Mario Bava bezeichnete FIVE DOLLS FOR AN AUGUST MOON als den schlechtesten Film, den er je gemacht hat. Wenn das stimmt, ist es nur Beweis dafür, was für ein großartiger Regisseur er war. Denn trotz einem Script, für dessen Überarbeitung er kaum Zeit bekam (ein anderer Regisseur hätte es verfilmen sollen), schuf er einen Film, der zügig durch die Handlung führt, keine Langeweile aufkommen lässt und immer wieder ein paar Überraschungen bereithält.
Sein häufiges Thema, dass sich die Gier der Menschen nach Reichtum in Morden entlädt, läuft hier in der interessanten Variation, dass der Wissenschaftler Fritz Farrell (William Berger) seine Erfindung für viel Geld verkaufen soll, aber nicht unbedingt will. Doch mit klarer Kaufabsicht werden er und seine Frau vom reichen Unternehmer George Stark (Teodoro Corra) und Freunden in dessen modernes Luxushaus auf einer abgelegenen Insel eingeladen. Eine klassische, analytische „Ten Little Niggers“-Erzählstruktur folgt.
Bavas Beitrag zu diesem Agatha-Christie-mäßigen Bodycount ist es, die verführerischen Seiten der Dekadenz aufzuzeigen und langsam die Degeneration dieser reichen Elite offenzulegen. Der Film beginnt (gleich nach der typischen Bava-Introszene bei Dunkelheit am Wasser) mit einer Party, die sich gewaschen hat. Mary Chaney (Edwige Fenech) liegt mit üppiger Haarpracht rückwärts überm Sofa, rundherum schauen die Schönen und Reichen mit Ennui und erotischer Anspannung dem Geschehen zu. Bava knallt 4 schnelle Zooms auf die Fenech, als wäre er Jess Franco. Und dann beginnt die kleine, private Erotikshow.
Auch sonst: Zooms, Kamerafahrten mit Drogenverzerrung oder an einigen dieser vielen unglaublichen Skulpturen entlang, die in dieser coolen Sixties-Villa Platz haben. Die weiblichen Anwesenden in unglaublich eleganten, sexy Kleidern. Wie später Helena Ronee in diesem durchsichtigen blauen Morgenmantel, oder Edwige Fenech in der roten Unterwäsche (also Transparenz und Offenheit, wo undurchsichtige Eigeninteressen regieren). Die Vielfalt der Kleider korrespondiert mit der Vielfalt der Skulpturen und unglaublichen Sixties-Möbeln. Der ästhetische Reichtum der Villa und ihrer Bewohner kontrastiert extrem mit der Leere und Unbewohntheit der Insel. Und der Menschen, die nur von Gier getrieben scheinen.
Doch zurück zum Anfang, zur Fenech (in einer ihrer frühesten Rollen), die sich nach ein paar fallengelassenen Kleidungsstücken nun halbnackt an eine Holzskulptur fesseln lässt, während alle Anwesenden ein Messer erhalten. George Stark spielt mit seinem Messer auf dem Körper der Gefesselten. Alle anderen stehen mit Messern um sie herum. Plötzlich geht das Licht aus, ein Schrei, Licht an – und sie ist tot. Wer hat sie umgebracht?
Doch Reichtum wäre nicht dekadent, würde er nicht zu Verhaltensweisen führen, die grenzwertig sind. Das Ganze war ein Fake, Mary Chaney leibt und lacht. Wir ahnen: Das kann nicht der Weg sein, wie man so einen Wissenschaftler im langen Wollpulli und mit zerzausten, langen Haaren zum Verkauf seiner Erfindung überredet.
Bei seiner Erfindung handelt es sich übrigens um einen klassischen McGuffin im Hitchcockschen Sinn: ein Industrieharz. Interessant daran ist, dass die Erfindung eigentlich wie dafür gemacht scheint, an die Industrie verkauft zu werden – der Wissenschaftler das aber partout nicht will: Die Wissenschaft entzieht sich ihrer Bestimmung. Kein Wunder ist George Stark ungehalten, als Farrell sich ziert.
Die erste Leiche ist der gutaussehende Hausangestellte und wir merken schon: Erotik und Eifersucht werden den Mordreigen mitbestimmen. Wohin mit der Leiche – und später den anderen Leichen, damit sie nicht verwesen? In den Kühlraum, zu den geschlachteten und toten Tieren, stets begleitet von einem lakonischen, kirmesartigen und schönen Walzerthema von Piero Umiliani. Dass immer mehr Tote im Vorratsschrank landen, bezeugt den „Emotional Load“, der sich mit zunehmender Leichenzahl ansammelt.
Natürlich bricht irgendwann die Verbindung zum Festland ab, was nicht zur besseren Laune der Anwesenden beiträgt. Auch, dass unser Wissenschaftler zwar Georges Check über eine Million Dollar zwischen die Schalen von Marys leuchtendrotem BH legt, dann aber ihren Avancen im selben BH widersteht, zeigt bereits Farrells gespaltenes Verhältnis zu Leidenschaft und Aggression. Rot spielt auch eine Rolle in den Bildern von Georges Frau Jill Stark (Edith Meloni), deren Malerei ebenso von der Farbe des Blutes geprägt ist wie sie später in der Badewanne selber tot in einem roten Blutbad liegt. Rot bedeutet Scheitern in FIVE DOLLS FOR AN AUGUST MOON – am Ende gewinnen andere. Und zum Abspann entlädt sich für die damalige Zeit ganz schön gewalttätig der frühe Rocktrack der Progrockband „Balletto di Bronzo“.
Trotzdem umweht FIVE DOLLS FOR AN AUGUST MOON immer wieder ein Hauch schöner Sinnlichkeit, zumindest in der Figur von Peg Davidson (Helena Ronee) – etwa, als sie eine Zigarette anzündet und mit der Zigarette in den Fingern langsam ihren nackten Körper entlanggleitet, um sie dann zwischen ihre Zehen zu klemmen.
5 bambole per la luna d’agosto
Italien 1970
Regie: Mario Bava
Drehbuch: Mario di Nardo, Mario Bava
Kamera: Antonio Rinaldi
Musik: Piero Umiliani, Balletto di Bronzo
Darsteller: William Berger, Teodoro Corra, Ira von Fürstenberg, Edwige Fenech, Howard Ross, Helena Ronee, Edith Meloni u.a.
Laufzeit: 78 Minuten