Alte Zöpfe.

Tim Blake Nelson (THE BALLAD OF BUSTER SCRUGGS), einer der vielseitigsten und interessantesten amerikanischen Charakterdarsteller – und nebenbei ein ausgezeichneter Regisseur – glänzt hier in einer seiner seltenen Hauptrollen, die Autor und Regisseur Potsy Ponciroli ihm für sein minimalistisches Westerndrama ins erschöpfte und verlebte Gesicht geschrieben hat.

Nelson spielt den zerzausten Witwer Henry, der zusammen mit seinem Sohn Wyatt (Gavin Lewis – LITTLE FIRES EVERYWHERE) das widerspenstige Land seiner abgelegenen Farm bearbeitet. Zwischen den beiden gibt es Unstimmigkeiten, da Henry Wyatt nicht mal erlaubt, ein Gewehr in die Hand zu nehmen und das Schießen zu lernen. Das karge Leben auf der Farm und das schwierige Zusammenleben mit seinem Vater lassen Wyatt davon träumen, die Farm so schnell wie möglich zu verlassen und die Welt kennenzulernen. Abgesehen von unregelmäßigen Besuchen von Henrys Schwager Al (Trace Adkins – DEEPWATER HORIZON) scheinen die beiden wochenlang in Einsamkeit zu leben.

Das ändert sich, als Henry eines Tages einen verwundeten Mann (Scott Haze – MIDNIGHT SPECIAL) in einem Bachbett findet – zusammen mit einer Tasche voller Geld. Nach kurzer Abwägung, ob er den Mann einfach dort liegen lassen sollte, nimmt Henry ihn jedoch mit auf die Farm, verarztet seine Wunde und fesselt ihn an das Bett. Der Mann hat zwar einen Sheriffstern dabei, aber Henry ahnt, dass hier etwas nicht stimmt.

Als der Mann das Bewusstsein wieder erlangt, erzählt er, dass er Curry heißt und von Sheriff Ketchum (Stephen Dorff – BLADE) gejagt wird, der tastsächlich aber gar kein Sheriff ist, sondern ein Bankräuber, der nicht davor zurückschrecken wird, auch Henry und Wyatt zu töten, um sein Geld zurückzubekommen. Daraufhin trifft Henry einige Vorbereitungen, die uns langsam daran zweifeln lassen, dass er nur ein einfacher Farmer ist. Dafür ist er einfach zu geschickt bei Currys Wundversorgung, versteht sich darauf, seine Fäuste sprechen zu lassen und hat großes Talent im Umgang mit Waffen – Waffen, von deren Existenz sein Sohn Wyatt gar nichts wusste. Auch die Aussicht auf eine Konfrontation mit einigen Gangstern scheint ihn nicht besonders zu beunruhigen…

Autor und Regisseur Potsy Ponciroli zeigt hier großes Talent für einen langsamen Spannungsaufbau, gelegentlich versetzt mit tiefschwarzem Humor und plötzlichen Gewaltausbrüchen. Mit schönen Breitwandbildern von DP John Matysiak, sparsamer aber passender Ausstattung und einem gelungenen Score von Jordan Lehning ist OLD HENRY eine anfangs stille, sich dann jedoch langsam steigernde dramatische Geschichte mit einem schönen Twist zum Finale.

Die Darsteller sind durchweg überzeugend, auch wenn Gavin Lewis gelegentlich etwas zu modern wirkt. Aber dies ist eindeutig Tim Blake Nelsons Show – und seine perfekte Darstellung ist eine Erinnerung daran, dass man seine Rollen nicht auf grenzdebile Hinterwäldler reduzieren sollte. Ein rundum gelungenes kleines Westernjuwel.

Old Henry
USA 2021
Regie: Potsy Ponciroli, Darsteller: Tim Blake Nelson, Scott Haze, Stephen Dorff, Gavin Lewis, Trace Adkins u.a.

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