Connemara, die Region im Westen Irlands, wird hier nicht so bilderbuchschön präsentiert, wie man es aus Ferienbildern und (Online-)Reiseprospekten kennt, sondern in einem schmutzigen Handkamera-Realismus, der die existenziellen Probleme der Schafhirten und Bauern widerspiegelt. Man sieht, wie sich das Leben dort wirklich anfühlt. BRING THEM DOWN zeigt einen jahrzehntelangen Streit zwischen den Männern zweier Bauernfamilien auf ihrem Kulminationspunkt.
In der Eröffnungsszene, Jahre zuvor, sind wir mitten in einer dramatisch (und clever) inszenierten Autoverfolgungsjagd auf einem Waldweg, vorwiegend gefilmt durch den Rückspiegel des verfolgten Autos, immer wieder mit der Unklarheit, wo sich der Verfolgerwagen gerade befindet. Michael O’Shea (Christopher Abbott), seine Mutter und seine Jugendliebe Caroline (Nora-Jane Noone) geraten in einen Selbstunfall, bei dem Michaels Mutter stirbt.
Jahre später ist Konkurrent Jack Keeley (Barry Keoghan) mit Caroline verheiratet (sie ist aber nicht Grund oder Auslöser der Konflikte, sondern versucht vielmehr, die Wogen zu glätten). In einem sich zuspitzenden Konflikt zwischen den O’Sheas und den Keeleys geht es um die Problematik, dass Schafherden die Familien finanziell kaum noch über die Runden bringen. Michael und sein Vater Ray (Colm Meaney) sind aufrichtige, bescheidene Bauern ohne große kommerzielle Vision, doch bestimmt mit dem Herzen am richtigen Fleck. Aber natürlich ärgert Michael sich darüber, dass er beim Verkauf der Schafe seine beiden vermissten Tiere in der Herde der Keeleys entdeckt. Streit entbrennt, und später gewähren die O’Sheas den Keeleys einen Durchgang durch ihr Land nicht, der den Keeleys eine Air B’n’B-Diversifizierung ermöglichen würde. Die Eskalationsschraube wird weitergedreht, bis Keeley mit Freunden O’Sheas gesamte nachts weidende Schafherde massakriert, in grausamen Szenen.
In einem überraschenden Move, ohne dass wir‘s sofort merken, wechselt Regisseur Chris Andrews in seinem Erstling mit einem Mal die Perspektive. Plötzlich befinden wir uns wieder am Anfang der Geschichte, sehen gewisse Ereignisse aus etwas anderer Perspektive. Wenngleich nicht uninteressant, erweist sich der Perspektivenwechsel als inkohärent (wessen Hintergründe sehen wir denn jetzt genau?) und bringt nicht viel neue Erkenntnisse zutage. Es handelt sich um eine Retardierungsstrategie, von der wir wissen, dass sie wiederum aufs Tiermassaker zusteuert. Was sich allerdings aus diesem Umweg ablesen lässt, sind die Tristesse und die prekären Verhältnisse gewisser Einwohner, derentwegen die gesamte Community auseinanderbricht.
Der Titel BRING THEM DOWN ist allerdings nicht nur auf den gegenseitigen Kampf der Kleinstfamilien gerichtet – interessant daran, dass Michael wie Jack vor allem ihre Väter beeindrucken wollen -, sondern bezieht sich auch ganz direkt darauf, die Schafherde den Berg hinunter zu treiben. Tatsächlich ist der Film auch einer, der einen Bezug von prekären gesellschaftlichen Realitäten und Gewalt gegenüber Tieren herstellt. Eine Problematik und ein Themenfeld, das viel zu selten überhaupt wahrgenommen wird (auch nicht von der Filmkritik). Denn das brutale Beine Abschneiden und ausbluten Lassen der Schafherde bedeutet nicht nur eine ökonomische Schwächung Michaels, sondern auch das Kappen der emotionalen Beziehungen, die Michael zu seinen Schafen hat. Ganz im Sinne der posthumanistischen Theorien von Donna Haraway betrachtet Michael seine Tiere auch in einem nicht-hierarchischen Verhältnis als „Companion Species“ (Haraway), was auf eine ko-evolutionäre, gegenseitige prägende Beziehung verweist. Die Beziehung von Mensch und Tier verlangte eigentlich nach einer neuen Ethik, meint Haraway – etwas, wozu der Mensch in Zeiten wirtschaftlicher Härte nicht fähig ist.
Bring them down
Irland, Grossbritannien, Belgien 2024
Regie: Chris Andrews
Kamera: Nick Cooke
Darsteller: Christopher Abbott, Barry Keoghan, Com Meaneay, Nora-Jane Noone, Paul Ready u.a.
Laufzeit: 105 min.