Von Rudi Specht
Das Cover von BERKSHIRE COUNTY verspricht einiges: “Einer der besten Home-Invasion-Filme aller Zeiten” ist dort zu lesen, genauso wie: “Ein echtes Juwel der Horror-Genres”. Ja… der Horror-Genres. So wird dort der Eintrag eines offenbar sachkundigen Rezensenten in der International Movie Database zu diesem Film zitiert. Illustriert ist das Cover großflächig mit einem Kopf, der eine doch recht gruselige Schweinsmaske aus Kartoffelsackstoff trägt, und einer jungen blonden Frau in weißem Unterhemd und Jeans, blutverschmiert und mit einer Axt bewaffnet. Auf der Rückseite des Covers sehen wir dieselbe Frau, wie sie von dem Kartoffelsackschweinemann an den Haaren gezerrt wird. Sieht alles ganz viel versprechend aus. Doch der Schein trügt. Nichts von dem stimmt. Der Schweinskopfmann in dem Film ist ein anderer, eine blonde Frau mit Axt kommt überhaupt nicht vor und der Film ist weder einer der besten Home-Invasion-Filme aller Zeiten noch auch nur im Ansatz ein Juwel irgendeines Genres und wenn man noch so tief verzweifelt in der hinterletzten Genreschublade wühlt. Wenn es denn überhaupt ein Film ist. Eher wirkt er über weite Strecken wie eine Art Tutorial darüber, wie man auf Zehenspitzen und halb gebückt, vermeintlich ängstlich dreinblickend, leise durch ein großes Landhaus mit fünf bis sechs Personen gegenseitig aneinander vorbei schleicht, ohne sich begegnen zu müssen. Der Name des Spiels wird auf dem Cover nicht erwähnt, ich denke aber, es handelt sich hier um eine Plumpsackvariante (der eine ist plump, der andere der Sack) für vereinsamte Hinterwäldler mit Defiziten in der sozialen Interaktion. Zu den Regeln gehört es offensichtlich, dass sich zumindest weibliche Mitspieler regelmäßig selbst den Mund zuhalten.
Eine Inhaltsangabe des Films ist in drei Sätzen abgehandelt: Ein junges Mädchen ist als Babysitterin in einem großen Haus im abgeschiedenen ländlichen Berkshire County am Halloween-Abend (natürlich, wie innovativ!) allein mit zwei Kindern. Mit Tiermasken vermummte Gestalten dringen ins Haus ein und versuchen, alle Anwesenden abzuschlachten. Nachdem das bereits erwähnte Zehenspitzen-Plumpsack-Kontaktvermeidungsspiel über die Hälfte des Films zelebriert wird, beschließt die Babysitterin, den Spieß umzudrehen, und tötet die Eindringlinge. Fertig. Ende. Aus. Das war’s dann, Leute. Mehr passiert nicht. Ihr könnt also getrost… abschalten.
Die junge, aus Quebec stammende Regisseurin Audrey Cummings liefert mit diesem Film ihren ersten Langfilm ab und reißt die Messlatte leider bereits bei der niedrigsten Höhe. Unerklärlich ist hierbei, wie dies geschehen konnte. Die studentischen Arbeiten zu Beginn ihrer Karriere, die sich problemlos im Internet finden lassen, zeugen von einer visuellen Ästhetik und einer obskuren Erzählweise, die sich guten Gewissens mit dem ebenfalls kanadischen David Cronenberg vergleichen lassen können. Doch leider stimmt an ihrem ersten Langfilm einfach nichts. Genau niemand kann in diesem Film als Schauspieler bezeichnet werden, bestenfalls als Darsteller. Die Bilder sind flach, die Kameraeinstellungen unbeholfen und einfallslos, das Licht uninspiriert gesetzt, die Ausstattung spärlich, die Dramaturgie schlichtweg nicht vorhanden.
Leider besitzt der Film auch keinerlei abseitigen Unterhaltungswert, da er sich dafür einfach zu ernst nimmt in seiner Aufgabe, eine bedrohliche Stimmung erzeugen zu wollen. So geht dem Machwerk selbst dieser mögliche Spaßfaktor für gesellige Trashfilm-Abende ab.
Für die junge Regisseurin Audrey Cummings tut es mir wirklich sehr leid und ich hoffe, dass sie in den folgenden Projekten die Möglichkeit hat, ihre visionären Ambitionen vollends in entsprechende Resultate münden zu lassen, denn BERKSHIRE COUNTY spiegelt nicht im Entferntesten das wider, was wir uns als Zuschauer von diesem doch noch sehr jungen Talent des kanadischen Horrorfilms erhoffen können.
So bleibt BERKSHIRE COUNTY eher als wenig bluttriefender Rezeptionsversuch von KEVIN – ALLEIN ZU HAUS in Erinnerung. Allerdings ohne Kevin. Und ohne Unterhaltung. Dafür aber kürzer.
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Berkshire County, Kanada 2014, R: Audrey Cummings, D: Alysa King, Samora Smallwood, Bart Rochon, Aaron Chartrand, Madison Ferguson
Anbieter: Mad Dimension