Hammer Films hatte sich nicht zuletzt mit DRACULA (1958) als Speerspitze des Technicolor-Horrors etabliert, Studiochef James Carreras stand im Zenit seines Ruhms. Neben neuen Genres, die Hammer zu Beginn der 1960er Jahre bediente, griff man auch immer wieder auf die eigenen ‚Klassiker‘ zurück, um ihnen Weiterungen folgen zu lassen. Bei der Frankenstein-Thematik ging man mit dem unter Freddie Francis‘ Regie entstandenen FRANKENSTEINS UNGEHEUER (1964) bereits die zweite Fortsetzung an. Und da James Carreras‘ ungeliebter Sohn nach einem Intermezzo mit eigener Firma nun wieder für Hammer tätig sein wollte, fiel es ihm zu, dem Mumienfilmgenre mit DIE RACHE DES PHARAO einen weiteren Eintrag hinzuzufügen.
Im Jahr 1900 entdecken die Ägyptologen John Bray (Ronald Howard) und Sir Giles Dalrymple (Jack Gwillim) in Begleitung Annette Dubois‘ (Jeanne Roland) den Sarkophag des Pharao Ra-Antef. Dieser wird vom Amerikaner Alexander King (Fred Clark) nach London gebracht, der damit ein Riesengeschäft machen und ihn dort ausstellen will. Doch schon bald verschwindet die Mumie aus dem Sarkophag und die Expeditionsteilnehmer kommen nacheinander auf grausame Weise ums Leben. Es scheint, als wolle die Mumie Rache an denen nehmen, die ihre ewige Ruhe gestört haben. Nur Adam Beauchamp (Terence Morgan) scheint über all das mehr zu wissen – doch er verbirgt ein jahrtausendealtes Geheimnis, dessen Entdeckung den Atem stocken lässt.
Michael Carreras musste indes damit Vorlieb nehmen, nur das flankierende B-Picture für DIE BRENNENDEN AUGEN VON SCHLOSS BARTIMORE (1964) drehen zu dürfen, der wiederum – nachdem ihm der ‚schwarze Peter‘ für den Misserfolg von DAS RÄTSEL DER UNHEIMLICHEN MASKE (1962) zugeschoben worden war – für Terence Fisher die Rückkehr zu Hammer bedeutete. Da Fisher die Bray Studios komplett auslastete, wich Carreras für seinen ohne Außenaufnahmen gedrehten DIE RACHE DES PHARAO in die Elstree Studios aus, in denen trotz geringem Budget exzellente Bauten von ägyptischer Finesse und britischer Morbidität entstanden. Auch wenn die Regie weit von Perfektion entfernt war, so gelangen Carreras doch einige bemerkenswerte set-pieces und atmosphärische Kabinettstückchen. Die Kameraarbeit durch Otto Heller, auch mit modernen Optiken für die Harry-Palmer-Filme IPCRESS – STRENG GEHEIM (1965) und FINALE IN BERLIN (1966) weltberühmt geworden, lieferte für die Produktion effektvolle Blickwinkel und bemerkenswerte Bildkompositionen. Bei den Darstellern gestaltete sich die Produktion solide, wenn auch nicht immer herausragend – Michael Ripper, meistbeschäftigter Akteur der Hammer Films, der sich von FEINDE AUS DEM NICHTS (1957) bis zu WIE SCHMECKT DAS BLUT VON DRACULA? (1970) durch die ungewöhnlichsten Nebenrollen getummelt hatte, konnte auch mit DIE RACHE DES PHARAO einen weiteren Eintrag in seiner Filmographie verbuchen.
Carlo Martinelli, dem Hammer schließlich den Soundtrack anvertraute, schuf eine bombast-sinfonische Partitur, die zwar aufgrund der Tonstudiocharakteristik im Sound sehr ‚trocken‘ geriet, melodisch jedoch eine gekonnte Mixtur aus spätromantischer Rhapsodie und ägyptisch anmutender Klangästhetik darstellte. Dass er sich bei diversen Source-Nummern auf das Arrangement bekannter Werke beschränkte – so erklangen neben Offenbach‘schen „Barcarole“ aus „Hoffmanns Erzählungen“ und dem bekannten „Scheherazade“ von Nikolai Rimski-Korsakow auch die „Prozession des Sardar“ von Michail Ippolitow-Iwanow – und für die Bauchtanzszene gar der britische Afro-Cuban-Jazzpionier Kenny Graham aushalf, ließ den Soundtrack noch vielseitiger ausfallen. Für die Rückblenden griff man – allerdings ohne dies zuvor mit Martinelli abzusprechen – gar vollständig auf die von Franz Reizenstein komponierte, epochale Musik aus dem Original DIE RACHE DER PHARAONEN (1959) zurück, was zusätzlich Kontinuität und atmosphärische Dichte schuf.
Anolis präsentiert den Film in ihrer Hammer-Edition in mustergültiger und ungeschnittener Veröffentlichung. Neben einem Mediabook, das mit zwei unterschiedlichen, herrlich gezeichneten Covermotiven erhältlich ist, ist auch eine abgespeckte Standardfassung erschienen, um alle Käuferschichten zufrieden zu stellen. Das Breitwand-Bild erstrahlt in bisher nicht dagewesener Pracht, wobei die trotz Sparflamme erstklassigen Sets und expressiven Farbkompositionen hervorragend zur Geltung kommen. Auch der Ton gibt sich für einen Film dieses Alters zünftig und in deutscher Synchronisation – die in Berliner Tonstudios entstand und mit Sprechergranden wie Friedrich W. Bauschulte, Herbert Stass, Klaus W. Krause, Arnold Marquis, Lothar Blumhagen und Gerd Duwner erstklassig besetzt ist – wie der Originalsprache rauscharm und detailliert.
Mit Extras wird nicht gegeizt, wobei der Audiokommentar mit dem erprobten Duo Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad erneut kenntnisreich und liebevoll geraten ist. Als Featurettes sind “Hammers Frauen” über Hauptdarstellerin Jeanne Roland sowie Interviews mit Schauspieler Michael McStay und Filmkomponist Carlo Martinelli enthalten. Fast schon als Selbstverständlichkeit gelten Kinotrailer aus Deutschland und England, ein rarer Trailer für das amerikanische Double-Feature, eine französische Titelsequenz, die Super-8-Fassung, deutscher Werberatschlag und Filmprogramm sowie eine umfangreiche Bildergalerie mit Set- und Aushangfotos. Ein kleines Schmankerl, dass sich als exzellenter Service des Labels entpuppt, stellt der deutsche Kinotrailer zu DER FLUCH DER MUMIE (1967): war es bei dessen Blu-ray-Veröffentlichung Anolis noch verunmöglicht den Trailer aufzutreiben, hatte die Suche mittlerweile Erfolg und das Ergebnis wird hier thematisch passend nachgereicht. Das abschließende, zweiunddreißgseitige, reich bebilderte Booklet mit Texten von Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad ist exklusiv im Mediabook enthalten und lässt keine Wünsche offen.
Die unerträgliche Bürde des ewigen Lebens, für eine Mumie genauso wenig erstrebenswert wie für einen untoten Pharao. Trotz der beizeiten leicht hölzernen Regieführung ist DIE RACHE DES PHARAO ein lohnender Film. Retrospektiv dürften die diversen Subtexte – Kritik am post-kolonialen Gebaren des Empire, der sich vergrößernde Einfluss der USA, die tradierte Rollenverteilung der Geschlechter – dem Streifen zusätzlichen Wert verleihen, unabhängig von seinem ureigenen Unterhaltungswert. Für DIE RACHE DES PHARAO gilt es die Bandagen abzustreifen.
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The Curse of the Mummy’s Tomb | GB 1964 | Regie: Michael Carreras | Darsteller: Terence Morgan, Ronald Howard, Fred Clark, Jeanne Roland, George Pastell, Michael Ripper u.a.
Anbieter: Anolis Entertainment