Wer sich darauf gefreut hat, einen spannungsgeladenen Thriller zum Thema Tiermisshandlung in der Schweinehaltung zu sehen, wird enttäuscht sein. Dafür wird das Publikum von SQUEALERS größtenteils auch verschont von Bildern misshandelter und geschlachteter Tiere. Denn hier werden Menschen geschlachtet. Hier wohnt man einer spannenden filmischen Menschenjagd bei. Wer dem nicht abgeneigt ist, wird voll auf seine Kosten kommen.
Der Film stammt aus Frankreich, ebenso wie die Handlung – beginnend in einer alternativen Bauernhof-Kommune mit vorwiegend jungen Menschen. Links, tierlieb, veränderungswillig. Sie wollen im Schlachthof in der Nähe Kameras anbringen, um den grausamen Umgang mit Tieren öffentlich zu machen. Es ist übrigens interessant, wie zur Zeit gerade Aufmerksamkeit auf linke Agrargemeinschaften auf dem Land fällt. So bewegt sich der neue Roman der vielbejubelten US-Autorin Rachel Kushner, „Creation Lake“ („See der Schöpfung“), in denselben Kreisen – als pessimistischer Blick auf den Umgang der Herrschenden mit antikapitalistischen Lebensentwürfen.
SQUEALERS ist allerdings nicht so sophisticated und clever wie Kushners Roman. Dafür bricht hier die Gewalt umso heftiger aus, als die Aktivisten um Fouad (Mouloud Ayad), seine Freundin (Marie Kremer) und seine Schwester (Kim Higelin) während ihres illegalen, nächtlichen Besuchs im Schlachthaus entdeckt werden. Das ist zu viel, nicht nur für den Schlachthofbesitzer (Bruno Lochet), sondern auch für den Bürgermeister (Olivier Gourmet), die nun die Verfolgung der Aktivisten selbst leiten. Doch diese Verfolgung gerät außer Kontrolle. Sehr bald geht es nicht mehr um Einschüchterung, sondern um das Hunting Down. Und auch die Gegenseite begreift schnell, dass die Grenze zum Alles oder Nichts überschritten wurde. In den hektischen Gesprächen und Abstimmungen werden auch verschiedene Perspektiven verdeutlicht. Nicht nur die Sorge der Aktivisten um das Tierwohl, auch die Sorge des Schlachthof-Direktors, seine Mitarbeiter davor zu schützen, dass sie durch diese Videos ihren Job verlieren. Wie diese verschiedenen Problemstellungen nicht auf diplomatische Weise gelöst werden, sondern in übertriebener Gewalt enden, ist glaubwürdig inszeniert. Und am Ende dominiert die Spannung der gegenseitigen Jagd.
SQUEALERS ist bei weitem nicht Abel Ferrys Erstling. Im Gegenteil, bei Ferry weiss man, was man kriegt: feine Genrefilme, meistens Manhunts. Schon seine Vorläuferfilme VERTIGE (HIGH LANE, 2009) und ON THE EDGE: SHOWDOWN IN DEN BERGEN (2021) waren klassisch inszenierte Menschenjagden, sein Fernsehfilm PIEGE BLANC (WEISSE FALLE, 2014) ein gefahrvolles Drama in den Bergen. Mal eskaliert die Situation auf einem Trip junger Wanderfreunde, mal auf einem Familienausflug oder einem wettertechnisch heiklen Hochzeitsausflug in den Bergen. Und jetzt etwas politischer: Aktivisten in den französischen Wäldern.
Schön, gibt es noch so etwas wie einen europäischen Genrefilm. Schade nur, dass dieser europäische Genrefilm in unseren Medien nie die gleiche Aufmerksamkeit (bzw. Kino-Airtime) erhält, die der amerikanische Genrefilm bei uns hat. Manche seiner Themen – auch diejenigen von Ferry – würden uns durchaus näher stehen.
FilmtiGibiertel
Frankreich, Belgien, Bulgarien 2025
Regie: Abel Ferry
Darsteller: Olivier Gourmet, Mouloud Ayad, Kim Higelin, Francis Renaud, Bruno Lochet, Anne Richard u.a.
Laufzeit: 98 min.