Von Rudi Specht
PINUP DOLLS ON ICE, der es in Deutschland erst mit zweijähriger Verspätung in den Vertrieb geschafft hat, ist die Fortsetzung des 2009, ebenfalls von Regisseur Geoff Klein inszenierten BIKINI GIRLS ON ICE. Während es sich bei den Bikini Girls noch um Fußballerinnen eines College-Teams handelte, die auf der Fahrt mit dem Bus zu einer Bikini-Autowasch-Spendenaktion an einer Tankstelle dem psychisch nicht ganz einwandfreien Moe begegneten, der die Mannschaft auf unschöne Art bis zur Spielunfähigkeit durch Ableben der Mitglieder dezimierte, dürfen wir in PINUP GIRLS ON ICE dem Treiben und den Trieben einer Retro-Betty-Page-Gedenk-Stripperinnen-Truppe beiwohnen, die auf einen Campingplatz eingeladen werden, um hier den Freunden naturnahen Wohnens die abendliche Langeweile zu vertreiben.
Doch auch der aus dem Vorgängerwerk bekannte Moe hat offenbar zeltstädtische Versammlungsorte als neues Jagdrevier für sich entdeckt und führt nun hier die traumatische Aufarbeitung seiner in der Kindheit und Jugend erfahrenen Unterdrückung sexueller Lust fort. Dieses in derselben Art und Weise, die er so erfolgreich bereits an den Bikini Girls zelebriert hat, indem er die vormals doch sehr ansehnlichen und textilarm gekleideten Pinup Dolls in gar nicht mehr so ansehnliche, leblose Geschöpfe umwandelt, diese unter Zuhilfenahme einer großen Menge Eises so gut es geht konserviert, um sich dann ausgiebig an ihnen zu vergehen.
Bei PINUP DOLLS ON ICE handelt es sich, wie bei seinem Vorgänger auch, um einen lupenreinen Slasherfilm nach bewährtem Strickmuster ohne große Überraschungen. Und doch hat der Film einiges zu bieten und damit sind nicht lediglich die barbusigen Protagonistinnen gemeint, die in beispielsweise längeren Duschszenen ihre wohlgeformten Körper zur Schau stellen dürfen. Zwar handelt es sich dramaturgisch fast um eine Kopie von BIKINI GIRLS ON ICE, aber dies tut dem Unterhaltungswert, den der Film nach und nach entwickelt, deswegen keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Da die Kenntnis von BIKINI GIRLS ON ICE nicht zwangsläufig vorausgesetzt werden kann, funktionieren die Pinup Girls auch wunderbar, wenn man ihn nicht gesehen hat.
Allerdings hat der Film gewisse Startschwierigkeiten. So ist die erste Hälfte ein Sammelsurium schwacher bis lächerlicher Dialoge und besteht aus inhalts- und bedeutungslosem Girl-Power-Tussi-Gegacker. Was bei Tarantino durchaus funktioniert und einen sehr eigenen Coolness-Faktor beinhaltet, wirkt hier leider ungekonnt, mühsam und deplaziert. Doch ziemlich genau ab der Mitte des Films entfaltet dieser sein ganzes abgründiges Potential. Was zu Anfang noch ein heiteres Trashspektakel hätte werden können, wandelt sich nun in einen durchaus respektabel unappetitlichen Horrorfilm des Splattergenres. Der geisteskranke Moe geht hier mit aller urwüchsigen Brutalität vor, ohne jegliche Tötungsinnovation, wie sie beispielsweise ein Jason Voorhees in den FREITAG, DER 13.-Filmen an den Tag gelegt hat, in denen er verschiedenartigste Werkzeuge sehr kreativ einsetzte. Moe nimmt, was da ist. In einer Szene sind dies die bloßen Fäuste, mit denen er dem weiblichen Opfer so lange ins Gesicht schlägt, bis sie blutüberströmt dahinscheidet. Diese Szene kommt dem Zuschauer unglaublich lang vor. Er ist mit Gewalt in ihrer rohesten Form konfrontiert und kann doch den Blick nicht abwenden von dem blutigen Eintopf aus Haaren, Fleisch und Zähnen, der nur eine Minute zuvor noch das Gesicht eines jungen Mädchens war.
Zähne werden an Badewannenrändern ausgeschlagen, Genicke mit Spaten gebrochen, Blut mischt sich mit Erbrochenem und tote, übel zugerichtete Frauenkörper werden auf Eis liegend von einem Wahnsinnigen penetriert. Und das alles garniert mit schummrigem Licht, hektischen Zooms und durchaus passablen Spezialeffekten. All das war in den ersten Minuten des Films nicht ansatzweise zu erwarten.
Besonders positiv fällt im Übrigen die Filmmusik des Komponisten Michael Vickerage auf. Schon im DVD-Menü fliegt einem ein Score in den Gehörgang, der in überaus angenehmer Weise stark an die Kompositionen Bernard Herrmanns (PSYCHO, VERTIGO – AUS DEM REICH DER TOTEN, MARNIE) erinnert. Und wenn im Film der Platzwart des Campingplatzes Clay auftaucht (herrlich gespielt mit blonder Haarpracht und der „schönsten Rotzbremse seit Magnum“ von Matt Popoff, der unverständlicherweise bisher nur in diesem einen Film mitgewirkt hat, obwohl man glaubt, das Gesicht schon mindestens ein Dutzend Mal gesehen zu haben), werden wir mit einem 70er-Jahre-Groove verwöhnt, von dem man glauben möchte, es handele sich hier um einen verschollen Track aus dem Blaxploitationkracher CLEOPATRA JONES GEGEN DIE DRACHENLADY.
Die Synchronisation ist ordentlich, wenn auch nicht herausragend, aber wenn man nicht gerade Synchronpapst Rainer Brandt die Dialoge aufpeppen lässt, kann man aus einer schlechten Vorlage wahrscheinlich einfach nicht mehr rauskitzeln.
Für Freunde des Splatter- und Slashergenres tatsächlich empfehlenswert und auch für alle anderen definitiv ansehbar.
Darauf eine Bloody Mary. Mit Eis.
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Pinup Dolls on Ice, Kanada 2013, R: Geoff Klein, Melissa Mira D: Karine Kerr, Suzi Lorraine, William Jarand, Kyla Shinkewski, Melissa Mira
Anbieter: donau film