Kille, kille, kille.

Der sechzehnjährige Tyler Burnside (Charlie Plummer) lebt mit seiner sehr gläubigen Familie in der kleinen Stadt Clarksville, Kentucky. Die Stadt leidet unter der Erinnerung an den Clovehitch Killer, einen brutalen Serienmörder, der zehn Jahre zuvor mindestens zehn Frauen gefoltert und getötet hat. Seinen Namen verdankt der Killer einem „Clovehitch“ genannten Seemannsknoten, den er an allen Tatorten hinterließ. Tyler nimmt sich eines Nachts heimlich den Pickup seines Vaters Don (Dylan McDermott), um ein Mädchen zu treffen. Kurz bevor es zur Sache gehen soll, findet Amy (Emma Jones) zwischen den Sitzen ein zerknittertes Foto aus einem Bondagemagazin. Tyler beteuert zwar, dass es nicht sein Foto sei, aber die Nachricht verbreitet sich schnell unter seinen Schulkameraden und Mitgliedern seiner Pfadfindergruppe, die ihn fortan als Perversling ansehen. Selbst die wegen verschiedener Gerüchte und ihres übermäßigen Interesses an den Serienmoden weitgehend aus der Gemeinschaft ausgeschlossene Kassi (Madisen Beaty) bekommt Wind von dem Foto. Tyler beginnt sich zu fragen, wie das Foto in den Truck seines Vaters gelangt ist. Also besinnt er sich auf seine Scout-Fähigkeiten und schnüffelt seinem Vater hinterher. In dessen stets verschlossenen Schuppen findet er ein Versteck voller Bondage-Magazine und ein Polaroid einer gefesselten Frau. Langsam keimt in ihm der Verdacht, dass sein Vater der Clovehitch Killer sein könnte oder zumindest mit ihm in Verbindung stehen könnte…

Cover CLOVE Duncan Skiles liefert in seinem ersten Kinofilm einen ungewöhnlichen Beitrag zum Serienkillergenre ab. Dabei erscheint das erste Drittel des Films mitunter wie eine Parodie sämtlicher Bibelgürtelklischees der Südstaaten. So werden hier die Einheit der Familie, Kirche, Glaube, Boy Scouts und eine generelle Verklemmtheit beim Thema Sex im Vorbeigehen thematisiert. Die Tatsache, dass eine kleine Gemeinde überall Augen und Ohren hat, führt hier exemplarisch dazu, dass jeder eine Fassade für die Gemeinschaft entwickelt hat. So gibt es einen ungeouteten schwulen Pfadfinder, der Tyler besonders nachdrücklich wegen des Bondagefotos verurteilt und wer nicht in die Kirche geht, fällt ebenfalls schnell auf. Vater Don spielt jedem florierende Geschäfte seiner Dachdeckerfirma vor, obwohl ihm eigentlich das Wasser bis zum Hals steht und Mutter Cindy (Samantha Mathis) lächelt alle Probleme weg.

Skiles und sein Autor Christopher Ford (COP CAR, SPIDER-MAN: HOMECOMING) machen früh klar, dass Don sich der Schnüffelei seines Sohnes bewusst ist. Das macht folgende gemeinsame Aktivitäten wie ein Familienessen zusammen mit Kassi, einen gemeinsamen Campingtrip oder ein Gespräch „von Mann zu Mann“ („Ich war auch mal 16!“) unterschwellig bedrohlich. Dons oberflächlich gutmütiges Verhalten erscheint nach und nach immer unechter und macht ihn zu einem idealen Verdächtigen, auch wenn Tyler sich an jedem Strohhalm von Theorie festhält, der die Unschuld des Vaters beweisen könnte. Doch die scheinbare Frömmigkeit erweist sich, wie so häufig, nur als praktische Fassade, hinter der sich allerhand unchristliche Tiefen auftun.

CLOVE 03 Dylan McDermott verkörpert Don mit einer wunderbar schmierigen Mischung aus Fröhlichkeit, kumpelhaftem Gehabe und einer ordentlichen Dosis bedrohlicher Selbstverleugnung, während Charlie Plummer überzeugend seinen inneren Konflikt aufgrund des Misstrauens gegenüber seinem Vater zum Ausdruck bringt. Ein weiteres Highlight ist Madisen Beaty als Kassi, deren Freigeist anderswo vielleicht gar nicht bemerkenswert wäre, in diesem streng konservativen Umfeld aber auffällt wie eine Regenbogenfahne im republikanischen Vorgarten.

Trotz vorhandener Laptops und Handys suggerieren die Bilder von DP Luke McCoubrey eine 1970er-Jahre-Stimmung, was vielleicht vermitteln soll, dass man hier eher in und für die Vergangenheit, denn für die Zukunft lebt. Regisseur Skiles lässt sich Zeit mit der Entwicklung der Geschichte, so dass der Film erst in der zweiten Hälfte wirklich Fahrt aufnimmt. Im Gegensatz zu ähnlich gelagerten Filmen wie z.B. STEPFATHER, setzt sein stiller Thriller mehr auf die Charaktere, denn auf den Showeffekt. Er zeigt die Banalität des Bösen in dieser Kleinstadt, die eigentlich armselige und lächerliche Figur, die sich mit den Morden an wehrlosen Frauen selbst aus ihrem banalen Alltag erhöht.

CLOVE 02 Hier und da wird die Glaubwürdigkeit etwas überstrapaziert, wenn z.B. an wenigstens zwei Stellen im Film der Durchschnittsmensch die Polizei gerufen und die Cops ihren Job hätte machen lassen. Und ob man mit seinem Vater zum Campen fährt, wenn man ihn für einen Serienkiller hält, möchte ich ebenfalls zumindest kritisch anmerken. Aber darüber darf man getrost hinwegsehen, denn insgesamt ist der Film eine zwar unspektakuläre, aber erfrischende Abwechslung von der üblichen Schlachteplatte mit blutigem Showdown. Eine weitgehend clever durchdachte Geschichte, gute Darstellerleistungen und ein atmosphärisches Setting, sowie ein überraschend konstruiertes Ende belohnen für die in der ersten Hälfte aufzubringende Geduld.

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The Clovehitch Killer | USA 2018 | Regie: Duncan Skiles | Darsteller: Dylan McDermott, Charlie Plummer, Samatha Mathis, Madisen Beaty, Brenna Sherman, Lance Chantiles-Wertz, Emma Jones u.a.

Anbieter: Concorde