Selten hat das deutsche Fernsehen die Vorabendunterhaltung mit so viel Verve eingeläutet – HAMBURG TRANSIT beginnt mit einem Titelvorspann, der noch heute mächtig Power hat. Mit seinen schnellen Schnitten, poppigen Farbverfremdungen, übereinandergelegten Bildverdreifachungen, geschichteten Invertierungseffekten, rotierenden Stadtansichten, herumsausenden Verkehrsmitteln und in Signalgelb aufzoomenden Titellettern wirkt er fast wie eine bundesdeutsche Version des HAWAII FÜNF-NULL-Openers (1968-1980). Zu Lande, zu Wasser und durch die Lüfte strömen die Menschen, Existenzen und Schicksale in „Das Tor zur Welt“, die Hafenstadt mit Herz, die Metropole mit gepflegtem Understatement. Träume und Tragik, Verbrechen und Verlieben, Rotherbaum und Reeperbahn – in Hamburg liegen die Extreme oft nur Straßenecken voneinander entfernt, ganz gleich, ob man hier wohnt oder nur auf der Durchreise ein paar Stunden Aufenthalt hat.
Auch die vierte Staffel bietet zahlreiche Gaststars, deren Aufzählung sich wie ein Who’s Who der beliebtesten Schauspieler jener Zeit liest: Katharina Brauren, Gernot Endemann, Dieter Eppler, Jan Fedder, Wera Frydtberg, Liane Hielscher, Kurt Jaggberg, Horst Janson, Anita Kupsch, Michaela May, Günter Meisner, Paul Neuhaus, Horst Michael Neutze, Kurd Pieritz, Xenia Pörtner, Ewa Strömberg oder Karl-Michael Vogler – sie alle geben sich hier ein Stelldichein. Für Fans deutscher Sychronbearbeitungen ist es zudem eine große Freude, sonst eher durch ihre Stimme bekannte Akteure wie Gerd Duwner, Mathias Einert, Gert Günther Hoffmann, Manfred Reddemann oder Andreas von der Meden in raren Auftritten vor der Kamera zu erleben.
Auch bei den Geschichten standen für HAMBURG TRANSIT hervorragende Autoren parat, die sich an spannungsreichen Themen wie Bodyguardtätigkeit, Erpressung, Versicherungsbetrug, Patentspionage, Einbruchvergehen, Postraub, Trampertum, Kunstdiebstahl, Beweismittelvernichtung, Bandenkriminalität, Investmentspekulationen und Schwarzarbeit abarbeiteten. Irene Rodrian, die die meisten Drehbücher zur Serie schrieb, war eine der ersten deutschen Krimiautorinnen und erlangte damals über den Rowohlt-Verlag große Bekanntheit. Jürgen Knop, der Roger Fritz‘ Meisterstück MÄDCHEN MIT GEWALT (1969) mitgescriptet hatte, lieferte ebenso Geschichten wie Friedhelm Werremeier, dessen Feder mit Trimmel der erste TATORT-Kommissar (1970 – 1982) entstammte. Grimme-Preisträger Herbert Lichtenfeld schließlich hatte mit Finke gerade einen populären TATORT-Kommissar (1971-1978) erfunden und verfasste später familientaugliche Seriendauerbrenner wie DIE SCHWARZWALDKLINIK (1984-1988) oder DER LANDARZT (1986-1997).
HAMBURG TRANSIT ist für Nostalgiker, Kenner, Liebhaber und Interessierte eine wahre Fundgrube und Gelegenheit, die damaligen Szenerien mit den heutigen Gegebenheiten abzugleichen und dabei festzustellen, wieviel sich doch in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Außerdem sind die kurzweiligen Episoden hervorragendes Zeit- und Lokalkolorit in hochdosierter Form. Sie stammen aus einer Welt, in der sich Ernie aus der SESAMSTRASSE und Barney Geröllheimer ein Büro im Berliner Europa-Center teilten, die „Wappen von Hamburg“ noch den täglichen Helgoland-Dienst absolvierte, man völlig selbstverständlich mit Tonbandmaschinen hantierte und der spätere Volksschauspieler Jan Fedder die Haare schulterlang trug.
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Hamburg Transit (4. Staffel) | D 1973/1974 | Regie: Hermann Leitner | Darsteller: Karl-Heinz Hess, Eckart Dux, Anita Kupsch, Horst Janson, Jan Fedder, Michaela May u.a.
Anbieter: Pidax