Von Gnaghi
1998. Als sie nach einem Maschinenschaden knapp bei Kasse sind, entschließt sich der ungehobelte Kapitän eines Fischerkutters mit seiner einheimischen Crew für einen dubiosen Mittelsmann nordkoreanische Immigranten via China über das Meer einzuschmuggeln. Der junge Maschinist Dong-sik verliebt sich sofort in die schöne Hung-mei. Als die korrupte Küstenwache zur Kontrolle andockt, geschieht eine Katastrophe.
Sie spielt nach einem wahren Ereignis 1998 zur asiatischen Wirtschaftskrise und zeigt den von Geldmangel geprägten Arbeitsalltag leicht vulgärer, aber sympathischer Fischer in ihrem Dorf. Trotz einiger nicht unkomischer Momente, in denen sich die Kerle ein Maul anhängen und herumhuren, kündigt bewegte Streichermusik die humanistischen Ambitionen an, die dann unerwartet erschütternd anstatt sentimental zur Geltung kommen.
Das Lachen vergeht Zuschauern wie Crew, als aus einem Abenteuer mit flauem Magen – dem Menschenschmuggel – plötzlich ein Alptraum wird: In ihrem stinkenden Versteck erstickt die menschliche Fracht an einem Gasleck und die entsetzten Matrosen sind nun ein Geisterschiff im wallenden Nebel geworden. Nur Flüchtling Hung-mei überlebt, weil sie der junge und hilfsbereite Dong-sik bei sich im Maschinenraum versteckt hat.
Denn der Kapitän will das Geld einstreichen und keine Zeugen für die Verbrechen, wofür dieser verrückte Ahab wie bei Herman Melville erst an sein sinkendes Boot gefesselt die Quittung erhält. Dong-sik versucht sein Mädchen zu schützen und muss in Notwehr töten, was realistisch statt genremäßig ausgefochten wird. Anklänge an den Beutestreit in DER SCHATZ DER SIERRA MADRE und den Anstandsaufstand einer MEUTEREI AUF DER BOUNTY sind kein Zufall.
Über dem superb in feucht-finsteren Look fotografierten Kampf auf engem Raum im aufgewühlten Meer steht das Unheil wie im WEIßEN HAI. Es ruft ferner die jüngste Havarie in Asien, den Untergang der Sewol im April mit 300 Toten, in Erinnerung. Obwohl Dong-sik seiner Auserwählten mehrfach das Leben rettet, lässt sie ihn zurück, um ihren Bruder in Seoul zu suchen, was einen melancholisch-bittersüßen, nichtsdestoweniger erleichternden Epilog ergibt.
Erschienen auf Komm & Sieh
Haemoo (Sea Fog), Südkorea 2014 | Regie: Shim Sung-bo, Buch: Bong Joon-ho, Shim Sung-bo | Mit: Kim Yun-seok, Park Yu-Chun, Han Ye-ri, u.a. | Laufzeit: 111 Minuten, noch kein deutscher Verleih.