Von Gerd Naumann
Dass THE PLAGUE OF THE ZOMBIES (NÄCHTE DES GRAUENS, 1966) bis in die heutige Zeit ein kleiner Geheimtipp geblieben ist, mag verwundern. Vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Verleihstrategie, dieses kleine Juwel in England als Doppelvorstellung mit DRACULA: PRINCE OF DARKNESS (BLUT FÜR DRACULA, 1966) zu vermarkten, lässt sich dieser bedauerliche Umstand vielleicht erklären. Terence Fishers DRACULA: PRINCE OF DARKNESS ist nicht nur der künstlerische Höhepunkt des Dracula-Zyklus der britischen Hammer Film Productions, sondern einer der gelungensten Vertreter des neogotischen Gruselfilms. THE PLAGUE OF THE ZOMBIES erweist sich dagegen in der Rückschau als wesentlich einflussreicher und stilbildender für eine ganze Legion von Genreproduktionen. In Cornwall grassiert eine rätselhafte Seuche, die mehr und mehr Dorfbewohner dahinrafft. Der örtliche Arzt wird der Situation nicht mehr Herr und sucht Rat bei seinem ehemaligen Professor, dem Naturwissenschaftler James Forbes. Dieser entdeckt schon bald Hinweise darauf, dass es sich nicht um eine Krankheit handelt. Wandelnde Tote werden gesehen…
Genreveteran John Gilling war zu Beginn seiner Zusammenarbeit mit der Produktionsschmiede Hammer kein unbeschriebenes Blatt mehr. Erinnerungswürdig ist unter anderem sein THE FLESH AND THE FIENDS (DER ARZT UND DIE TEUFEL, 1960), eine Horrorfabel um die Leichenräuber Burke und Hare. Mit THE PLAGUE OF THE ZOMBIES, THE REPTILE (DAS SCHWARZE REPTIL, 1966) und THE MUMMY´S SHROUD (DER FLUCH DER MUMIE, 1967) zeichnete Gilling für drei der schönsten Hammer-Produktionen verantwortlich. THE PLAGUE OF THE ZOMBIES erweist sich mit dem Abstand der Jahrzehnte als stilbildender und ikonischer Vertreter eines Genres, das gemeinhin als „Zombiefilm“ bezeichnet wird. Gillings Werk aber allein auf das Vorhandensein von Untoten zu reduzieren, würde diesem nicht gerecht werden. Das Drehbuch von John Elder greift zahlreiche Motive der klassischen Trivialliteratur und –filmgeschichte auf, Gilling wiederum gelingt es, diese Motive zu einem atmosphärisch-dichten Gesamtwerk zu bündeln. Schauspieler, Musik, Kameraführung – alles atmet den Geist des alten Empires. Arthur Grants Kameraarbeit verdient besondere Würdigung, schafft es diese doch, die karge Schönheit einsamer englischer Landstriche in gemäldehafte Bildkompositionen zu überführen und dennoch, etwa in der berühmten Traumsequenz, eine modernere Bildsprache einzuführen. Ästhetische Überschneidungen mit THE REPTILE sind nicht von der Hand zu weisen, entstanden beide doch zeitgleich in den Bray Studios in Berkshire. Nicht nur wurden teilweise dieselben Kulissen verwendet, auch Regie, Kamera und einige Darsteller waren für beide Produktionen tätig…
Hervorzuheben ist die gesellschaftskritische Note. Die Untoten sind hier durch Voodookraft gesteuerte, ausgebeutete Arbeitskräfte. Ohne eigenen Willen, nur der Suggestivkraft ihres Meisters gehorchend, sind sie als pointiert überzeichnete Proletarier zu begreifen. Nur, dass der Weg der Arbeiterklasse nicht ins Paradies, sondern geradewegs in den Abgrund führt. Wenn sich das diabolische Feuerinferno seinen Weg bahnt, ist nicht nur der Bann des Voodoo gebrochen. Die Ausgebeuteten haben sich erhoben und gegen Unrecht und Unterdrückung aufgelehnt. Damit nehmen Elder und Gilling wesentliche Elemente des Untotengenres vorweg, dass zwei Jahre später durch George A. Romero und seinen NIGHT OF THE LIVING DEAD (DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN, 1968) zur Blüte geführt werden sollte. Anders als Romeros Film bricht THE PLAGUE OF THE ZOMBIES allerdings nicht mit den Vorbildern des ehedem populären Unterhaltungskanons. Das Motiv des durch finstere Mächte fremdgesteuerten Individuums findet sich beispielsweise bereits in Jacques Tourneurs I WALKED WITH A ZOMBIE (ICH FOLGTE EINEM ZOMBIE, 1943).
Angenehm hebt sich der Film auch durch die Besetzung ab. Der britische Charaktermime André Morell gibt als besonnener Wissenschaftler James Forbes eine einprägsame Leistung. Sein zugleich nüchternes wie entschlossenes Spiel ist ein Gegenpol zum lauernden Charakter des undurchsichtigen Clive Hamilton. Dieser von Hammer-Veteran John Carson gespielte Grundbesitzer erhält durch das zurückgenommene, anhand kleiner Gesten umso wirkungsvollere Spiel diabolische Intensität. Das Ensemble runden Brook Williams als besorgter, um Fassung ringender Dorfarzt und die ausstrahlungsstarke Diane Clare ab. Es darf mich Fug und Recht attestiert werden, dass es das Ensemble schafft, einigen Szenen den Charakter einer shakespeareschen Tragödie zu verleihen. Sofern dieses im Rahmen eines Genrefilms zulässig ist…
Anolis hat hiermit eine weitere Referenzveröffentlichung vorgelegt. Das Bild ist plastisch, deutscher und englischer Ton sind sauber und dynamisch. Neben einem Audiokommentar von Rolf Giesen und Uwe Sommerlad finden sich weitere hochinteressante Extras. So gibt das 1994 geführte, mittlerweile selbst schon historische, Interview mit James Bernard Auskunft darüber, unter welchen Produktionsbedingungen die Filmmusik der Hammer-Werke entstand. Weiterhin finden sich diverse Trailer, die internationale Titelsequenz, die Super-8-Fassung, ein zeitgenössischer Comic sowie Pressematerial. Das etwa halbstündige Making Off sowie ein Featurette über Darsteller André Morell runden die liebevoll zusammengestellte Zusatzausstattung ab. Erschienen ist der Film sowohl als Standardausgabe als auch im Media Book mit zusätzlichen Textinhalten.
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The Plague of the Zombies, Großbritannien 1966, Regie: John Gilling, Mit: André Morell, Brook Williams, Diane Clare, John Carson, Michael Ripper u.a.
Anbieter: Anolis Entertainment