Selten hat das deutsche Fernsehen die Vorabendunterhaltung mit so viel Verve eingeläutet – HAMBURG TRANSIT beginnt mit einem Titelvorspann, der noch heute mächtig Power hat. Mit seinen schnellen Schnitten, poppigen Farbverfremdungen, übereinandergelegten Bildverdreifachungen, geschichteten Invertierungseffekten, rotierenden Stadtansichten, herumsausenden Verkehrsmitteln und in Signalgelb aufzoomenden Titellettern wirkt er fast wie eine bundesdeutsche Version des HAWAII FÜNF-NULL-Openers (1968-1980). Zu Lande, zu Wasser und durch die Lüfte strömen die Menschen, Existenzen und Schicksale in „Das Tor zur Welt“, die Hafenstadt mit Herz, die Metropole mit gepflegtem Understatement. Träume und Tragik, Verbrechen und Verlieben, Rotherbaum und Reeperbahn – in Hamburg liegen die Extreme oft nur Straßenecken voneinander entfernt, ganz gleich, ob man hier wohnt oder nur auf der Durchreise ein paar Stunden Aufenthalt hat.
Die erste Staffel bietet außerdem zahlreiche Gaststars, deren Aufzählung sich wie ein Who’s Who der beliebtesten Schauspieler jener Zeit liest: Gunter Beth, Folker Bohnet, Charles Brauer, Arthur Brauss, Werner Bruhns, Dirk Dautzenberg, Karl Walter Diess, Gert Günther Hoffmann, Ida Krottendorf, Günter Lamprecht, Inge Langen, Lotte Ledl, Paul Neuhaus, Franziska Oehme, Hans Paetsch, Sieghardt Rupp, Manfred Spies, Judy Winter oder Klausjürgen Wussow – sie alle geben sich hier ein Stelldichein. Für Fans deutscher Sychronbearbeitungen ist es zudem eine große Freude, sonst eher durch ihre Stimme bekannte Akteure wie Werner Abrolat, Friedrich Georg Beckhaus, Harald Dietl, Peter Kirchberger, Gottfried Kramer, Katharina Lopinski, Friedhelm Ptok, Christian Rode oder Andreas von der Meden in raren Auftritten vor der Kamera zu erleben.
Hinter der Kamera setzte Trebitsch indes auf Kontinuität und verpflichtete mit Hermann Leitner einen seiner bewährten und versierten Stammregisseure. Leitner hatte im Alleingang die komplette Vorgängerserie POLIZEIFUNK RUFT mit 52 Folgen inszeniert; lediglich bei den sieben im Ausland gedrehten Episoden assistierte er nur dem französischen resp. japanischen Kollegen. Kameramann Hans Jura, der für DIE ENDLOSE NACHT (1963) und KENNWORT: REIHER (1964) jeweils ein Filmband in Gold erhalten hatte, fand passende Optiken und angenehme Wechsel zwischen statisch ausgewogenen Bildmontagen und kraftvoll wendigen Handkamerasequenzen. Harald Winkler schließlich, der nicht nur das temporeiche, signalartig-fanfarenhafte und in Bläsern wie Streichern energische Titelthema schrieb, sondern auch die Episodenscores für die erste Staffel beisteuerte, verdingte sich ansonsten als umtriebiger Sessionmusiker und gutgelaunter Stargitarrist im Orchester des ZDF-Bandleaders Max Greger. Bedauerlicherweise blieben Winklers abwechslungsreiche Soundtracks für HAMBURG TRANSIT kommerziell unveröffentlicht; lediglich einige Titel wie „Sunrise On The Ranch“ oder die „Three Crimes“-Piecen gelangten auf Library-Platten des Chappell-Musikverlages zur Bemusterung an Fernseh- und Rundfunkanstalten.
HAMBURG TRANSIT ist für Nostalgiker, Kenner, Liebhaber und Interessierte eine wahre Fundgrube und Gelegenheit, die damaligen Szenerien mit den heutigen Gegebenheiten abzugleichen und dabei festzustellen, wieviel sich doch in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Außerdem sind die kurzweiligen Episoden hervorragendes Zeit- und Lokalkolorit in hochdosierter Form. Sie stammen aus einer Welt, in der man sich in der Nachmittagsvorstellung im Kino FRANKENSTEIN SCHUF EIN WEIB (1967) ansehen konnte, in der in den Geschäften die Registrierkassen ratterten, man zum Telefonieren einen öffentlichen Münzfernsprecher aufsuchen musste oder es für jeden Besucher in Hamburg-Hauptbahnhof einer Bahnsteigkarte bedurfte.
___________________________________________________________________
Hamburg Transit (1. Staffel) | D 1970/1971 | Regie: Hermann Leitner | Darsteller: Karl-Heinz Hess, Eckart Dux, Judy Winter, Sieghardt Rupp, Gert Günther Hoffmann, Klausjürgen Wussow u.a.
Anbieter: Pidax