Auf den ersten Blick scheint die Herumtreiber Billy (Giuliano Gemma) und Larry (Mario Adorf) nicht viel zu verbinden, als sie sich nach einem Postkutschenmassaker das erste Mal begegnen. Doch als Billy kurz darauf Larry bei einer Barprügelei heraushaut, eröffnet ihm dieser, dass er im Besitz einer beträchtlichen Summe Gold ist. Ein großer Fehler – denn nun versucht Billy, sich das Gold unter den Nagel zu reißen! Doch das ist längst nicht das einzige Problem, das auf die beiden Gauner wartet. Denn Billy hat nicht nur ein Herz für die bezaubernde Lebedame Dorothy (Magda Konopka), sondern auch die Bande um Samuel Pratt (Anthony Dawson) und dessen Sohn Roger (Rick Boyd) am Hacken – und die Rache der Pratts bringt die beiden ungleichen Freunde Billy und Larry in tödliche Gefahr.
1968 hatte sich der Italowestern bereits in eine relative Sackgasse manövriert. Zwar hatte Sergio Leone erst vier Jahre zuvor mit FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR (1964) das Genre begründet, doch die schiere Schlagzahl an daraufhin produzierten Beiträgen zehrte die Substanz aus. Während manche versuchten, die Stellschraube der Action immer weiter anzuziehen, verlegten sich andere bereits auf die ironische Brechung des ursprünglich hochernsten Sujets. Sentimentalität und Melancholie sind denn auch die bestimmenden Gefühle, die in AMIGOS vorherrschen. In gewisser Weise gestaltet sich AMIGOS zwar als Giulio Petronis subtile Vorwegnahme der Spencer-Hill-Westernkomödien, dennoch ist der Abschied vom „alten Westen“ unverkennbar – die ständig zwischen ausgespielter Brutalität und federnder Komik pendelnde Inszenierung bedient mehrere Pole der Emotionsklaviatur und kann die auseinanderdriftenden Lager somit wenigstens für die Filmdauer versöhnen.
Einzige Schwäche des Filmes scheint mir das Drehbuch, da die Autoren Alberto Areal – dessen einziger Credit AMIGOS bleiben sollte – und Mariano Laurenti – der fürderhin eher als Regisseur lendenzentrierter Flotte-Teens-Komödien reüssieren sollte – aus meiner Sicht nicht ganz verbergen können, dass die Geschichte recht schnell auserzählt scheint und sich in Wiederholungen erschöpft. Der Adria-Filmverleih, der sich später mit VIER FÄUSTE FÜR EIN HALLELUJA (1971) eine goldene Nase verdienen sollte, wusste mit AMIGOS anscheinend auch nicht recht etwas anzufangen und schnitt knapp zehn Minuten für den deutschen Markt heraus. Somit trat in dieser Auswertung der komödiantische Aspekt stärker in den Vordergrund, ließ den Film somit noch mehr wie eine etwas undifferenzierte Nummernrevue wirken.
Mit Giuliano Gemma hat AMIGOS nicht nur einen patenten Westernstar zur Hand, der die diametralen Punkte zwischen Ernst und Witz sauber zueinander bringt, sondern die Co-Star-Ausstattung mit dem deutschen Italienexport Mario Adorf erweist sich nachgerade kongenial. Beide sind versierte Schauspieler genug, sich gegen die vorgestanzten Klischees durchsetzen zu können und liefern Darstellungen, die den Filmfreund schmunzeln machen. Magda Konopka als schmuckes Beiwerk und Anthony Dawson, der eine seiner üblichen Schurkenrollen mit Routine absolviert, flankieren ebenso wie Federico Boido, der – wie Gemma Ex-Stuntman – mit seinem Pseudonym ‚Rick Boyd‘ dem italienischen Wunsch nach Weltrang entspricht.
Was auch ohne Pseudonym mühelos auf Weltniveau spielt, ist wieder einmal die Filmmusik Ennio Morricones, der mit seinem elegischen Hauptthema gleich die ausladende Titelsequenz untermalt. Dass von Alessandro Alessandroni pfeifend vorgetragene Stück, welches den wehmütigen Klang des vergehenden Westens beherbergt, gehört wohl mit zu den schönsten Piecen, die der Maestro in seiner Karriere komponiert hat. Auch die restlichen Passagen – ob nun burleske Saloonmusiken oder mit E-Gitarre versetzte Spannungscues – geben dem Film dramatische Würze, werden durch die Choristen der I Cantori Moderni veredelt und bestätigen erneut, weshalb Morricone zu den meistbeschäftigten Komponisten jener Tage zählte. Mittlerweile stellen die Anfang der 2000er Jahre erschienenen CD-Auflagen bei Hexacord und Avanz Records rare Sammlerstücke dar, nach denen umzusehen es sich lohnt.
Als Fan des Genres hatte man einst die mit Wühltischcharme versehene DVD vom mittlerweile liquidierten e-m-s-Label, später zierte die ebenfalls bei Koch Media erschienene „Italowestern-Enzyklopädie No. 1“ das heimische Regal – stets ging es einem um AMIGOS, mitunter versehen mit dem etwas holprigen Zusatztitel „Die (B)Engel lassen grüßen“. Nunmehr kann der Film im originalen Techniscope-Format auf DVD oder vorzuziehender Blu-ray einer erneuten Sichtung unterzogen werden, die in Bezug auf Bild- und Tonqualität kaum Wünsche offenlässt und wie schon TÖTE ALLE UND KEHR ALLEIN ZURÜCK (1968) erstklassig aussieht und klingt. Neben dem italienischen Originalton ist die deutsche Synchronfassung enthalten, die einst im Münchener Aventin-Filmstudio entstand und mit Erik Schumann, Sylvia Frank, Erich Ebert oder Mogens von Gadow passend besetzt ist. Als Glücksfall erweist sich, dass sich Mario Adorf in dieser, unter der Ägide Horst Sommers entstandenen Bearbeitung selber sprechen und damit einen ganz wesentlichen Teil seiner Ausstrahlung einbringen kann.
Das Bonusmaterial ist vergleichsweise übersichtlich, offeriert jedoch muntere Dreingaben. In der Featurette “Ein Mann der Tat” berichtet Hauptdarsteller Giuliano Gemma von den Anfängen seiner Karriere, über die Wichtigkeit des Regisseurs Duccio Tessari für seine Karriere und was für ihn einen guten Italo-Western ausmacht. Aus heutiger Sicht umweht einen gar der Hauch wehmütigen Erinnerns, da sowohl Gemma als auch der leider viel zu früh verstorbene Interviewer Antonio Bruschini mittlerweile aus ganz anderen Sphären auf uns blicken. Filmhistoriker Antonio Tentori widmet sich in der Featurette “Und als Dach ein besternter Himmel” den Hintergründen AMIGOS‘ und hat mit dem Audioausschnitt eines mit dem Regisseur Giulio Petroni geführten Interviews auch noch ein kleines Fundstück für Filmfans im Gepäck. Neben den Kinotrailern aus Deutschland, Italien und England sind außerdem die deutschen und englischen Vorspänne sowie eine umfangreiche Bildergalerie mit Poster- und Artworkmaterial enthalten.
AMIGOS hat den Italowestern nicht neu erfunden, er bewegt sich innerhalb der ‚Leitplanken‘– und dennoch geht Petroni in diesem Rahmen an die Ränder, schaut über den Tellerrand der Möglichkeiten und versucht, abseits der ausgetretenen Pfade neue Spielarten einzuführen. Zusammen mit einer in den Hauptrollen sympathischen Besetzung, einer aufwendigen Ausstattung und der traumwandlerischen Musik von Papa Ennio, ist AMIGOS in dieser Veröffentlichung eine kleine Wiederentdeckung, die man allen Freunden von Meerjungfrauen und Männerfreundschaften empfehlen kann.
___________________________________________________________________
…E per tetto un cielo di stelle | Italien 1968 | Regie: Giulio Petroni | Darsteller: Giuliano Gemma, Mario Adorf, Magda Konopka, Rick Boyd/Federico Boido, Anthony Dawson, Julie Menard u.a.
Anbieter: Koch Media