kopieren. Zahler hat offenbar genug Einfluss oder Geld, um seine Filme exakt so zu drehen, wie er sie haben will. Er biedert sich mit seinen gebrochenen und charakterlich bedenklichen Protagonisten nicht beim Publikum an, verweigert sich jeder politischen Korrektheit und interessiert sich auch nicht für die Kürzung auf eine publikumsfreundlichere Länge. Das mag an mancher Stelle selbstverliebt und arrogant, an anderer rassistisch oder reaktionär erscheinen, ist aber ehrlicher als viele Hollywood-Hochglanzprodukte. Und der Mann beherrscht sein Handwerk.
Zahler schreibt übrigens ähnlich eindrücklich und brutal, was man unter anderem in dem Thriller „Die Toten der North Ganson Street“ oder im Western „Wie Schatten über totem Land“ nachprüfen kann. Letzterer enthält eine extrem brutale Passage, die mir in ihrer akribischen Detailversessenheit eines der unangenehmsten Leseerlebnisse meines Lebens beschert hat.
Was den Film betrifft, so ist er ebenso sehenswert wie seine beiden Vorgänger.
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Dragged across concrete | USA 2018 | Regie: S. Craig Zahler | Darsteller: Mel Gibson, Vince Vaughn, Tory Kittles, Michael Jai White, Jennifer Carpenter, Laurie Holden, Fred Melamed, Udo Kier, Don Johnson, Thomas Kretschmann, Tattiawna Jones, Miles Truitt, Richard Newman u.a.
Anbieter: Universum Film