„24“ in unamerikanisch.

Fast zwei Jahrzehnte nach der ersten Staffel des Serienhits „24“, der Spannung neu definierte, beschäftigt sich die Miniserie TEHERAN mit der Frage, wozu es noch Spione braucht, und zeigt, wie das Leben von Spionen noch schwieriger geworden ist in unserer orwellisierten Zeit, in der die ganze Welt für gewisse Geheimdienste einsehbar scheint (allen voran natürlich für den NSA, doch der spielt hier keine Rolle). Heute lassen sich Menschen einfach orten, ihre Gesichter lassen sich erkennen (überall hängen Kameras) und die Menge an digitalen Spuren, die auch ein sich versteckender Einzelner hinterlässt, sind enorm. Während das Auffinden von Personen irgendwo in der Welt in der Serie „24“ noch über Satellitenbilder lief und an Spionage-Science-Fiction grenzte (Spy-Fi), kennen wir die große Rundumschau an digitalen Spionagemöglichkeiten dank Edward Snowden seit 2013. Wobei zu vermuten ist, dass heute längst Möglichkeiten existieren, die wir kaum erahnen können.

Gehen wir also vom offiziellen, aktuellen Wissen aus, bringt uns die Serie TEHERAN eine Menge Spannung und Vergnügen. In einer atemraubenden Eingangsszene am Flughafen in Teheran wechselt die vom Mossad rekrutierte Hackerin Tamar Rabynian (Niv Sultan) die Identität mit der iranischen Mitarbeiterin eines Elektrizitätsunternehmens, Zhila Gorbanifar. Kaum ist Tamar Zhila, deren Ehemann eingeweiht ist, begibt sich die Mossadagentin in die Zentrale des Unternehmens und hackt sich ins Computernetzwerk, um an die Stromversorgung der iranischen Radarabwehr zu gelangen. Der Plan: Den Radar ausschalten und israelischen Kampfjets die Möglichkeit geben, eine nukleare Aufbereitungsanlage zu bombardieren. Was die muslimische Zhila der israelischen allerdings nicht zu verraten wagte, entpuppt sich nun als erstes Problem. Der Chef des Elektrizitätswerks versucht das zu tun, was er immer schon tat. Er vergreift sich an Zhila und will sie vergewaltigen, doch die neue Zhila bringt ihn um. Leider schafft sie es nach dieser heiklen Situation nicht mehr, das Radarsystem lahm zu legen, doch sie entkommt, und eine spannende Odyssee durch Teheran und dessen Außenbezirke beginnt.

Tatsächlich scheinen sowohl der israelische Geheimdienst Mossad wie auch die iranischen Revolutionsgarden (oder ist‘s der Geheimdienst VEVEK?) alle Bewegungen von Spionen fast in Echtzeit nachverfolgen zu können. Es geht um Sekunden, um Beziehungen, um Verstecke, um andere Identitäten. Zumindest aus der westlichen Perspektive zeichnet der Film auch ein vielschichtiges Bild einer iranischen Bevölkerung, in der es klare Sympathisanten des Regimes (oder einfach gläubige Moslems) genauso gibt wie die KritikerInnen, in diesem Fall junge StudentInnen, die illegale politische Aktionen durchziehen, die sich aber auch für Technoparties aufs Land zurückziehen. (Liest man im Web Kommentare von Exil-Iranern zur Serie TEHERAN, dann reichen die Einschätzungen von Verärgerung über die – sagen wir mal – verständnisvolle Porträtierung einiger regimetreuer Iraner, aber auch die Verärgerung darüber, dass es eine nennenswerte Anzahl Menschen gibt, die quasi im Untergrund leben. Spätestens nach den Demonstrationen im letzten Winter wissen wir, dass weiterhin beide Seiten existieren.)

Was die Serie also im Gegensatz zu „24“ nicht macht, ist, unendlich böse Gestalten zu erschaffen, megalomane Terroristen (die einfach Chaos streuen wollen), die den Israelis jede mögliche Legitimation geben würden, den iranischen Luftraum auszuschalten. Die iranische Gesellschaft wird durchaus differenziert dargestellt, auch wenn das Regime gnadenlos agiert. Doch gerade der iranische Gegenspieler Faraz Kamili (Shaun Toub) hat neben seiner Gnadenlosigkeit sehr menschliche Züge. Er ist ein treuer Diener des Regimes, aus Überzeugung, und wird ab einem gewissen Punkt vom israelischen Geheimdienst erpresst, weil seine Frau gerade für eine Operation in Paris weilt. Genau in dieser Situation, in der er Schwäche und Verletzlichkeit zeigt, stellt sich die Frage danach, ob beide Seiten stets mit totaler Konsequenz alle Mittel anwenden sollen (sie müssen ja geradezu), oder ob es nicht Möglichkeiten zu mehr Menschlichkeit gäbe.

Aber natürlich sind wir in der Zuspitzung der Ereignisse gefangen, und das sehr dramatische Ende hält ein paar Überraschungen bereit, die sich jedoch immer im gängigen Schema moderner Agentenfilme bewegen. Trotzdem für Freunde von „24“ allemal geeignet.

Tehran
Israel 2020
Regie: Daniel Syrkin
Created by: Dana Eden, Maor Kohn, Moshe Zonder | Kamera: Glora Bejach
Musik: Mark Eliyahu
Darsteller: Niv Sultan, Shaun Toub, Tamir Ginsvurg, u.a.
Laufzeit: 8 x 60 min.

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