Urwaldreise hübsch hässlich.

Der Endokrinologe Dr. Paul Talbot (Phillip Terry) erhält eines Tages Besuch von einer uralten Afrikanerin namens Malla (Estelle Hemsley), die verspricht, ihm das Geheimnis der ewigen Jugend zu verraten. Zusammen mit seiner alternden, unglücklichen Frau June (Coleen Gray) folgt er ihr nach Afrika und wird Zeuge einer Zeremonie, bei der Malla sich mit Hilfe von Zirbeldrüsensekret eines hingerichteten Stammesmitglieds wieder in ein junges Mädchen (Kim Hamilton) zurückverwandelt. Als June das Angebot erhält, sich ebenfalls zu verjüngen, opfert sie ihren eigenen Mann, und reist als junge Frau zurück in die Staaten. Leider ist die verjüngende Wirkung nicht von langer Dauer…

Das Streben nach ewiger Jugend ist im phantastischen Genre ein klassisches Motiv. Im Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde bleibt die Hauptfigur äußerlich ein junger Mann, während sein wahrer Alterungsprozess anhand eines sich stetig verändernden Gemäldes sichtbar wird. TV-Serien wie STAR TREK oder THE TWILIGHT ZONE behandeln das Thema mehrfach. Im Spielfilmbereich taucht das Motiv u.a. in Terence Fishers DEN TOD ÜBERLISTET (THE MAN WHO COULD CHEAT DEATH / 1959) auf. Eine humoristische Variante findet sich in LIEBLING, ICH WERDE JÜNGER (MONKEY BUSINESS / 1952) mit Marylin Monroe und Cary Grant. Der in vielerlei Hinsicht ähnlichste Film zu DER FLUCH DER URWALDHEXE ist wahrscheinlich der unmittelbar zuvor entstandene DIE WESPENFRAU (THE WASP WOMAN /1959). Obwohl die Handlung oberflächlich gesehen eine ganz andere ist, ist die Hauptthematik praktisch identisch: Eine vom eigenen Alterungsprozess traumatisierte Frau verschafft sich eine gefährliche Droge, um dagegen anzukämpfen. Bemerkenswert ist dabei, dass nicht die Figur des mad scientist im Vordergrund steht. Junes Mann Paul ist zwar besessen davon, eine Verjüngungsdroge herzustellen und will sogar seine eigene Frau als Versuchskaninchen missbrauchen. Als diese jedoch hinter Pauls Pläne kommt, übernimmt sie das Heft der Handlung, indem sie ihren Mann töten lässt, um dessen Zirbeldrüse die benötigte Substanz für ihre Verjüngung zu entnehmen. Süchtig nach ewiger Jugend ist sie bereit, immer mehr Menschen zu töten, was ihr schließlich zum Verhängnis wird. Anders als im Vampirgenre, wo auch Körperflüssigkeit (nämlich Blut) benutzt wird, um die Untoten lebendig zu halten, sind hier zunächst keine jungen Mädchen, sondern junge Männer die Opfer. Sie sterben stellvertretend für die grausame patriarchale Gesellschaft, in der gealterte Frauen keine Wertschätzung erfahren, während ergrauten Männern sogar besonderer Respekt zuteilwird.

Coleen Gray gelingt es ausgezeichnet, sowohl ihr jüngeres als auch ihr älteres Ich zu verkörpern. Sie ist klug und zielstrebig, aber zugleich auch verletzlich. Obwohl wir sie nie wirklich mögen oder bewundern, verstehen wir ihre Motive. Während Phillip Terry, der Junes Ehemann Paul spielt, hauptsächlich in TV-Serien (wie LASSIE oder MAVERICK) zu sehen war, war der als Detective auftretende Charles Keane bereits in CURSE OF THE UNDEAD zu sehen, einem Horrorfilm, der ebenfalls von dem eher unbekannten Regisseur Edward Dein inszeniert wurde. Anders beim Drehbuchautor David Duncan, der auch für die Skripte zu den Science-Fiction-Klassikern DIE ZEITMASCHINE (THE TIME MACHINE / 1960) und DIE PHANTASTISCHE REISE (FANTASTIC VOYAGE / 1966) verantwortlich war.

Trotz der bemerkenswerten Handlung kann DER FLUCH DER URWALDHEXE sein geringes Budget praktisch zu keiner Zeit verleugnen. Die im Studio gedrehte Expedition zu Mallas Dorf wurde allzu deutlich mit Tier- und Landschaftsaufnahmen anderer Herkunft angereichert. Weiter gibt es mehrere drastische Anschlussfehler. Als besonders schwach müssen die Make-up-Effekte bezeichnet werden, bei denen sofort als solche erkennbare Latexmasken eingesetzt wurden. Besonders schlecht funktioniert diese Technik bei der dunkelhäutigen Estelle Hemsley.

Professioneller wird hingegen die Kamera eingesetzt. In einer Szene, als June noch nichts von Pauls unmoralischen Plänen ahnt, vergrößert sich der Bildausschnitt immer weiter, bis schließlich abseits des Geschehens die noch ahnungslose June zu sehen ist. Später, während Malla den Umgang der männlich dominierten Gesellschaft mit gealterten Frauen anprangert, fängt die Kamera still Junes Prozess der Erkenntnis über ihren selbstsüchtigen Ehemann ein, während sie sich vom Opfer zur Täterin verwandelt.

Die Blu-Ray, die in der Reihe „Das Vermächtnis der Galerie des Grauens“ bei Anolis erschienen ist, enthält eine lupenreine HD-Abtastung des Films und bietet neben einem interessanten Booklet, zwei Audiokommentaren und dem Originaltrailer auch erstmals(!) eine deutsche Synchronfassung des Films. Obwohl Eingeweihte die Sprecher leicht als heutige Zeitgenossen entlarven werden, entsteht dennoch so etwas wie ein 60er-Jahre-Flair. Ein Highlight ist dabei zweifellos die Besetzung von Sabine Jaeger (u.a. bekannt als dt. Stimme von Laura Dern und Lisa Kudrow) auf Coleen Gray, die sowohl die alte als auch die junge June gekonnt vertont.

The Leech Woman
USA 1960
Regie: Edward Dein
Darsteller: Coleen Gray, Phillip Terry, Estelle Hemsley, Kim Hamilton u.a.

Fotos: ©
Anolis Entertainment