Die im Dunkeln sieht man nicht. Von Matthias Künnecke

Von Matthias Künnecke

Der „Golpe Borghese“, ein gescheiterter Staatsstreich italienischer Neo-Faschisten im Jahre 1970,  hatte einen langen Nachhall in den Medien des Landes. Auch für Sergio Martinos Film DIE KILLERMAFIA von 1975, als zweite Folge von FilmArts blutroter „Polizieschi Edition“ herausgekommen, dürfte er als Inspiration gedient haben. Entgegen dem deutschen Titel handelt es sich nämlich nicht um einen üblichen Mafia-Thriller, sondern eher um einen Film im Geiste mehr oder weniger zeitgleich herausgekommener Werke wie DIE DREI TAGE DES CONDORS (Sydney Pollak, 1975) oder DIE MACHT UND IHR PREIS (Francesco Rosi, 1976), in denen politische Konspirationen und deren Opfer und Hintermänner im Zentrum stehen. Der italienische Originaltitel „Die Polizei klagt an: Der Geheimdienst tötet“ trifft da schon eher den Punkt, während der alternative deutsche Videotitel CHOPPER SQUAD, basierend auf einer Sequenz mit zwei Polizeihubschraubern am Ende des Films, komplett daneben liegt.

die.killermafia.1975.cover Der vielseitige Regisseur Martino, aus einer Produzentenfamilie stammend, ist allerdings kein Francesco Rosi, noch nicht einmal ein Damiano Damiani, und wollte dies ganz sicher auch nicht sein. Deshalb würzte er seinen Film, bevor der in Gefahr geriet zu dialoglastig zu werden, in regelmäßigen Abständen mit Actionszenen, wie sie das Polizieschi-Publikum damals wie heute fordert: Verfolgungsjagden zu Fuß, im Auto und in der Luft, Prügeleien, Schießereien und detailliert ausgespielte Todeszenen. Die zahlreichen Action-Setpieces lenken dabei erfolgreich von den Logiklöchern in der nur scheinbar komplizerten Handlung ab. Martino, der seine Kinokarriere mit einem Spaghettiwestern begann und mit Gialli wie DER KILLER VON WIEN und DER SCHWANZ DES SKORPIONS fortgesetzt hatte, inszenierte speziell die Action-Highlights seines Films mit sicherer Hand. DIE KILLERMAFIA war sein zweiter Polizieschi, dem noch weitere folgen sollten. Als die Welle der Polizeifilme abebbte, erwies sich Martino in anderen Genres wie dem Abenteuer-, Endzeit- und Kannibalenfilm sowie Erotik-Kömodien als ebenso kompetent.

die.killermafia.1975.still2 Polizieschi-Dauergast Luc Merenda gibt als Kommissar Solmi eine seiner sympathisch-stoischen Darbietungen, während Mel Ferrer wie üblich mit steinernem Gesicht eine ranghohe Amtsperson darstellt. Interessanter, weil ungewöhlicher, ist da schon Tomas Milian als eleganter Polizeihauptmann mit Vollbart und Pilotenbrille besetzt. Entgegen seinen hysterischen Gangsterrollen jener Jahre schlägt er zudem erstaunlich leise Töne an. FilmArt präsentiert den Film im anamorphen 2,35:1-Originalformat. Abgetastet wurde nicht das Negativ, sondern eine Kinorolle, woran hin und wieder dezente Laufstreifen und verregnete Rollenanfänge erinnern. Das ist allerdings kein Beinbruch, denn grundsätzlich gibt es am Bild nichts zu meckern, wenn man kein HD-Fanatiker ist. Aus lizenzrechtlichen Gründen gibt es lediglich die deutsche Synchronisation (gefiltert und ungefiltert) zu hören. Auch das ist zu verschmerzen, da diese damals im Auftrag der in Sachen Italo-Kino sehr umtriebigen Firma Schier Film professionell gefertigt wurde. Sie klingt wie üblich recht markig, hält sich aber offensichtlich nah am Originaltext.

die.killermafia.1975.still3 Interessanterweise enthält die deutsche Filmfassung nicht nur eine andere Titelsequenz mit unterschiedlicher Musik, sondern auch eine kurze, allerdings nicht allzu wichtige Dialogszene, die in der italienischen Version fehlt. Beide sind als „längerer deutscher Filmanfang“ sowohl in den Extras als auch als Bestandteil des Films anwählbar. Ein in der deutschen Fassung fehlender Dialog zwischen Merenda und Milian mit stark politischer Färbung wurde für die DVD untertitelt. Außer dem italienischen Kinotrailer und einer Trailershow anderer FilmArt-Veröffentlichungen ist das einzige weitere Extra ein Booklet mit einem nicht allzu langen, aber dafür mit vielen Referenzen gespickten Text von Michael Cholewa, eines der beiden Autoren des Polizieschi-Standardwerkes „Der Terror führt Regie“. Eine insgesamt empfehlenswerte Veröffentlichung innerhalb einer ebenso empfehlenswerten Edition.

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La Polizia Accusa: Il Servizio Segreto Uccide, Italien 1975, Regie: Sergio Martino, Mit: Luc Merenda, Mel Ferrer, Tomas Milian, Delia Boccardo u.a.

Anbieter: FilmArt