Horrorhäuser sind hierzulande noch keine sonderlich verbreitete Variante der alten Geisterbahn. In den USA hingegen findet man davon quer durchs Land eine ganze Menge, die mehr oder minder aufwändig ihre Besucher beim Gang durch das gruselige Labyrinth das Fürchten lehren wollen. Besonders rund um Halloween sind diese Häuser sehr beliebt. Was wäre aber, wenn die Betreiber gar nicht die Absicht hätten, ihre Besucher nur zu erschrecken und der ganze Grusel sich als Realität entpuppte? Genau das passiert unseren Protagonisten in diesem überraschend cleveren und stilvoll-kreativen Horrorfilm, den sich Scott Beck und Bryan Woods ausgedacht haben. Bekannt sind beide durch ihr zusammen mit John Krasinski geschriebenes Drehbuch zum Horror-Blockbuster A QUIET PLACE. Damit erschöpfen sich aber auch schon die Gemeinsamkeiten beider Filme, trotz mancher ähnlich klaustrophobisch angelegter Szene. Im Gegensatz zu A QUIET PLACE handelt es sich bei HAUNT mehr um eine Mischung aus SAW, THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE und HOSTEL, dessen Regisseur Eli Roth hier als Produzent fungiert. Passend zu Halloween befinden wir uns im US-Staat Illinois, allerdings nicht im berüchtigten Haddonfield, sondern in Carbondale. Das ist für unsere Helden allerdings kein Vorteil…
Harper (Katie Stevens) überschminkt das Veilchen, das an die letzte Begegnung mit ihrem handgreiflichen Freund Sam erinnert und hat eigentlich gar keine Lust, sich ihrer Freundin Bailey (Lauryn Alisa McClain) für den Besuch einer Halloween-Party anzuschließen. Aber Bailey lässt nicht locker. An der Bar treffen sie auf die Klassenkameraden Nathan (Will Brittain) und Evan (Andrew Lewis Caldwell) die vorschlagen, stattdessen ein Horrorhaus zu besuchen. Nach kurzem Zögern willigt auch Harper ein und kurze Zeit später steht sie zusammen mit Nathan, Bailey, Evan und den Freundinnen Angela (Shazi Raja) und Mallory (Schuyler Helford) vor dem einsam gelegenen Horrorhaus. Ein stummer Clown lässt sie Formulare mit Haftungsausschlüssen lesen und unterschreiben, beschlagnahmt ihre Handys und lässt die Gruppe dann eintreten. Ist es nicht merkwürdig, dass kein Eintritt gezahlt werden muss? Kann hier vielleicht irgendwas falsch laufen? Es dauert eine Weile, bis Harper und ihre Freunde erkennen, dass sie hier keinen Spaß zu erwarten haben. Erst als Mallory verschwindet und Bailey eine ernste Verletzung erleidet, dämmert ihnen, dass sie in einer ausgeklügelten Falle sitzen. Ohne ihre Handys können sie keine Hilfe rufen, also versuchen sie, einen Ausweg aus dem Horrorhaus zu finden. So weit so bekannt…
Natürlich dürfen auch hier die klassischen Horrorfilmfehler nicht fehlen, wie sich zu trennen, wenn man zusammen bleiben sollte, aber Beck und Woods leisten sich nur ein Minimum dieser Augenroller-Momente und scheinen sich eher bewusst einen Spaß aus diesen Klischees zu machen. Außerdem haben sie für den Rest des Films noch allerhand unangenehme Überraschungen parat. Dabei verzichten sie weitgehend auf plumpe Jump-Scares und weiden sich auch nicht an den blutigeren Momenten. Nein, sie setzen lieber auf Atmosphäre, Spannung und die emotionale Verbindung der Zuschauer zu den nicht immer sympathischen, aber realistisch portraitierten Charakteren. Hier punkten besonders Katie Stevens und Will Brittain mit sehr überzeugenden Darbietungen. Einige Rückblenden in Harpers Kindheit erklären ihr heutiges Verhalten und warum sie an einen prügelnden Freund geraten ist. Nathan dagegen wirkt anfänglich wie ein typischer mittelintelligenter Highschool-Sportler, erweist sich im Verlauf des Films aber als unverzichtbarer und einfallsreicher Helfer in der Not.
Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt das Produktionsdesign des Horrorhauses. Hier hat Austin Gorg (DOCTOR SLEEP’S ERWACHEN) ein wunderbar verschachteltes Labyrinth geschaffen, dass einen gewollten „Baumarkt“-Charakter hat und somit viel glaubwürdiger und effektiver daherkommt, als z.B. die Hochglanzkulissen aus ESCAPE ROOM. Ryan Samuls (COLD IN JULY) Kamera gleitet dabei flüssig, aber nie hektisch durch die gespenstische, bewusst hässlich ausgeleuchtete Szenerie. Entsprechend hat Cutter Terel Gibson (READY OR NO) die Bilder auch in ruhigem Tempo montiert.
Trotz thematischer Ähnlichkeit, könnten HAUNT und der kürzlich von mir besprochene HELL FEST qualitativ kaum weiter auseinander liegen. Hat sich HELL FEST als allenfalls optisch ansprechender Langweiler ohne einen Funken Originalität erwiesen, so zeigt HAUNT ganz klar, dass trotz begrenzter Mittel und beschränktem Schauplatz auch aus vermeintlich alten Hüten noch allerhand Überraschungen gezaubert werden können…und das eine Horrormaske manchmal weniger schlimm ist als das, was sie verdeckt. Eine sehr positive Überraschung.
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Haunt | USA 2019 | Regie: Scott Beck, Bryan Woods | Darsteller: Katie Stevens, Will Brittain, Lauryn Alisa McClain, Andrew Lewis Caldwell, Shazi Raja u.a.
Anbieter: Splendid Film