Hurra, die Welt geht unter.

Strukturen des klassischen Doomsday-Films

IV. „Rings um sie her wankte der Boden, die Fluten hoben sich, Lavaströme ergossen sich, Orkane rasten, Ozeane siedeten, Feuer flammten auf, und aller menschliche Mut war zum Scheitern verurteilt.“
(Ph. Wylie/E. Balmer: Wenn Welten zusammenstoßen)

Robert Berger („Ask what you can do for your country in Film Quarterly # 3/89) sieht in George Pals Filmversion von H.G. Wells‘ THE TIME MACHINE (DIE ZEITMASCHINE, 1960) in erster Linie einen dezidiert anti-kommunistischen Film. Seiner Argumentation zufolge verkörpern die Eloi die verwöhnte, überzeugungslose Jugend der Gegenwart, bedroht vom aggressiven Sowjetkommunismus und seiner Rüstungsindustrie (den Morlocks), und befreit von einer Führerfigur, die an John F. Kennedy erinnert (dem Zeitreisenden). Tatsächlich haben Pal und sein Drehbuchautor David Duncan die ihrerseits stark vom sozialistischen Gedanken bestimmte Vision Wells‘ nicht nur modernisiert, sondern auch umgedeutet. Bei Wells ist das Gesellschaftsbild, das sich im Jahr 802.701 präsentiert, eine bis ins Extrem gesteigerte Klassengesellschaft, logische Konsequenz der Trennung der kapitalistischen Staatsform in eine reiche Oberschicht schmarotzender Nichtstuer und eine arme Unterschicht geknechteter Arbeiter, die zu einer neuen Form von Symbiose findet, wenn die Morlocks die Eloi züchten und füttern wie Vieh, um sich ihrerseits von ihnen zu ernähren. In der Verfilmung hat ein Atomkrieg im Jahr 1966 die Welt vernichtet. Die Morlocks sind Resultate radioaktiver Mutationen, die auf ihre Weise die Herrschaft über die nicht mutierte, aber degenerierte apathische Restmenschheit erlangt haben. Aus dem Zivilisationszusammenbruch ist eine neue Gesellschaftsordnung hervorgegangen, die – analog zur Vorlage – im Bild einer Staatsutopie kulminiert, die totalitaristische Züge trägt.

Zwei weitere Filme aus derselben Epoche, die sichtlich ebenso von dem 1895 erschienenen Klassiker inspiriert wurden, verlagern die Gewichtung von der in THE TIME MACHINE dargestellten mörderischen Symbiose auf den Existenzkampf zwischen den verschiedenen Entwicklungszweigen der Menschheit nach dem Zusammenbruch: In Edward Lee Bernds‘ WORLD WITHOUT END (PLANET DES GRAUENS/DER VERFLUCHTE PLANET, 1956) stoßen irdische Raumfahrer des 20. Jahrhunderts, die durch einen „Zeitsprung“ in die Zukunft geschleudert wurden, auf der verwüsteten Erde auf eine vom humanistischen Gedanken geleitete Kolonie unverseuchter Überlebender, die sich in eine Stadt unter der Erde zurückgezogen haben, um sich nicht dem Kampf gegen die auf der Oberfläche lebenden Mutanten stellen zu müssen. Durch den immer eingeschränkteren Genpool unfruchtbar geworden, sind sie ohne Hilfe von außen jedoch über kurz oder lang zum Aussterben verurteilt. Erst die Astronauten aus der Vergangenheit können wieder frischen Wind in ihr Sperma bringen und überzeugen sie zudem, dass es gerade ihre Waffenächtung ist, die ihren Untergang beschleunigt. Nachdem sie mit Hilfe neugebauter Panzerfäuste mit den Mutanten aufgeräumt haben, steht der neuen Gesellschaft nichts mehr im Wege, die Oberfläche des Planeten erneut zu besiedeln. Edgar G. Ulmers BEYOND THE TIME BARRIER (1960) spielt im Jahr 2024, und hier hat interessanterweise kein Krieg, sondern die aufgrund der vielen Atomtests zerstörte Ozonschicht zur genetischen Veränderung der Menschheit geführt. Die Repräsentanten der alten Ordnung, die auch hier in einer unterirdischen Festung leben, haben eine faschistoide Staatsform etabliert, in der die mutierten Untermenschen in großen Verliesen gefangengehalten werden. Der Testpilot Bill Allison (Robert Clarke), den es in diese Zukunft verschlagen hat, als er mit seinem Überschalljäger auch die „Zeitmauer“ durchbrochen hat, erlebt den Untergang ihrer Herrschaft, als die freigelassenen Mutanten durch die unterirdische Stadt marodieren und töten, wer ihnen in die Hände fällt. In seine eigene Zeit zurückgekehrt, warnt Allison die Menschen vor der Zukunft, die ihnen möglicherweise bevorsteht. Er ist durch seine Reise um Jahrzehnte gealtert. Doch es bleibt offen, ob seine Warnung erhört wird.

In der prä-atomaren Science Fiction stellt der alles vernichtende Krieg immer auch gleichzeitig eine Katharsis dar, aus der etwas Neues, Besseres erstehen kann. Der Gang durch die Dunkelheit des Zusammenbruchs führt am Ende des Tunnels wieder ins Licht. William Cameron Menzies‘ THINGS TO COME (WAS KOMMEN WIRD, 1936) – ebenfalls ein H.G.-Wells-Film – ist so ein Beispiel gewesen, in dem nach einem 26 Jahre dauernden Zweiten Weltkrieg die Welt in Trümmern liegt. Aus dem Staub der Vergangenheit rafft sich der „würdige“ Teil der Menschheit zu neuer Größe auf und erobert schließlich auch das Weltall. In Rudolph Matés WHEN WORLDS COLLIDE (DER JÜNGSTE TAG, 1951) – die Romanvorlage von Philip Wylie und Edwin Balmer stammt aus dem Jahr 1933 und wurde erst im Kalten Krieg verfilmt – findet dieses Motiv zu einer regelrecht reaktionären Ideologie: Als zwei wandernde Planeten, „Bellus“ und „Zyra“, ins Sonnensystem eindringen, steht die Vernichtung der Erde unmittelbar bevor. Eine Gruppe weitblickender Wissenschaftler, angefeindet von der sich letztlich dem Fatalismus ergebenden Öffentlichkeit, treibt in fieberhafter Eile den Bau einer neuen Arche Noah voran, die im Augenblick des Endes eine ausgewählte Gruppe von 44 Personen auf den Planeten „Zyra“ transportieren soll, um den Fortbestand der Menschheit zu sichern. Die „besten ihrer Fachgebiete“ werden zusammengeholt und auf ihre neue Aufgabe vorbereitet und der Protagonist Dave Randall (Richard Derr) weigert sich (fast) bis zuletzt, am Flug teilzunehmen, weil er in der neuen Gesellschaft keinen Platz für sich sieht. Als der Himmel zu brennen beginnt und nur noch Sekunden bis zum Start des Raumschiffs verbleiben, beschließt auch dessen Erbauer, der Astronom Hendron (Larry Keating), dass die neue Welt etwas für die Jungen ist und er moralisch gesehen der Elite der neuen Menschheit nicht angehören darf.

Aus demselben Grund, und auch als Sühne für das, was er der Menschheit angetan hat, opfert sich auch Dr. Stephen Sorensen (Dana Andrews) in Andrew Martons ungewöhnlichem Katastrophenfilm CRACK IN THE WORLD (EIN RISS IN DER WELT, 1964), um der gemeinsamen Zukunft seiner deutlich jüngeren Frau (Janette Scott) und seines Assistenten (Kieron Moore) auf einer neuen Erdkugel nicht im Weg zu stehen. Sorensen hatte den genialen Plan verfolgt, das Erdmagma anzuzapfen, um der Welt eine neue Energiequelle nie geahnten Ausmaßes zu erschließen. Als er mit den Bohrarbeiten nicht vorankam, schoss er eine Atomrakete in die Erde, die die Fragmentierung der Erdkruste zur Folge hatte. Ein gewaltiger Riss entstand auf dem Grund des Meeresbodens, verursachte Erdbeben und Sturmfluten und begann, den ganzen Globus zu umlaufen. Während das „Unternehmen Inner Space“ damit definitiv gescheitert war, brach in einer letzten Apokalypse ein riesiges Stück aus der Erdoberfläche heraus. Seither scheint ein zweiter Mond auf den verwüsteten Planeten, auf dem die Jungen die Chance zu einem Neuanfang bekommen haben.

Die klassischen Staatsutopien der Literatur waren im übrigen ebenso wie William Goldings „Lord of the Flies“ ihrer Struktur nach „Insel“-Experimente. Von Platos „Politeia“ über Thomas Morus‘ „Utopia“ bis hin etwa zu Aldous Huxleys „Eiland“ spiegelt sich im Mikrokosmos einer kleinen Gruppe in hermetischer Autonomie lebender Menschen die mögliche Entwicklung der gesamten Menschheit wider. Auch die einzelnen Inseln, auf die es Jonathan Swifts „Gulliver“ auf seinen Reisen verschlägt, sind Alternativen verschiedener Gesellschaftsformen, in denen ins Extrem übersteigerte Tendenzen der zeitgenössischen Gegenwart ihren Ausdruck finden. Der Doosmday-Film per se war immer mehr als die Verkörperung Kalter-Kriegs-Ängste vor einer selbst ausgelösten atomaren Weltkatastrophe oder, wenn man so will, die Warnung davor. In ihm konzentriert sich auch der Fokus auf die gesellschaftliche Situation der Gegenwart, selbst wenn sich die entsprechenden Exempel gar nicht mehr bewusst als jene Form von Allegorien verstehen, wie es noch vor dem Atomzeitalter der Fall gewesen war.

V. „Es ist, als wäre es niemals gewesen.“
(FIVE)

1951 kam mit Arch Obolers FIVE (DIE LETZTEN FÜNF) der erste Post-Doomsday-Film der Hiroshima-Ära heraus. Die titelgebenden fünf Überlebenden der gesamten Menschheit, die hier aus dem atomaren Feuer, das den Globus verbrannte, hervorgegangen sind, setzen sich aus Bausteinen der alten Gesellschaft zusammen: Michael (William Phipps), ein zynisch gewordener Idealist, befand sich im Augenblick der Katastrophe in einem Fahrstuhl auf dem Dach des E.S. Building über den radioaktiven Wolken. Die schwangere Roseanne (Susan Douglas) lag hinter den Bleiwänden eines Röntgenlabors eines Krankenhauses, der Rassist Eric (James Anderson) hatte gerade den Mount Everest erstiegen, der schwarze Bankangestellte Charles (Charles Lampkin) und der alte Buchhalter Barnstaple (Earl Lee) waren im Tresorraum ihrer Bank eingeschlossen, bis das Zeitschloss sie herausließ. Sie treffen an der Pazifikküste zusammen und richten sich in Michaels Haus in den Bergen ein. Barnstaple stirbt an der Strahlenkrankheit, und während sich Michael und Charles bemühen, das Leben wieder in Gang zu bekommen und tatsächlich Erfolg mit der neuen Aussaat von Getreide haben, sondert sich Eric von der neuen Gemeinschaft ab, lässt die anderen für sich arbeiten. Eines Abends bricht das unterschwellig Vorhandene aus ihm heraus; dass er als Zumutung empfindet, mit dem Schwarzen Charles unter einem Dach leben zu müssen. Die Machtansprüche, die in den Antagonisten Eric und Michael kollidieren, beziehen sich immer deutlicher nicht nur auf das Kommando über das „Rudel“, sondern auch auf das „Weibchen“, auf Roseanne, die gerade ihr Baby zur Welt bringt.

Eric vertritt die Ansicht, dass es kein Zufall gewesen sein könne, dass gerade sie alle mit dem Leben davongekommen sind. Er meint, dies beweise, dass sie immun gegen die Radioaktivität, dass sie biologisch „stärker“ als der Rest der Menschheit seien, der damit von der Evolution selektiert worden sei. Er will zurück in die verseuchten Großstädte, um das Erbe der Zivilisation anzutreten. Michael hingegen ist davon überzeugt, dass sie in den Bergen bleiben und sich auf Dauer selbst versorgen sollten. Dennoch kann Eric Roseanne überreden, mit ihm in die Stadt zu fahren, um nach ihrem Ehemann zu suchen, von dem sie glaubt, er könne noch immer am Leben sein. Als sie heimlich fliehen, tötet Eric Charles. Doch später, in der von Skeletten übersäten Stadt, zeigen sich auch bei ihm, der sich immun wähnte, die Symptome der Strahlenkrankheit. Schreiend läuft er davon. Roseanne schlägt sich zu Fuß zurück bis zu Michaels Haus durch. Unterwegs stirbt ihr Baby. Im letzten Bild bietet sie Michael, der im Weizenfeld an der Arbeit ist, ihre Mithilfe an.

Die Vertreter der unterschiedlichen Segmente, der unterschiedlichen Rassen, sozialen Schichten und Bevölkerungsgruppen, aber auch Ideologien, aus der sich die menschliche Kultur zusammengesetzt hat, finden in der Kollision ihrer Machtansprüche und der Eskalation der sich daraus ergebenden Konflikte zu einer neuen Gemeinschaftsstruktur zusammen, aus der wiederum die Bausteine für eine neue Gesellschaft entstehen. Man hat Arch Oboler eine darwinistische Herangehensweise vorgeworfen, dennoch siegt am Ende Michael über Eric nicht deshalb, weil sie ein physischen Kampf austragen würden wie in WORLD WITHOUT END, in dem die reinen Genträger die verseuchten Mutanten von der Erde putzen, sondern weil sich seine Vorstellungen von der Realität als die zutreffenderen erweisen, und weil offenbar wird, dass das Festhalten an alten, inzwischen überholten Strukturen wie etwa der Rassentrennung dem notwendigen Neuanfang im Wege steht. Dass am Ende von FIVE die Weizensaat, die Eric etwas früher noch zu zerstören versucht hat, aufgeht, ist natürlich ein Symbol, das mit dem vom neuen Adam und der neuen Eva, die einander endlich in die Arme nehmen, zu einem logischen Schluss findet.

Eben diese Notwendigkeit, sich vom ideologischen Ballast der alten Kultur zu befreien, um überhaupt wieder zu einer Zukunft zu bringen, emphatisiert auch fast ein Jahrzehnt später Ranald MacDougalls THE WORLD, THE FLESH AND THE DEVIL (DIE WELT, DAS FLEISCH UND DER TEUFEL, 1959), nachdem Roger Corman mit THE DAY THE WORLD ENDED (DIE LETZTEN SIEBEN, 1956) die Pulp-Version von FIVE vorlegte, die ebenfalls mit dem „Ende“ begann und dem „Beginn“ endete, als Richard Denning und Lori Nelson nach einem Regen, der die Radioaktivität aus der Welt wäscht, als Adam und Eva in die Welt hinausgingen. Auch in MacDougalls Film ist es ein Schwarzer (Harry Belafonte), der gegen einen Weißen (Mel Ferrer) zum Kampf um eine weiße Frau (Inger Stevens) antreten muss. Der Minenarbeiter Ralph Burton (Belafonte) wird bei einem Grubenunglück verschüttet und kann sich nach einigen Tagen aus eigener Kraft ans Tageslicht vorarbeiten. Inzwischen ist die Welt entvölkert; die Menschen, die die Städte verlassen haben, sind verschwunden; New York City ist eine gigantische Geisterstadt. Ähnlich wie es später Charlton Heston in Boris Sagals THE OMEGA MAN (DER OMEGA-MANN, 1971) tun wird, umgibt sich auch Ralph mit den Erinnerungen an die zur Legende gewordene Zivilisation. Er zieht in einen Wolkenkratzer, installiert einen Generator und beginnt, Kunstschätze und Bücher aus Museen und Bibliotheken zusammenzutragen, um sie zu erhalten. Bald begegnet er Sarah, die auch allein in der Riesenstadt vor sich hinvegetiert. Aber das Bewusstsein nicht nur der Rassenschranken, sondern auch der unterschiedlichen sozialen Schichten, die sie voneinander trennen, ist bei allen beiden noch zu deutlich ausgeprägt, als dass sie menschlich zusammenfinden könnten, so sehr sie es auch versuchen. Als Ben Thacker mit einem Motorboot in der Stadt eintrifft, explodiert die Situation. Ralph will Sarah und Ben zusammenbringen, aber Ben weiß, dass Ralph immer zwischen ihm und dem Mädchen stehen wird; selbst, wenn er Tausende von Meilen entfernt wäre. Er zwingt ihn zu einer Auseinandersetzung auf Leben und Tod. Mit Flinten bewaffnet streichen die beiden danach durch die menschenleeren Straßen Manhattans, lauern aufeinander. Dann jedoch wirft Ralph im entscheidenden Moment seine Waffe zur Seite, und Ben bringt es nicht fertig, den anderen zu erschießen. In der letzten Einstellung gehen die drei Arm in Arm die Straße hinab, und in einem für die fünfziger Jahre ungeheuren Zug „verschwinden“, wie John Baxter („Science Fiction in the Cinema“) schreibt, „zwei heilige Ideale der westlichen Gesellschaft – Monogamie und Rassenreinheit – unter dem Endtitel“, der wiederum „The Beginning“ annonciert. Das muss wohl das Morgen sein, das nur die Menschen des 25. Jahrhunderts kennen können.

Fotos: Columbia (Five); Paramount TNT (Crack in the World); MGM (The World the Flesh and the Devil); Paramount (When Worlds collide)