Selten hat das deutsche Fernsehen die Vorabendunterhaltung mit so viel Verve eingeläutet – HAMBURG TRANSIT beginnt mit einem Titelvorspann, der noch heute mächtig Power hat. Mit seinen schnellen Schnitten, poppigen Farbverfremdungen, übereinandergelegten Bildverdreifachungen, geschichteten Invertierungseffekten, rotierenden Stadtansichten, herumsausenden Verkehrsmitteln und in Signalgelb aufzoomenden Titellettern wirkt er fast wie eine bundesdeutsche Version des HAWAII FÜNF-NULL-Openers (1968-1980). Zu Lande, zu Wasser und durch die Lüfte strömen die Menschen, Existenzen und Schicksale in „Das Tor zur Welt“, die Hafenstadt mit Herz, die Metropole mit gepflegtem Understatement. Träume und Tragik, Verbrechen und Verlieben, Rotherbaum und Reeperbahn – in Hamburg liegen die Extreme oft nur Straßenecken voneinander entfernt, ganz gleich, ob man hier wohnt oder nur auf der Durchreise ein paar Stunden Aufenthalt hat.
Auch die dritte Staffel bietet zahlreiche Gaststars, deren Aufzählung sich wie ein Who’s Who der beliebtesten Schauspieler jener Zeit liest: Karl-Otto Alberty, Dagmar Berghoff, Katharina Brauren, Uwe Dallmeier, Götz George, Ralf Gregan, Brigitte Grothum, Edgar Hoppe, Käte Jaenicke, Günter Lamprecht, Christiane Maybach, Gunnar Möller, Franziska Oehme, Kurd Pieritz, Hans Schellbach, Nikolaus Schilling, Rolf Schimpf, Willy Semmelrogge oder Lilith Ungerer – sie alle geben sich hier ein Stelldichein. Für Fans deutscher Sychronbearbeitungen ist es zudem eine große Freude, sonst eher durch ihre Stimme bekannte Akteure wie Kathrin Ackermann, Heinz Theo Branding, Ulrich Gressieker, Ingeburg Kanstein, Gottfried Kramer, Gunther Malzacher, Hans-Georg Panczak oder Peter Schiff in raren Auftritten vor der Kamera zu erleben.
Auch bei den Geschichten standen für HAMBURG TRANSIT hervorragende Autoren parat, die sich an spannungsreichen Themen wie Vergiftungsuntat, Fundunterschlagung, Schwarzbrennerei, Suizid, Pelzschmuggel, Bombenattentat, Giftmüllverknappung, Hochstapelei, Drogenhandel, Diamantenraub, Gefängnisausbruch, Schließfachdiebstahl und Veruntreuung abarbeiteten. Irene Rodrian, die die meisten Drehbücher zur Serie schrieb, war eine der ersten deutschen Krimiautorinnen und erlangte damals über den Rowohlt-Verlag große Bekanntheit. Jürgen Knop, der Roger Fritz‘ Meisterstück MÄDCHEN MIT GEWALT (1969) mitgescriptet hatte, lieferte ebenso Geschichten wie Hansjörg Martin, Miterfinder des ‚neuen deutschen Kriminalromans‘ und Vielschreiber von rororo-Thrillern. Grimme-Preisträger Herbert Lichtenfeld schließlich hatte mit Kommissar Finke gerade einen populären TATORT-Kommissar (1971-1978) erfunden und verfasste später familientaugliche Seriendauerbrenner wie DIE SCHWARZWALDKLINIK (1984-1988) oder DER LANDARZT (1986-1997).
Nachdem die vor einigen Jahren erschienene, ursprüngliche Auflage nur noch zu heftigen Sammlerpreisen den glücklichen Besitzer wechselt, hat dankenswerterweise Pidax vor einiger Zeit HAMBURG TRANSIT im platzsparenden Format und mit nutzerfreundlichem Wendecover neu veröffentlicht. Auf sieben DVDs sind alle 52 Folgen der Serie untergebracht, wobei die Qualität der auf Film im Vollbildformat gedrehten Episoden als durchgängig gut bezeichnet werden kann und in farbenfroher Pracht, frei von großen Unsauberkeiten zu genießen ist. Der deutsche Ton in klarem Mono garantiert über 1200 Minuten spannende, abwechslungsreiche und höchst unterhaltsame Kriminalspannung von der Waterkant. Sie entführt einen in die große, weite Welt im Kleinen, in den Szenekiez der Freien und Hansestadt Hamburg – in den wohligen und stets charmant reizvollen Trubel einer Zeit, die unsere mittlerweile gnädig betrachtete und mit etwas goldener Patina versehene, eigene Vergangenheit ist. Ahoi!
Hamburg Transit (3. Staffel) | D 1972/1973 | Regie: Claus Peter Witt/Dieter Wedel/Diethardt Klante/Rainer Söhnlein/Dieter Schlotterbeck/Wolf Erlend Rosenberg | Darsteller: Karl-Heinz Hess, Eckart Dux, Christiane Maybach, Götz George, Gunnar Möller, Brigitte Grothum u.a.
Anbieter: Pidax