Für 80s Action ist man nie zu alt. Von Michael Hille

Im Jahr 1986 erfuhr der junge Filmstudent Shane Black von einem Trick unter Polizisten, der sogenannten „Psycho-Pension“. Hierbei simuliert ein Beamter psychische Probleme, um bezahlten Urlaub und eine Auszeit vom Dienst verordnet zu bekommen. Black hatte sofort einen Gedanken: „Was, wenn da ein Cop wäre, von dem alle denken, er wolle die ‚Psycho-Pension‘ – der aber wirklich psychopathisch ist?“ Er arbeitete die Idee aus und schrieb nicht nur sein erstes richtiges Drehbuch, sondern auch Filmgeschichte, als er dem verrückten Polizisten einen regeltreuen Partner an die Seite stellte. Das fertige Duo kennt heute jeder Filmfan – nicht unter dem deutschen Titel ZWEI STAHLHARTE PROFIS, sondern unter dem originalen LETHAL WEAPON.

Mit dem Film revolutionierten Shane Black und Regisseur Richard Donner, der schon Klassiker wie SUPERMAN oder DIE GOONIES auf dem Kerbholz hatte, das Actiongenre. Dominierten bis dato muskelbepackte Alphamänner das Kino der Ära unter Präsident Ronald Reagan, unterschied LETHAL WEAPON sich durch verletzbare Protagonisten. Beide werden – symbolträchtig – nackt eingeführt: Der Polizist Roger Murtaugh sitzt in der Badewanne, als seine Familie ihm dort zum 50. Geburtstag gratuliert. Während er seinen grauen Bart abtastet, wird er vom Töchterlein durch die Blume als altes Eisen bezeichnet. Den verrückten Cop Martin Riggs lernen die Zuschauer in seinem Wohnwagen am Strand kennen. Mit Zigarette im Mund, dem Gemächt in der Hand und dem Bier in greifbarer Nähe wird er beim Urinieren gezeigt. Er ist ein einsamer Wolf, der sichtbar mit dem Leben abgeschlossen hat.

Bereits hier unterscheidet sich LETHAL WEAPON vom Genre-Standard seiner Zeit. Martin Riggs ist ein Revolverheld, jene Figur, die im Männerkino oft idealisiert und romantisiert wird – spätestens seit DIRTY HARRY, der 1971 in Gestalt von Clint Eastwood zur Legende wurde. Shane Black zählt den Film zu seinen Lieblingen. Sein Martin Riggs teilt viele Parallelen mit Harry Callahan: Beide sind Ex-Militärs von hohem Renommee, beide arbeiten außerhalb der Regeln, beide verloren ihre Frauen bei einem Autounfall. Doch Dirty Harry ist dank Eastwood die Coolness in Person. Seinen Schmerz versteckt er unter einer großen Sonnenbrille, seine zynischen Sprüche sind so pragmatisch wie sein Auftreten. Seine persönliche Tragödie erweitert nur sein Heldentum. Riggs ist das Gegenstück, ein emotionales Wrack. Was bei Callahan zur Bewunderung einlädt, ist bei ihm schmerzhafte Realität. In einer der großartigsten Szenen des Films steckt er sich eine Waffe in den Mund, versucht abzudrücken. Als er sich nicht überwinden kann, drückt er heulend das Bild seiner toten Frau an sich, schluchzt: „Wir sehen uns später.“

Kurz darauf befindet sich Riggs in einer identischen Situation wie einst Dirty Harry: Er soll einen Selbstmörder vom Springen abhalten. Eastwood fuhr als Harry per Feuerwehrkran zum Springer herauf, provozierte ihn und schlug ihn bewusstlos, brachte ihn so in Sicherheit. Riggs hingegen kettet sein Handgelenk einfach an das des Selbstmörders und springt mit ihm vom Dach – allerdings immerhin auf ein Sprungkissen der Polizei. In diesem Moment kapiert Murtaugh, sein neuer Partner: Dieser Mann ist nicht auf „Psycho-Pension“ aus, sondern ehrlich suizidgefährdet. Und mit dieser Erkenntnis ist das legendärste Buddy-Cop-Gespann des Kinos geboren, dank Murtaugh auch einer der berühmtesten Sprüche des Genres: „Ich bin zu alt für so eine Scheiße.“

LETHAL WEAPON ist ein Klassiker, dem seine Frische und Inspiration über dreißig Jahre später noch anzusehen sind. Gründe dafür finden sich viele, einer der wichtigsten sind wohl die Hauptdarsteller: Roger Murtaugh und Martin Riggs wären nie so ikonisch geworden, hätte Richard Donner sie nicht mit Danny Glover und Mel Gibson besetzt. Glover war zwar erst 40 und ist doch als gealterter, engagierter Polizist und Familienmensch vollkommen überzeugend. Gibson ist derweil eine Naturgewalt. Er spielt die unter der Oberfläche lauernde Psychopathie von Riggs so roh, brutal und echt, dass es verwundert, wie er hierfür keine Oscarnominierung erhalten konnte. Ein Blick in seine Augen allein lässt den Schmerz, die Verzweiflung und das Leid seiner Figur erahnen.

Zwei so talentierten Schauspielern auf der Höhe ihrer Kunst dabei zuzusehen, wie sie sich die Bälle zuspielen, ist ein Segen. Ob bei der Verbrecherjagd oder beim Herumschrauben an einem Freizeitboot: Ihre Dialoge erweisen sich als zugleich komisch und erstaunlich tiefsinnig. Shane Black vermengte die Präzision seines Mentors William Goldman, der ZWEI BANDITEN und DIE UNBESTECHLICHEN schrieb, mit der harten Prosa eines Walter Hill, dessen NUR 48 STUNDEN fünf Jahre vor LETHAL WEAPON den Buddy-Film neu erfand. Auch Hill bot ein unfreiwilliges Duo, als Nick Nolte sich mit Eddie Murphy zusammenraufen musste. Die Rassenthematik eines gemischten Duos mit je weißer und schwarzer Haut gehörte da zum Konzept. Bei LETHAL WEAPON war sie Zufall: Als man Richard Donner für Murtaugh den schwarzen Danny Glover vorschlug, war dessen Hautfarbe erst ein Contra-Argument für ihn, ehe er bemerkte, dass Murtaughs Hautfarbe im Drehbuch gar keine Erwähnung fand.

Der Plot ist zweckdienlich, nur ein Vorwand für den zweistündigen Cocktail aus Tempo, Gags und Spannung. Ein vermeintlicher Selbstmord eines barbusigen Callgirls führt die Ermittler auf die Spur eines Drogenrings aus ehemaligen CIA-Söldnern, die kurzerhand Murtaughs Tochter in ihre Gewalt bringen. Sobald dieser Schritt erfolgt, zündet Donner ein perfekt getaktetes Actionfeuerwerk, das sich sehen lassen kann, erst recht bei dem spärlichen Budget von nur 15 Millionen Dollar. Gebäude explodieren, es wird mit Elektroschocks gefoltert, Autos krachen ineinander oder heizen über den Hollywood-Boulevard. Es herrscht buchstäblich Krieg in den Straßen von Los Angeles.

Dabei bleibt die Regie stilbewusst und ausgeklügelt. Dies bemerkte sogar Filmkritiker und Pulitzer-Preisträger Roger Ebert, der über den Actionhit schrieb: „Ich bin ein Typ, der von Schießereien und Verfolgungsjagden gelangweilt ist. Ich habe das alles schon gesehen. Aber dieser Film hat mich von Anfang bis Ende begeistert.“ Kein Wunder, inszeniert Donner LETHAL WEAPON doch als stimmungsvollen Mix aus Großstadt-Western und Neo-Noirdrama und kann sich dabei auf das Können seines ausgezeichneten Kameramanns Stephen Goldblatt verlassen. Ein Showdown mitten in der Wüste wird in fantastischen Panorama-Aufnahmen bebildert, selbst eine einfache Tiefgarage erhält durch seitlich einfallendes Licht einen expressionistischen, surrealistischen Anstrich.

Der überragende Soundtrack von Michael Kamen und Eric Clapton geht auf den Genre-Mix ein, bietet hetzende Gitarren, pompöse Trompeten und ein klagendes Saxophon. Vor allem Kamen fand seine Kompositionen offenbar so stark, dass er sie ein Jahr später für einen weiteren Actionklassiker abwandelte: STIRB LANGSAM. Beiden Filmen ist gemein, dass sie an Weihnachten spielen, doch während Filmemacher John McTiernan dies in STIRB LANGSAM als Hintergrund für seine bleigefüllte Kapitalismuskritik nutzte, ist Donner an den Gegensätzen des Fests interessiert, die sich in seinen Protagonisten ausdrücken: Die Nächstenliebe und das Familiäre im Kontrast zu Einsamkeit und Feiertagsdepressionen.

Besonders bemerkenswert gerät noch das Finale: Hier tritt Mel Gibson zu einem kompromisslosen und physisch nachfühlbaren Faustkampf gegen den Widersacher der Stunde an: Gary Busey, der als folternder Mr. Joshua in jedem anderen Film der absolute Star gewesen wäre. Die restlichen Polizisten, selbst Murtaugh, greifen nicht ein, als diese zwei Kraftprotze ihr Duell der Fäuste austragen. Sowohl Riggs als auch Joshua stehen außerhalb des Systems, außerhalb ihrer Gruppierungen. Sie dürfen ihr letztes Gefecht unter sich entscheiden, nach archaischen Regeln, vor einer großen Zuschauerschaft – eine phänomenale Analogie an die Schlussduelle in alten Westernfilmen.

Es ist eine ausgelutschte Phrase, doch sie stimmt: Nicht zuletzt durch die Leidenschaft aller Beteiligten wurde LETHAL WEAPON zum Meisterwerk des Actionkinos. Aus den genialen Wortgefechten spricht die Energie eines jungen Drehbuchautors und seine Hoffnung nach dem Durchbruch. Der kam auch: Shane Black wurde in den 90ern zu einem der bestbezahlten Autoren im Filmgeschäft. Mel Gibson und Danny Glover zementierten dank LETHAL WEAPON ihren Status als Actionhelden und wurden Superstars. Und über das Engagement des filmhistorisch sträflich unterschätzten Richard Donner lässt sich viel erzählen. Er machte aus Blacks Ideen eine aufrichtige Geschichte über eine Männerfreundschaft, in der der DIRTY HARRY-Einzelkämpfer zum Teamplayer wird. Er drehte, um Kosten zu sparen, mehrere Actionszenen in seinem eigenen Haus.

Er versteckte sogar eine politische Botschaft im Film. Am Kühlschrank im Hause Murtaugh prangt ein Aufkleber: „Stoppt die Apartheid!“ Später im Film trägt ein kleiner Junge ein T-Shirt mit derselben Botschaft. Als Reaktion darauf erhielt Donner aggressive Post, bis hin zu Todesdrohungen. Es schüchterte ihn nicht ein – für die erste von drei LETHAL WEAPON-Fortsetzungen, die er allesamt selbst verwirklichte, machte er Apartheid zum zentralen Thema. So arbeiten sie eben, die stahlharten Profis.

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Lethal Weapon, USA 1987 | Regie: Richard Donner | Drehbuch: Shane Black, Jeffrey Boam | Kamera: Stephen Goldblatt | Musik: Michael Kamen, Eric Clapton | Darsteller: Danny Glover, Mel Gibson, Gary Busey, Mitchell Ryan, Tom Atkins, Darlene Love, Traci Wolfe | Laufzeit: 109 Min.