Simon und Robyn Callem ziehen in einen Vorort von L.A., wo Simon einen neuen Job angenommen hat. Beim Einkaufen fürs neue Heim treffen sie Simons ehemaligen Mitschüler Gordon „Gordo“ Mosley. Kurz darauf beginnt Gordo kleine Geschenke zu hinterlassen und unangemeldete Besuche zu machen, was Simon und Robyn zunehmend unangenehm wird. Bei einer Einladung in Gordos elegantes Luxushaus eskaliert die Situation und Simon verlangt von Gordo, sich zukünftig von Robyn und ihm fernzuhalten. Am Tag darauf sind alle Fische im Gartenteich tot und der Hund ist verschwunden. Damit beginnt eine Spirale der Angst, die zu überraschenden Offenbarungen führt und deren Ursprung in der gemeinsamen Schulzeit von Gordo und Simon zu liegen scheint. Da Simon auf ihre Fragen zur Vergangenheit nur ausweichend reagiert, macht sich die inzwischen schwangere Robyn auf eigene Faust auf die Suche nach Antworten…
Das Regiedebüt von Joel Edgerton (LOVING, WARRIOR, ZERO DARK THIRTY) könnte der typische „Stalker von nebenan“-Thriller sein, der in unzähligen Variationen in jeder Videothek (oder heutzutage in der Netflix-Queue) zu finden ist. Davon ist er aber recht weit entfernt, hat Allrounder Edgerton doch neben Regie, Produktion und zweiter Hauptrolle auch noch das ziemlich clevere und überraschende Drehbuch geschrieben, bei dem das zigfach erprobte Handlungsgerüst nach der Hälfte der Laufzeit kurzerhand auf links gedreht und dem geneigten Thrillerexperten der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Edgerton unterwandert geschickt die Erwartungen und stellt nebenbei teils unbequeme Fragen darüber, wann man jemanden wirklich kennt, wem man echtes Vertrauen schenken kann, welche Leichen im Keller irgendwann wieder ans Licht kommen und welche Folgen Streiche aus der Jugend für das spätere Leben haben können.
Neben der klug konstruierten Geschichte hat das tolle Darstellertrio großen Anteil am Gelingen des Films. Hauptdarsteller Jason Bateman, den man hierzulande überwiegend als trockenhumorigen Teil diverser Ensemble-Komödien kennt, offenbart hier im Kampf um seine Familie eine unerwartet düstere Seite. Dass Bateman auch „ernst“ kann, hat er allerdings auch schon in STATE OF PLAY, THE KINGDOM oder seiner aktuellen Netflix-Serie OZARK bewiesen. Die wie immer großartige Rebecca Hall steigert subtil das zunehmende Misstrauen gegenüber ihrem Mann und dessen tatsächlicher Vergangenheit mit Gordo. Joel Edgerton selbst gibt einen erstklassigen Psycho, den man eher bemitleidet und dessen Schicksal im Laufe des Films eine tragische Komponente erhält, die in manchen Gegenden der Welt nicht weit weg ist von der heutigen Realität. Auch als Regisseur und Autor überzeugt Edgerton mit einem schlauen Drehbuch und einer sicheren Hand bei der Inszenierung. Als Produzent hat er bereits Erfahrung, da der zusammen mit seinem Bruder Nash die australische Produktionsfirma Blue-Tongue Films (ANIMAL KINGDOM, THE ROVER) betreibt.
Mit diesem kleinen feinen Thriller beweist Produzent Jason Blum erneut sein Gespür für gute Stoffe. Blum hat für seine Firma Blumhouse Productions mit seinen Low Budget Filmen, maximal fünf Millionen Dollar Produktionskosten, in den vergangenen Jahren erstaunliche Erfolge in Serie produziert, angefangen von PARANORMAL ACTIVITY über INSIDIOUS, SINISTER, THE CONJURING, THE PURGE bis zu den letzten beiden Werken von M. Night Shyamalan (THE VISIT SPLIT) und dem Überraschungshit GET OUT.
Offenbar bewahrheitet sich hier das Motto, dass bei geringen Budgets mehr Kreativität entsteht. Und die oft überraschend prominenten Besetzungen seiner Produktionen scheinen ebenfalls zu zeigen, dass gute Darsteller gute Rollen auch bei geringer Bezahlung zu schätzen wissen.
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The Gift, USA 2015 | Regie: Joel Edgerton | Darsteller: Jason Bateman, Rebecca Hall, Joel Edgerton, Allison Tolman, Tim Griffin, Busy Philipps u.a.
Anbieter: Paramount