Von Matthias Künnecke
„Die Geschichte von Cleopatra, Cäsar und Antonius als pornographisch angehauchter Zeichentrickfilm aus Japan“, urteilte der Film-Dienst 1972, als der Anime-Film „Kureopatora“ mit zwei Jahren Verspätung in die deutschen Kinos kam. Dem kann man rein faktisch nicht widersprechen, wohl aber einem weiteren Zitat aus der damaligen Filmbesprechung, das falscher nicht sein könnte: „Langweilig gezeichnet, nicht gerade mit Esprit gesegnet.“ Das Gegenteil ist richtig, der Film ist ein Füllhorn verschiedenster Trickfilmstile und -techniken, und auch dramaturgisch stößt der Film den Zuschauer in ein Wechselbad von albernem Slap-stick über mal mehr mal weniger drastische Erotik bis hin zu für einen Trickfilm recht düsteren und zuweilen brutalen Momenten.
Um den Film in seiner Gesamtheit angemessen beurteilen zu können sollte man wissen, dass die außerhalb Japans herausgebrachten Fassungen um eine ca. 15-minütige Science-Fiction-Rahmenhandlung gekürzt wurden. Im Original beginnt der Film auf der Erde der Zukunft. Einer Gruppe Astronauten wird erklärt, dass ein feindlicher Planet danach trachtet, die Menschen mit der sogenannten „Cleopatra-Taktik“ anzugreifen. Um diese Taktik der Kriegsführung genauer zu erforschen, werden die Astronauten per mentaler Zeitreise ins alte Ägypten gesandt, wo sich die Handlung des Filmes entspinnt, die dann auch das deutsche Publikum miterleben durfte. Die Science-Fiction-Szenen waren gestalterisch extravagant gehalten, es handelte sich um eine Kombination aus Real- und Trickfilm: in echten, futuristischen Sets gefilmten Schauspielern wurden gezeichnete Trickfilmköpfe „aufgesetzt“. Nach einem derart exaltierten Intro war das japanische Publikum somit auf den folgenden stilistisch exzentrischen Cleopatra-Trickfilm bestens vorbereitet, das deutsche dürfte dagegen recht überrascht gewesen sein.
Der legendäre Anime-Begründer Osamu Tezuka, der so berühmte Figuren wie den weisen Löwen „Kimba“ und „Astro Boy“ erfand, trachtete zusammen mit Co-Regisseur Eiichi Yamamoto danach, den japanischen Animationsfilm auch für Erwachsene zu erschließen, schließlich lasen ja auch volljährige Landsleute die in großer Auflage erscheinenden Manga-Hefte. „Kureopatora“ wurde in Japan allerdings ein finanzieller Flop, der der Karriere Tezukas einen empfindlichen Dämpfer verpasste. Um wenigstens einen Teil der Produktionskosten wieder hereinzuholen, wurde der Film in die USA lizensiert, wo er mit einem selbstverliehenen X-Rated-Zertifikat als „first Sex-Cartoon“ unter dem Titel „Cleopatra: Queen of Sex“ in die Kinos kam. In Deutschland orientierte sich der hiesige Verleih dagegen eher am erfolgreich gelaufenen Trickfilm „Asterix und Kleopatra“ und titelte „Cleo und die tollen Römer“. Dass bei der FSK-16-Freigabe der größte Teil des Asterix-Publikums draußen bleiben musste, dürfte das Einspielergebnis allerdings negativ beeinflusst haben.
Ein Vergnügen ist „Cleo und die tollen Römer“ heutzutage sicher am ehesten für Kino- und Comic-Nostalgiker. Für ein junges Publikum dürfte er durch seinen durch seinen episodischen Charakter eher schwer zu konsumieren sein, und auch nicht alle Witze treffen heute noch ins Schwarze. Für Freunde handgemachter, überbordend kreativer Animationskunst ist der Film allerdings ein visuelles Festmahl. Während der größte Teil des Filmes im klassischen Anime-Stil gehalten ist, wechselt er zwischendurch immer wieder auch in andere Ästhetiken wie Pop-Art-Sequenzen, Zitate von Gemälden alter Meister und amerikanischem Cartoon-Stil, unterstützt von einer Filmmusik, die ebenfalls zwischen dramatisch Orchestralem und Pop und Jazz pendelt. Die sehr frei interpretierte Geschichte der politischen Affäre von Cäsar und Kleopatra und den Personen um sie herum wird immer auf erotische Motive zurückgeführt, die teilweise recht drastisch ausfallen und mit nur ansatzweise verklausulierten Japan-typischen Elementen wie Bondage und Vergewaltigung gewürzt werden. Die hochwertige deutsche Synchronisation mit Spitzensprechern jener Zeit verleiht dem Film allerdings immer eine Hochwertigkeit, der ihm insgesamt zu Gute kommt.
MMB-TV brachte den Film jetzt in seiner „Kino Trival“-Reihe heraus, ohne die o.g. Rahmenhandlung, und von einer deutschen Kinorolle erstmals in voller Cinemascope-Pracht abgetastet. Bei den Aktwechseln gibt es dabei hin und wieder Verschmutzungen und auch dann und wann kleinere Tonsprünge, generell ist die Bild- und Tonqualität aber als sehr gut einzustufen. Neben dem deutschen Trailer finden sich unter den Extras zwei „Kulturfilme“, von denen der eine, eine Dokumentation von 1982 über die japanische Manga-Industrie, für Fans des Genres sehr interessantes Material beinhaltet. Der andere Film stammt aus den 1960er Jahren und dokumentiert die Rettung ägyptischer Baudenkmäler vor Überflutung durch einen Kanalbau. Das hat zwar wenig mit dem Hauptfilm auf der DVD zu tun, macht aber durch altmodische Gestaltung und Tricksequenzen ebenfalls nostalgischen Spaß. Ein Beileger mit einem kurzen aber informativen Text von Dr. Rolf Giesen rundet das empfehlenswerte Gesamtpaket ab.
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Kureopatora, Japan 1970, Regie: Osamu Tezuka, Eiichi Yamamoto, Deutsche Stimmen: Traudel Haas, Max Eckard, Jürgen Thormann, Tilly Lauenstein, Michael Chevalier u.a.
Anbieter: MMB-TV