Duell auf Leben und Tod.

Frankreich 1386: Marguerite de Carrouges (Jodie Comer – KILLING EVE), die Ehefrau des bei Hofe nicht sonderlich beliebten Ritters Jean de Carrouges (Matt Damon – BOURNE IDENTITY), bezichtigt den ehemals guten Freund ihres Mannes, Jacques Le Gris (Adam Driver – HOUSE OF GUCCI), der Vergewaltigung. Ihr Mann bringt diese Klage vor seinen Fürsten Pierre d’Alençon (Ben Affleck – ARGO). Da dies nicht Carrouges erste Klage gegen Le Gris ist und d`Àlencon diesen zu einem engen Verbündeten gemacht hat, weist er den Anspruch ab. Da Carrouges dies Schmach nicht auf sich beruhen lassen will, fordert er vor dem jungen König Charles IV (Alex Lawther – THE IMITATION GAME) ein Duell auf Leben und Tod, also ein Gottesurteil.

Auch mit 83 Jahren und trotz Covid-Lockdown hat Ridley Scott 2021 neben HOUSE OF GUCCI auch noch dieses mittelalterliche Epos für 100 Mio. Dollar aus der Taufe gehoben. Respekt. Basierend auf dem Buch „The last Duel – A True Story of Crime, Scandal, and Trial by Combat“ des Historikers Eric Jaeger über das letzte in Frankreich zugelassene Duell, erzählt Scott hier ein üppig bebildertes und stargespicktes mittelalterliches Vergewaltigungsdrama. Die Struktur ist in drei Kapitel aufgeteilt. Wie in Kurosawas RASHOMON erzählt jedes Kapitel die Story aus der Sicht eines der Beteiligten. Die Autoren Damon und Affleck, die hier erstmals seit ihrem Oscar-Gewinn für GOOD WILL HUNTING wieder ein gemeinsames Drehbuch geschrieben haben, holten sich für die weibliche Sicht Nicole Holofcener an Bord, deren adaptiertes Drehbuch für CAN YOU EVER FORGIVE ME für den Oscar 2019 nominiert war.

Das erste Kapitel widmet sich der Sicht Jeans, der Le Gris das Leben rettet, nur um anschließend mehrmals verraten zu werden, als sein vermeintlicher Freund seine Stellung bei seinem Fürsten d’Alençon nutzt, um Jean erst einen Teil von Marguerites Mitgift zu stehlen und sich dann auch noch an seiner Frau zu vergehen. Das nächste Kapitel blickt auf die „Wahrheit nach Jacques Le Gris“, der aus seiner Sicht nichts falsch gemacht hat und der Marguerites Protest gegen den erzwungenen Beischlaf widerspricht und ihr praktisch unterstellt, keinerlei Gegenwehr geleistet zu haben. Das dritte Kapitel widmet sich dann der Schilderung Marguerites, die an beiden Männern kein gutes Haar lässt und deren Vorwürfe sich auch auf die damalige Stellung der Frau und deren Machtlosigkeit gegenüber einer männlich dominierten Gesellschaft beziehen. Dies tut sie in dem Wissen, dass ihr der Tod auf dem Scheiterhaufen droht, sollte ihr Mann das Duell verlieren und Gott sie damit praktisch für schuldig erklären.

Alle drei Kapitel münden schließlich in dem titelgebenden letzten Duell, bei dem Ridley Scott jeden Lanzentreffer und jeden Schwerthieb, in dem ihm eigenen blutigen Perfektionismus gefilmt hat. Damon spielt den Ritter, ausgestattet mit einem Haarschnitt, der jeder Beschreibung spottet, als loyalen und strengen Kämpfer, der allerdings jedes diplomatische Geschick vermissen lässt und der so streng und mürrisch wirkt, dass dessen Gesellschaft nicht gerade erheiternd ist. Eine ungewöhnliche Performance abseits seiner sonst eher sympathischen Charaktere. Mit Rockstar-Mähne und selbstsicherem Auftreten kommt Adam Driver weitaus charismatischer daher, weiß dabei Sympathie und Arroganz gut in der Waage zu halten.

Ben Affleck erscheint als verächtlicher, platinblondierter Aristokrat, dessen Interessen mehr bei Wein, Weib und Gesang liegen, was angesichts Afflecks hinlänglich bekannter privater Eskapaden ziemlich amüsant wirkt. Affleck hatte offensichtlich großen Spaß an der Rolle und sorgt mit schnippisch-arroganten Kommentaren auch für den Großteil des im Film enthaltenen Humors.
Jodie Comer zeigt mit ihrem nuancierten Spiel in den drei Kapiteln von allen die natürlichste und eindrücklichste Darstellung und schafft damit problemlos den Sprung von der Mattscheibe zur Leinwand. Hervorzuheben ist auch die fabelhafte Harriet Walter, die mit Comer bereits in KILLING EVE zu sehen war. Sie brilliert als kühle und abweisende Schwiegermutter, die in einem der prägnantesten Monologe ihr Statement zum Stand einer Frau in diesen Zeiten abgibt, bei dem sie gegenüber Marguerite kurz die eiserne Fassade fallen lässt.

Optisch und technisch befindet sich der Film auf höchstem Niveau. Etwas anderes wäre bei Ridley Scott und seinem Stamm-DP Dariusz Wolski allerdings auch sehr überraschend. Und nach wie vor inszeniert niemand mittelalterliche Kämpfe in solch schmerzhafter Brutalität und Direktheit, wie Scott es tut, angefangen bei GLADIATOR über KINDDOM OF HEAVEN bis zu THE LAST DUEL. Der Einfluss seiner Inszenierungen auf Film und TV, wie z.B. die Schlachten bei GAME OF THRONES, dürfte unbestreitbar sein.

Bei allem Kettenrasseln und Schwertschwingen ist diese Geschichte aus dem vierzehnten Jahrhundert jedoch ungemein aktuell und könnte als Scotts blutspritzender Beitrag zur Me-Too-Debatte gelten. Hört man sich die Argumentation der Verteidiger von Le Gris an, kommt man nicht umhin, derart dumme Argumente auch heute noch aus bestimmten Ecken zu hören. Und schaut man in die USA und die von den Republikanern vorgenommenen Rückschritte bei den Frauen- und Minderheitenrechten, so scheint der Fortschritt seit dem vierzehnten Jahrhundert weniger groß, als man vielleicht denkt.
Sehr schade, dass dieses überaus unterhaltsame Epos an der Kinokasse gnadenlos untergegangen ist. Das wird die Finanzierung solch opulenter Spektakel zukünftig leider schwerer machen.

The Last Duel
GB/USA 2021
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Matt Damon, Adam Driver, Jodie Comer, Ben Affleck, Harriet Walter, Marton Csokas, Alex Lawther, Michael McElhatton, Sam Hazeldine u.a.

Anbieter: Walt Disney Studios Home Entertainment