Ein Hai kommt selten allein.

Ironie der Filmgeschichte: Im meisterhaften Tierhorrorfilm DER WEISSE HAI von Steven Spielberg lauert das titelgebende Ungetüm vor den Küsten der kleinen Inselstadt Amity und frisst badende Insulaner. Obwohl der ortsansässige Polizeichef Martin Brody vor dem Hai warnt, stößt er beim Bürgermeister Larry Vaughn auf taube Ohren. Das Wochenende um den Unabhängigkeitstag am 4. Juli steht an. Tausende Urlauber werden auf der Insel erwartet. Der Bürgermeister fürchtet bei einer Panik um einen Ausfall der Badesaison und erhebliche finanzielle Einbußen. Ökonomische Bedenken, die sich, hier liegt die Ironie, in der Realität bewahrheiteten: Spielbergs brillanter Blockbuster beeindruckte seine Zuschauer so nachhaltig, dass sich 1975 überall in den USA ein drastischer Rückgang der Strandurlauber verzeichnen ließ. Viele Touristen gaben an, sich beim Gang ins Meer unwohl zu fühlen.

Der Erfolg von DER WEISSE HAI war so immens, dass Universal Studios gar nicht anders konnte als eine Fortsetzung zu planen – obwohl der Hai im Grande Finale des ersten Films überdramatisch explodierte. Der französische Filmemacher Jeannot Szwarc übernahm die unrühmliche Aufgabe, einen neuen weißen Hai auf Amity und das Kinopublikum loszulassen – in der Hoffnung, dieselbe ängstigende Wirkung wie einst Spielberg auszulösen. So spielte schon das Plakat zum Film mit der Antizipation eines neuen Schockeffekts, dort stand der später legendär gewordene Werbespruch: „Gerade als Sie dachten, es sei sicher, wieder ins Wasser zu gehen …“

Einen großen Teil seiner filmischen Qualität und seiner suggestiven Kraft verdankte DER WEISSE HAI dem begnadeten Steven Spielberg. Der aber sagte schon im Oktober 1975 auf dem „San Francisco Film Festival“: „Fortsetzungen sind nichts weiter als billige Schaustellertricks.“ An einem zweiten Teil hatte er folglich nur wenig Interesse. Gefallen fand er bloß an der Idee, die Vorgeschichte des Seebären Quint auf der „USS Indianapolis“ im Zweiten Weltkrieg zu adaptieren, von der dieser in einem berüchtigten Monolog im Originalfilm erzählte. Doch als Spielberg sich vertraglich an sein Sci-Fi-Projekt UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART band, wollten die Produzenten nicht länger auf ihn warten. Nachdem der vom Studio gewünschte Regisseur John D. Hancock kurz nach Beginn der Dreharbeiten wegen kreativer Differenzen entlassen und das Skript heftig umgeschrieben wurde, kam schließlich Szwarc zum Zug.

Sein DER WEISSE HAI 2 ist weniger eine Fortschreibung der originalen Geschichte als mehr ihre Wiederholung: Erneut greift ein weißer Hai die Badegäste an den Stränden von Amity an, erneut ist Chief Brody der einzige, der die Gefahr erkennt. Und erneut will Bürgermeister Vaughn mit Blick auf die Wirtschaft davon nichts hören. Doch das Sequel bietet reizvolle Variationen, macht sich die Vorgeschichte der Brody-Figur zu Nutze: Rasch wird deutlich, wie sehr die Ereignisse auf dem untergangenen Fischerboot „Orca“, das zu Beginn der Fortsetzung einen Gastauftritt hat, ihn geprägt und traumatisiert haben. Allein der Gedanke, ein neuer Hai könnte sein Unwesen treiben, verstört ihn. Eine Meeresbiologin fragt er, ob Haie miteinander kommunizieren – so als glaube er, der neue Hai sei von seinem Vorgänger gerufen worden, um Rache für den Tod des Artgenossen zu nehmen.

Roy Scheider kehrte als Brody gegen seinen Willen zurück. Als er kurz vor Drehbeginn bei einem anderen Universal-Film, dem Vietnamkriegsdrama DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN absprang, hatte er vertraglich keine andere Wahl als die Fortsetzung zu absolvieren. Vielleicht tröstete es ihn, dass auch DER WEISSE HAI 2 den Vietnamkrieg reflektiert: Brody ist nicht mehr und nicht weniger als ein paranoider Veteran, der von seinen Kriegserinnerungen eingeholt wird und der weiter gegen den unsichtbaren Feind kämpft. Neurotisch präpariert er seine Revolverkugeln mit Zyanid. Als er am Strand einen Schwarm Blaufische für den Schatten eines Hais hält, ballert er wüst in den Ozean. Scheider liefert großartiges Schauspiel ab, soll mit Regisseur Szwarc aber erhebliche Probleme gehabt haben. Ihm missfiel dessen Arbeit so sehr, dass er in seinem Hotelzimmer randalierte, in der Hoffnung, aus der Produktion geschmissen zu werden.

Im Originalfilm war die Jagd nach dem Hai für Brody eine Initiation. Als wasserscheuer Städter entschied er sich zum Duell auf hoher See, bewies sich damit als fähiger Inselbewohner. Drei Jahre später ist sein Antrieb ein anderer: Seine beiden Söhne segeln mittlerweile selbst aufs Meer hinaus. Gemeinsam mit einer Schar anderer Jugendlicher werden sie vom Hai attackiert. Hier nimmt DER WEISSE HAI 2 die Grundzüge des Splatter-Kinos vorweg, das in den 1980ern durch Filmreihen wie FREITAG, DER 13. oder NIGHTMARE ON ELM STREET dominiert wurde. Stereotypen wie die Jungfrau in Nöten, der Sonderling oder der Sportler finden sich vor, und Jungdarstellerin Donna Wilkes versucht sich als Schrei-Königin.

Echte charakterliche Tiefe weiß das Drehbuch von Carl Gottlieb und Howard Sackler den Heranwachsenden nicht zu verleihen, sie dienen nur dazu, entweder gefressen oder errettet zu werden. Blass bleiben daher auch die jungen Schauspieler, die allenfalls durch ihren körperlichen Einsatz überzeugen, da sie nahezu sämtliche Segelszenen selbst ausführen, unter abenteuerlichen Bedingungen. Auf hoher See war es dermaßen kalt, dass alle Akteure vor jeder neuen Aufnahme Eiswürfel lutschen mussten, um den kondensierenden Atem zu vermeiden.

Bei den Dreharbeiten kamen noch weitere Probleme auf: Murray Hamilton, abermalig als Bürgermeister Vaughn zu sehen, verließ den Dreh frühzeitig, als seine Frau an Krebs erkrankte. Die Jungdarsteller wiederum wurden einmal bei den Aufnahmen für die Segelszenen von einem echten Hammerhai umkreist, hyperventilierten vor Angst. Die Produktionsmitglieder bemerkten das Tier nicht, sie hielten die Schreie für gutes Schauspiel, drehten in Seelenruhe weiter. Einige der Aufnahmen landeten sogar im Film. Cable Junction, die felsige Insel, auf der sich eine elektrische Relaisstation befindet, und die extra für das Finale aus Plastik und Glasfasermaterial gebaut wurde, löste sich eines Tages aus ihrer Verankerung und schwamm davon – das Produktionsteam konnte Szwarc nur noch darüber informieren, dass seine Kulisse „auf dem Weg nach Kuba“ sei. Zum Glück fing man sie rechtzeitig wieder ein.

Mit den Hai-Effekten lief es dafür problemlos: Sorgte „Bruce“, die mechatronische Hai-Attrappe des Spielberg-Films, durch sein unechtes Äußeres für einige Hürden, ist die neue Apparatur, vom Team „Bruce II“ getauft, ihrem Vorgängermodell technisch deutlich überlegen. All seine Auftritte bestechen durch überwältigende Schauwerte. Die Jagd auf eine Wasserskifahrerin und ihr Boot, welches in Folge einer Kettenreaktion in einem großen Feuerball explodiert, ist ein Höhepunkt des Blockbusters, ebenso sein blitzartiger Angriff auf einen unbedarften Taucher. Mehrfach kündigt „Bruce II“ sich durch seine Haifischflosse an, die aus dem Meer hinausragt – ein ikonographisches Bild, das ins kollektive Gedächtnis einging.

Mit der Glaubwürdigkeit hapert es in den knapp zwei Stunden dafür gelegentlich: Als der Hai einmal in seiner Zerstörungswut einen Hubschrauber angreift und unter Wasser zieht, ist das zwar tricktechnisch beachtlich, aber deutlich zu brachial. Hanebüchen gerät vor allem die Unbeholfenheit der halbwüchsigen Segler, die erst ihre Katamarane versehentlich ineinander rammen und zusätzlich bei jeder erdenklichen Gelegenheit über Bord fallen, um von ihren Leidensgenossen wieder in Sicherheit gezogen oder vom Raubtier gefressen zu werden. Sie hätten wohl ein größeres Boot gebraucht.

Dennoch gelingen Szwarc effektive Szenen des Unwohlseins: Wenn etwa beim Parasailing ein Pilot im Wasser verharrt, während der Hai sich ihm von unten nähert, ist das minutiös ausgetüftelt. Auch das große Finale, in dem Brody in einem Schlauchboot allein gegen das Biest antritt, ist mit beträchtlichem Aufwand durchaus eindrucksvoll inszeniert. Als Meister der Anspannung meldete sich zusätzlich Komponist John Williams zurück. Seine Filmmusik ist sensationell und von enormer Bandbreite, vielleicht noch großartiger als beim Vorwerk: Das berüchtigte Leitmotiv aus nur zwei Tönen arrangiert er als orchestralen Walkürenritt, zum Kontrast laufen mitreißende, mysteriöse oder gar beschwingt-sommerliche Melodien.

Dank aufmerksamkeitsheischenden Werbekampagnen mit Coca-Cola oder dem Süßwarenhersteller Topps avancierte DER WEISSE HAI 2 im Jahr 1978 zur bis dato erfolgreichsten Fortsetzung der Geschichte – trotz Produktionskosten von 30 Millionen US-Dollar. Über die Jahre erlangte er jedoch einen zweifelhaften Ruf: Die zwei weiteren Fortsetzungen in den 1980ern gingen dermaßen bei Kritik und Publikum baden, dass auch das erste Sequel schnell mit ihnen in einen Topf geworfen wurde, nur noch als Fußnote im Zusammenhang mit dem ersten Teil Erwähnung findet. Fair ist diese Sichtweise nicht: Szwarc bietet kompetentes Unterhaltungskino, das sich problemlos selbst über Wasser halten kann. Den großen Horror, die Angst und den Schrecken des ersten Films, erzielte er aber kein zweites Mal. Die Tourismus-Branche wird es gefreut haben: Die Badegäste ließen sich in diesem Jahr ihren Urlaub nicht verderben.

___________________________________________________________________

Jaws 2, USA 1978 | Regie: Jeannot Szwarc | Drehbuch: Carl Gottlieb, Howard O. Sackler | Kamera: Michael Butler | Musik: John Williams | Darsteller: Roy Scheider, Lorraine Gary, Murray Hamilton, Jeffrey Kramer, Keith Gordon, Mark Gruner | Laufzeit: 116 Min.