Von Jochen Plinganz
ALLÉLUIA, der mit dem regengrauen Cop-Thriller COLT 45 zweite Output im Jahre 2014 des belgischen Extremfilmers Fabrice Du Welz (VINYAN), ist eine krude Ode an zwei Sexualgewalttäter und verlagert die bereits mehrfach adaptierte Geschichte der Lonely Hearts Killers Martha Beck und Raymond Fernandez ins französischsprachige Europa – eine fanatische Psychopathen-Triebbeziehung in flirrend-grobkörniger 16mm-Rohheit.
Du Welz’ rau ästhetisierte Nah-Studie über Glück und Unglück sowie das Begehen von allerhand Tabubrüchen orientiert sich an Lars von Triers ANTICHRIST und NYMPHOMANIAC und dem fiebrigen Ambiente von Gaspar Noés IRRÉVERSIBLE und ENTER THE VOID: Der Rausch seiner zwischen tristem Realismus-Grau und Rot-Blau-Grün-Farben changierenden Bilder entstammt direkt dem Unterbewusstsein und ist reines Transgressions-Kino.
Solch ein nicht der Unterhaltung verpflichtetes Delirium, das konsequent einem Autorenfilmstil mit hohem Anspruch folgt, ist sicherlich anstrengend. So gut die durch Almodóvar bekannte Lola Dueñas (VOLVER) und Laurent Lucas (nach CALVAIRE wieder bei Du Welz) auch spielen, die Anteilnahme mit ihnen fällt schwer. Zu bizarr entfalten sich die dunklen Regionen ihrer Seele, zu opak bleiben ihre Motive, zu fern ihre Gefühle.
Deshalb muss man sich ALLÉLUIA mehr als Überschreitung in elementare, archaische Primärbedürfnisse nähern, wo Eifersuchtsanfälle ins Leichenzersägen münden – eine richtig schöne SADO-Gedächtnisszene -, wo auch mal gesungen und hysterisch grimassiert wird bis an die Grenze zur Lächerlichkeit. Denn wirklich erklären kann man eine solche Amour Fou, die true-crime-blutig (aber nicht zum Splatter) gerät, ohnehin nicht.
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Alléluia, Belgien/Frankreich 2014 | Regie: Fabrice Du Welz, Buch: Fabrice Du Welz, Romain Protat, Vincent Tavier | Mit: Lola Dueñas, Laurent Lucas, Héléna Noguerra, u.a. | Laufzeit: 93 Minuten, noch kein deutscher Verleih.