Harry F. Saint war 45 und verdiente mehr als nur Brötchen an der Wall Street. Bisher hatte er nichts weiter geschrieben als eine Kurzgeschichte, die im Esquire erschien, als er noch Student war. Plötzlich hatte er den Einfall, wieder was zu schreiben, diesmal gleich einen Roman, in den Teile seiner Wall-Street-Erfahrungen in der Geschichte des Unsichtbaren aufgingen: „Irgendwie habe ich mich wohl an H. G. Wells oder TOPPER (ZWEI ENGEL OHNE FLÜGEL / USA 1937) erinnert.“ H. G. Wells hatte den Mythos von der Tarnkappe 1897 in eine scientific romance umgewandelt, einen grotesken Roman: Der Chemiker Griffin entdeckt eine Formel, die ihn unsichtbar macht, aber gleichzeitig auch verrückt. Er sagt sich von der Menschheit los und muss unbedingt unschädlich gemacht werden: Unsichtbarkeit, das ist die Faust, die man nicht kommen sieht, das bedeutet Macht über andere. James Whale, homosexuell und Regisseur des ersten großen FRANKENSTEIN-Films von 1931, hat den Stoff 1933 für Laemmles Universal kongenial verfilmt. Ein Dutzend Drehbuchautoren hatte sich an Wells‘ Roman versucht, ein Einfall jagte den nächsten, aber erst Robert Cedric Sherriff gelang die beste Adaption – indem er so gut wie nichts an Wells‘ Roman veränderte. Statt Boris Karloff, der zuerst für die Rolle des Invisible Man vorgesehen war, besetzte Whale den Part mit seinem Freund Claude Rains, einen der besten englischen Schauspieler, der vor allem ein vorzüglicher Sprecher war und nicht lispelte wie Karloff.
Im Mittelpunkt von H. F. Saints Roman Memoirs of an Invisible Man steht ein Wall-Street-Analyst, Nicholas Halloway, der im Nuklear-Labor von MicroMagnetics in einen von marxistisch denkenden Studenten angezettelten Anschlag gerät. Der Strom zum Labor wird unterbrochen, die Computer drehen durch, und mit einem Mal sind Labor und der darin befindliche Halloway unsichtbar. Die CIA schaltet sich ein, denn mit Halloway hätten sie einen prima unsichtbaren Spion, aber Halloway sucht das Weite, weil er da nicht mitspielen will, und so weiter.
Unter den Drehbuchautoren auch ein bekannter Name: William Goldman. Er schrieb mehrere Fassungen, simple Komödien, die aber allesamt abgelehnt wurden, weil es den Produzenten oder besser: dem Hauptdarsteller Chevy Chase nicht gefiel. Chase wollte nicht mehr NATIONAL LAMPOON, sondern als Schauspieler ernst genommen werden. Im ging es darum, die Einsamkeit des Unsichtbaren darzustellen und nicht die komischen Situationen, in die er, verfolgt von CIA-Agenten, gerät. Alsbald ging auch dem vorgesehenen Regisseur Ivan Reitman (GHOSTBUSTERS) Luft und Lust aus. Er stellte das Studio vor die Wahl: entweder Chase oder ich. Das Studio entschied sich für Chase. Reitman ging, John Carpenter kam, und der Horror hinter den Kulissen ging weiter. Auch Carpenter wollte Comedy um jeden Preis, Chase dagegen einen seriösen Abenteuerfilm, eine Art unsichtbaren James Bond. Carpenter klagte, dass Chase und seine Partnerin Daryl Hannah, die gleich danach in einem Remake des C-Films ATTACK OF THE 50 FT. WOMAN (ANGRIFF DER 20 METER FRAU / USA 1993) zu sehen war, „das Zeug für Alpträume“ hätten: unmöglich, bei solchen Leuten Regie zu führen. Chase missfiel das für seine Schauspielerei lästige Spezial-Makeup. In seiner Ungeduld entfernte er es, noch bevor eine Szene im Kasten war. Carpenter führte das Projekt zu Ende und steckte als „Schmerzensgeld“ seinen Scheck ein, während Industrial Light & Magic und Effects Associates (Jim Danforth) die visuellen Effekte realisierten: Mattes, Green und Blue Screen. Technisch steht MEMOIRS OF AN INVISIBLE MAN am Ende der analogen Art, Effekte zu machen. Heute wäre das alles digital, mit wilden Kamerafahrten und lautem Getöse und auch nicht mehr mit dem durchgedrehten Chevy Chase (Jahrgang 1943), so aber wurden die MEMOIREN ein Flop mit einem US-Einspiel von 14 Millionen Dollar bei einem Budget von 40 Millionen.
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Memoirs of an Invisible Man | USA 1992 | Regie: John Carpenter | Darsteller: Chevy Chase, Daryl Hannah, Sam Neill, Michael McKean, Stephen Tobolowsky u.a.
Anbieter: Explosive Media / Koch Media