„Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen.“ William Faulkner
Eden (Janelle Monáe – MOONLIGHT), eine junge schwarze Frau, lebt als Sklavin auf einer Südstaaten-Plantage, die von konföderierten Soldaten und einer sadistischen Gutsherrin (Jena Malone – SUCKER PUNCH) betrieben wird. Die Sklaven dürfen ohne Erlaubnis nicht sprechen. Fluchtversuche werden mit dem Tod bestraft und die Leichen werden in einem Krematorium auf dem Plantagengelände verbrannt. Eden weigert sich, auf diesen ihr von den Südstaatlern gegebenen Namen zu hören und gehorcht erst, nachdem der General sie vergewaltigt und mit einem Brandeisen malträtiert.
Wie die beiden Geschichten zusammenhängen, ist das Thema des Thrillers des Regieduos Gerard Bush und Christopher Renz, das sich bisher mit stylischen Kurzfilmen und Videos einen Namen gemacht hat. Für ihren ersten Spielfilm haben sich die beiden ein besonders in den USA gerade brandaktuelles Thema gewählt – den allgegenwärtigen Rassismus, der sich durch die Geschichte der USA zieht. Wie schon in Jordan Peele´s GET OUT und US, deren Produzenten auch hinter diesem Thriller stehen, dient die Geschichte als Metapher für den systemischen Rassismus der amerikanischen Gesellschaft. Die Gegenüberstellung der Vorgänge auf der Plantage und dem aktuellen Leben von Veronica dienen als Sinnbild für den Zustand der heutigen Gesellschaft, auch wenn der Rassismus heutzutage erheblich subtiler daherkommt.
ANTEBELLUM fehlt zwar die Subtilität und Cleverness von Peeles Filmen, dennoch haben Renz und Bush eine spannende Story in wuchtigen Bildern geschaffen, die der Gesellschaft ein unangenehmes Spiegelbild vorhält. Großen Anteil am Gelingen hat hier die Darstellung von Janelle Monáe, die damit erneut unterstreicht, dass sie nicht nur eine Sängerin mit gelegentlichen Ausflügen ins Schauspielfach ist, sondern eine Vollblutmimin. Sie bringt nicht nur das erforderliche Wechselbad der Gefühle überzeugend auf die Leinwand, sondern entpuppt sich im letzten Viertel des Films auch noch als patente Actionheldin.
Da sie der absolute Mittelpunkt des Films ist, fallen alle anderen Charaktere etwas eindimensional aus. Jack Huston (THE IRISHMAN) als Plantagenaufseher ist ein Sadist, der General (Eric Lange – WIND RIVER) nicht viel besser, Veronicas Mann (Marque Richardson – DEAR WHITE PEOPLE) ist perfekt und Jena Malone, die bei ihrer Rollenauswahl oft zwiespältige Charaktere zu bevorzugen scheint, ist ein rassistisches Miststück. Lediglich die wunderbare Gabourey Sidibe hat einen herrlichen Auftritt als Dawn, Veronicas feierfreudiger Freundin mit einem ausgesprochen losen Mundwerk.
Das Duo Bush und Renz hat mit ANTEBELLUM einen polarisierenden Thriller abgeliefert, eine bittere Abrechnung mit dem Alltagsrassismus, die manchmal den Holzhammer herausholt, um einen offensichtlichen Punkt zu machen. Aber vielleicht muss man eben manchmal auf Fingerspitzengefühl pfeifen, um dem Publikum unangenehme Wahrheiten näherzubringen, die niemand wirklich sehen will oder für längst überwundene Relikte aus der Vergangenheit hält. Ungefähr so, wie manch seniler Rechter hierzulande nicht sehen will, dass Hitler und die Nazis eben nicht nur „ein Vogelschiss in über tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte sind“.
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Antebellum | USA 2020 | Regie: Gerard Bush, Christopher Renz | Darsteller: Janelle Monáe, Eric Lange, Jena Malone, Jack Huston, Tongayi Chirisa, Kiersey Clemons, Gabourey Sidibe u.a.
Anbieter: Leonine