Leidenschaft ist, was Leiden schafft; oder wie es einst Baudelaire ausdrückte „Unter den Verrücktheiten der Lüste wohnt der Henker ohne Gnade“. Die Verknüpfung von Pein und Begierde ist wohl fast so alt wie die Menschheit selbst – und die Faszination für dieses eigentümliche Gebilde scheint bis heute nicht abgeebbt. Denn von Liebe kann bei DIE FRÜCHTE DER LEIDENSCHAFT nicht die Rede sein, es geht direkt ans Eingemachte unterhalb der Obilinie – gegen Thanatos wird Eros hier nur zweiter Sieger.
Susan Sontag bezeichnete den skandalumwitterten Roman „Geschichte der O“ einst als anspruchsvolle Pornographie, für die Leserschaft unterschiedlichster Couleur wurde das Büchlein – samt seinem weit weniger bekannten Nachfolger „Rückkehr nach Roissy“, auf denen beiden DIE FRÜCHTE DER LEIDENSCHAFT in freier Weise basiert – zum Standardwerk der modernen, sich befreienden Gesellschaft. Immer etwas anrüchig, doch stets auf eine seltsam spröde Weise charmant genug, um nicht als lüstern-delektabler Schmuddel abgefertigt zu werden. Einen anderen Impetus scheint Shūji Terayama mit seinem Film zu verfolgen, der mit avantgardistischen Werken weit über die Grenzen seines japanischen Heimatlandes Erfolge feiern konnte.
Doch neben diesem unzweifelhaft betörenden, mit all seiner weichzeichnerischen Bondage-Faszination gesättigten Grundtenor ist DIE FRÜCHTE DER LEIDENSCHAFT auch die Verknüpfung einer männerdominierten Ausbeutergeschichte mit der zum Teil auch schlicht sexuell konnotierten Auflehnung der unterdrückten Ethnie gegen die Kolonialherren. Klaus Kinski – „Uns‘ Klaus“, der Erdbeermundwilde mit dem Sinn fürs Groteske – spielt den klassischen Kolonialisten, der „Das Beste beider Welten“ für sich anstrebt, dessen Gras auf beiden Seiten des Zauns immer grün ist. Sein Sir Stephen ist ein Spieler, Besitzer eines Casinos, der an der „guten, alten Kolonialzeit“ hängt und mit seinem Vater-Komplex der blassen O allzu viel abverlangt. Für Kinski ist es die perfekte Möglichkeit der maximalen, auch optischen Entblößung – er ’spielt‘ mit vollem Körpereinsatz; immer dann, wenn er nicht gerade seinen wohl vom letzten Fitzcarraldo-Außendreh mitgebrachten, weißen Südhalbkugelanzug zur Schau trägt. Werner Uschkurat – niemand synchronisierte Kinski in deutscher Sprache öfter – platziert derweil verträumte, innere Monologe auf die deutsche Tonspur, während im Original der Weltbürger aus Zoppot selbstverständlich selbst charmiert.
Erschienen ist DIE FRÜCHTE DER LEIDENSCHAFT in Form kleiner Hartboxen mit zwei verschiedenen Covermotiven, wobei sich das Bild im anamorphen 1,66:1-Format sehr plastisch und farbenfroh ausnimmt. Akustisch ist neben der deutschen Synchronisation die englische Exportsprachversion enthalten, sowie der französische Originalton, bei dem Klaus Kinski mit eigener Stimme zu hören ist. Eine selbstlaufende, mit Filmmusik unterlegte Bildergalerie, die internationale Plakatmotive und Aushangfotos enthält sowie eine Trailershow zu anderen Titeln des Labelprogramms sind zwar die einzigen Extras, dies ändert jedoch nichts an der Wichtigkeit der Veröffentlichung dieses sonderbaren, entschlüsselungsbedürftigen Filmwerks.
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Les Fruits de la passion/Shanghai Ijin Shōkan/China Doll | Frankreich/Japan 1981 | Regie: Shūji Terayama | Darsteller: Isabelle Illiers, Klaus Kinski, Arielle Dombasle, Peter, Keiko Niitaka, Sayoko Yamaguchi
Anbieter: CMV Laservision