Alles Gute kommt aus der Schweiz…

Die Zusammenarbeit des ebenso umstrittenen wie verehrten spanischen Regisseurs Jess Franco mit dem Schweizer Filmproduzenten Erwin C. Dietrich ist ein Kapitel für sich. Als sich die Wege von Franco und Dietrich 1975 zum ersten Male kreuzten, hatte der Regisseur bereits eine bewegte Karriere hinter sich. Dietrich dagegen war es gelungen, sich mit Unterhaltungsfilmen, ab 1966 mit vorzugsweise erotischem Inhalt, im Kinogeschäft zu etablieren. Mit Franco stand ihm nun ein Regisseur zur Verfügung, der imstande war, ebenso zügig wie effizient kommerziell verwertbare Kinoproduktionen zu drehen. Darüber hinaus war Franco bereits in zahllosen Genres bewandert, hatte unter anderem das Grusel-, Erotik-, Kriminal- oder Abenteuerfeld beackert. Die nur drei Jahre währende Zusammenarbeit erwies sich als äußerst fruchtbar, es entstanden ganze siebzehn Filme. Dietrich wird nicht müde zu betonen, dass es Franco bei ihm nicht an produktionstechnischen Mitteln mangelte, und tatsächlich sind die dietrich´schen Arbeiten in der Filmographie des Spaniers etwas Besonderes. Ähnlich wie die Produktionen ab den ausklingenden 1960er Jahren, die in der Zusammenarbeit mit dem britischen Produzenten Harry Allen Towers entstanden… Wie bei Towers wurden Franco auch bei Dietrich größere finanzielle Mittel, international renommierte Darsteller, mithin die reibungslos funktionierende Infrastruktur einer kommerziell orientierten Produktion zur Verfügung gestellt.

Die Bandbreite der Franco-Dietrich-Produktionen ist immens. Neben kontroversen Literaturadaptionen wie Die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne (1977) und überschwänglichen Popartspektakeln wie Blue Rita – Das Frauenhaus (1977) stehen vor allem auch markante Vertreter des so genannten Frauengefängnisfilms im Vordergrund. Nachdem Dietrichs Ascot Elite Home Entertainment den Franco-Katalog bereits in den Anfangsjahren der DVD ausgewertet hat, stand eine Veröffentlichung im Medium Blu-ray bislang noch aus. Dankenswerterweise hat das Label nochmals Mühen und Kosten auf sich genommen, um die Franco-Filme mit der Golden Goya Collection in bestmöglicher High-Definition-Qualität nochmals abzutasten und zu restaurieren. Gerade im direkten Vergleich mit den betagten DVD-Abtastungen fällt ein deutlicher Qualitätssprung auf, der das Bahnhofskinogefühl sofort entstehen lässt. Die Filme wurden liebevoll bearbeitet und entfalten durch die HD-Präsentation einen ganz eigenen Charme. Neben den Blu-ray-Ausgaben wurden die neuen Abtastungen ebenfalls als DVD veröffentlicht. Zudem, und das ist besonders hervorzuheben, findet sich auf vielen Scheiben eigens produziertes Bonusmaterial.

Die Golden Goya Collection startete mit dem wohl bekanntesten Franco-Dietrich-Werk Jack the Ripper (1976). Der mit Klaus Kinski, Andreas Mannkopff und Herbert Fux in den Hauptrollen kongenial besetzte Film ist vor allem ein Werk der Liebe Francos, ebenso eine Hommage an das Genrekino vergangener Tage wie auch eine Selbstreverenz. Viele Motive in Jack the Ripper finden sich bereits in Francos früheren Filmen, darunter auch Der schreckliche Dr. Orloff (1962). Die Scheibe beinhaltet hochinteressantes Bonusmaterial, darunter ein zeitgenössisches Audiointerview mit Jess Franco sowie ein sehr unterhaltsames und anekdotenreiches Interview mit Andreas Mannkopff. Neben einer entfernten Szene und einem Audiokommentar mit Dietrich rundet eine sehr umfangreiche Bildergalerie die Edition ab.

Mit Frauen für Zellenblock 9 (1977) liegt ebenfalls ein launiger Vertreter der Frauengefängniswelle in einer Neuabtastung vor. Die Geschichte um eine Gruppe junger Frauen, die von einem südamerikanischen Söldnertrupp verschleppt wird, ist eine trashige Mischung aus Francos zuvor entstandenem Frauengefängnis (1976) und seiner Towers-Produktion Der heiße Tod (1969). Hier findet sich alles, was das Bahnhofskinoherz begehrt – ambivalente Frauen, ein schmuddeliges Dschungelambiente, sadistische Aufseherinnen und eine ordinäre Synchronisation. Die Faszination, die solcherart gefährliche Mischungen auszuüben vermögen, lässt sich nur schwerlich in Worte fassen… Ähnlich explosiv sind die ebenfalls erschienenen Die Sklavinnen (1976), der kriminalistisch angehauchte Die teuflischen Schwestern (1976), der auch als Frauen ohne Unschuld bekannte Wicked Women (1978) oder Downtown – Die nackten Puppen der Unterwelt (1975). In letzterem übernahm Franco selber die Rolle des schmierigen Privatermittlers Al Perreira, der nicht nur unvermittelt in Mordverdacht gerät, sondern auch Bekanntschaft mit zahllosen leicht bekleideten Damen macht. Die genannten Filme sind allesamt äußerst unterhaltsam, stehen aber nicht zwingend für die künstlerische Sprache Francos.

Wer an der originären Regiesprache und den immer wiederkehrenden Themen des Spaniers interessiert ist, dem seien Voodoo Passion – Der Ruf der blonden Göttin (1977), Ilsa the mad butcher (1977) und Blue Rita – Das Frauenhaus ans Herz gelegt. Mit Voodoo Passion legte Franco eine elektrisierende Ehrerbietung an Jacques Tourneurs Horror-Klassiker I Walked with a Zombie vor. Um es genauer zu formulieren – der Film ist purer Jazz. Allein die ausufernden Szenen, in denen die Darstellerin Ada Tauler sich ekstatisch zum Rhythmus einer wahnsinnigen Percussionnummer bewegt, ist reines, erotisierendes Kino. Ilsa the mad butcher wiederum, in Deutschland eigentlich als Greta – Haus ohne Männer bekannt, ist ein schizoides Paranoiawerk erster Güte. Durch die Besetzung mit Dyanne Thorne wird eine Nähe zur berüchtigten Ilsa-Trilogie suggeriert. So ist es zu erklären, warum der Film nunmehr auch im deutschsprachigen Raum unter seinem amerikanischen Verleihtitel vermarktet wird. Während sich die Ilsa-Reihe aber vorwiegend auf den exploitativen Aspekt konzentriert, variiert Franco Elemente des Frauengefängnisfilms ebenso wie des Hollywoodmelodrams in Manier eines Robert Siodmak. Thorne gibt Greta, die nicht nur die Leiterin eines schäbigen südamerikanischen Frauengefängnisses ist, sondern die Insassinnen auch für lesbische Spiele missbraucht. Unterstützt wird Greta vom degenerierten Pedro, gespielt von Dietrich-Veteran Eric Falk. Am Ende lehnen sich die Insassen gegen die Unterdrückerin auf, das Filmende ist eines der verstörendsten, die das Genrekino jemals hervorgebracht hat. Ilsa the mad butcher schwankt zwischen exzentrischer Exploitation und Melancholie, ist zugleich ein unverhohlen spekulatives wie irritierendes Filmwerk. Blue Rita – Das Frauenhaus ist dagegen ein lustvoller Spaß, ein wilde und hemmungslose Achterbahnfahrt in grellen Farben und groovendem Soundtrack. Die titelgebende Blue Rita, dargestellt von der dämonisch agierenden Martine Fléty, ist die Betreiberin eines ominösen Pariser Unterhaltungsclubs, in dem die Damen ebenso ihre erotischen Dienste anbieten. Was die vermögenden Kunden aber nicht wissen – geraten sie einmal in die Fänge von Blue Rita, liegt ein steiniger Weg vor ihnen… Die Edition von Blue Rita – Das Frauenhaus beinhaltet im Bonusmaterial unter anderem ein bizarres, aber äußerst unterhaltsames Interview mit Darsteller Eric Falk.

Mittlerweile sind auch die restlichen Franco-Filme aus der Dietrich-Ära erschienen. Einzig Heiße Berührungen (1975) ist hiervon ausgenommen, da er vor nicht allzu langer Zeit bereits über Edition Tonfilm erschienen ist. Hervorzuheben ist die graphisch ansprechende Aufbereitung der Golden Goya Collection, die den Seriencharakter der Edition deutlich herausstellt. Nachdem Ascot Elite innerhalb kürzester Zeit diese filmischen Schätze erneut bravourös gehoben hat, gibt es mit The Erwin C. Dietrich Collection eine neue Reihe, die sich mit den Regie- und Produktionsarbeiten Dietrichs befasst. Darüber hinaus wurden und werden die populären Kriegs- und Söldnerfilme wie auch die Ingrid-Steeger-Produktionen von Ascot Elite Schritt für Schritt mit neuen, ebenso liebevoll aufbereiteten Editionen gewürdigt.

Jack the Ripper – Der Dirnenmörder von London, Deutschland / Schweiz 1976, Regie: Jess Franco, Mit: Klaus Kinski, Josephine Chaplin, Andreas Mannkopff, Herbert Fux, Angelika Arndts, Lorli Bucher, Francine Custer u.a.

Frauen für Zellenblock 9, Schweiz 1977, Regie: Jess Franco, Mit: Karine Gambier, Aida Gouveia, Susan Hemingway, Esther Studer, Howard Vernon u.a.

Die Sklavinnen, Schweiz 1976, Regie: Jess Franco, Mit: Lina Romay, Raymond Hardy, Martine Stedil, Aida Vargas, Mike Lederer u.a.

Die teuflischen Schwestern, Schweiz 1976, Regie: Jess Franco, Mit: Karine Gambier, Marianne Graf, Kurt Meinicke, Esther Moser, Pamela Stanford, Jack Taylor u.a.

Wicked Women – Frauen ohne Unschuld, Schweiz 1978, Regie: Jess Franco, Mit: Lina Romay, Michael Maien, Nanda van Bergen, Kurt Meinicke, Monica Swinn, Esther Studer, Brigitte Meyer u.a.

Downtown – Die nackten Puppen der Unterwelt, Schweiz 1975, Regie: Jess Franco, Mit: Jess Franco, Peggy Markoff, Paul Muller, Lina Romay, Martine Stedil, Monica Swinn, Eric Falk u.a.

Voodoo Passion – Der Ruf der blonden Göttin, Schweiz 1977, Regie: Jess Franco, Mit: Ada Tauler, Jack Taylor, Karine Gambier, Rita Moreno, Sandra Daenliker u.a.

Ilsa – The mad butcher / Greta – Haus ohne Männer, Schweiz 1977, Regie: Jess Franco, Mit: Dyanne Thorne, Lina Romay, Jess Franco, Eric Falk, Esther Moser u.a.

Blue Rita – Das Frauenhaus, Schweiz 1977, Regie: Jess Franco, Mit: Dagmar Bürger, Guy Delorme, Eric Falk, Olivier Mathot, Esther Moser, Pamela Stanford u.a.

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