If I Had two Hammers.

Wer der Meinung ist, die legendäre Filmschmiede Hammer habe sich nur in Ihrer Endphase – wie etwa mit CAPTAIN CRONOS (1974) – etwas vom Horrorpfad gelöst, der irrt. Im Gegenteil, zu Beginn ihrer ‚goldenen Jahre‘ kam aus den Bray-Studios ein bunter Fächer an Streifen, die die unterschiedlichsten Filmgenres bedienten. DIE BANDE DES CAPTAIN CLEGG, frei basierend auf den Russell-Thorndike-Romanen, wilderte im Dschungel der Abenteuerfilme, als das Genre sich schon im Niedergang befand. Doch Hammer wäre nicht Hammer, hätte man die Seefahrergeschichte um wiedergehende Geister, die den Lebenden nachstellen, nicht mit dem üblichen Mix aus kunstfertiger Machart und britischem Charme aufgepeppt.

image-2018-04-16-5 Noch dazu bot der Film ein prachtvolles Darstellerensemble, das dem hier noch am Beginn seiner Karriere befindlichen Oliver Reed Entfaltungsmöglichkeiten einräumte und dem Hammer-Star Peter Cushing endlich eine Rolle abseits des Horrorsujets zubilligte. Sein sinisterer Reverend Dr. Blyss hatte große Klasse und offenbarte die Vielseitigkeit des Schauspielers, den man – nicht unähnlich der Karriere seines Freundes Christopher Lee – nur allzu gerne auf die Horrorgeschichten festlegte. Regisseur Peter Graham Scott, dessen einzige Regiearbeit für Hammer DIE BANDE DES CAPTAIN CLEGG blieb, inszenierte den Film mit Sinn für den Effekt und empfahl sich für weitere Arbeiten im Genre des Übersinnlichen; seine Fernseharbeiten für die legendäre Serie MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE (1961 – 1969) zeugen ebenfalls von seinem Talent, dass ihn auch als erstklassigen Produzenten empfahl.

Die Musik zu DIE BANDE DES CAPTAIN CLEGG schrieb Don Banks, der auch der ‚missing link‘ zu DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN ist; einem Paradebeispiel für ein anderes Genre, das Hammer in diesen Jahren fleißig beackerte: der britische Psychothriller mit Hitchcock’schen Wurzeln. Hatte der ‚master of suspense‘ mit seinem kleinen, dreckigen Thriller um den bemitleidenswerten Norman Bates den Horror im Kino revolutioniert, so sah sich Drehbuchautor Jimmy Sangster dadurch endlich in der Lage gegen sein Horrorimage anzuschreiben. Filme wie EIN TOTER SPIELT KLAVIER (1961) oder HAUS DES GRAUENS (1963) bildeten Figurenkonstellationen mit doppelten Böden ab, versetzten die Handlung ins damalige „Hier und Jetzt“ und garnierten stets mit bester Schaueratmosphäre und sanftem Thrill.

image-2018-04-16-7 DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN ist sicher der spannendste und unterhaltsamste Eintrag dieser Filmreihe, da auch hier mit Freddie Francis wieder ein Regisseur am Ruder war, der – von seiner langjährigen Arbeit als Kameramann profitierend – ein Auge für derilierende Bildgestaltung und faszinierende Fahrten hatte. Die Dreiecksgeschichte, die mehr als einmal Hacken schlägt und den Zuschauer – bei aller gebotenen Überraschung – trotzdem logisch an der Nase herumführt, hatte nicht nur Vertrauen zu sich selbst – man ließ die großen Stars weg und vertraute auf junge Gesichter aus der zweiten Reihe – sondern zeigte auch, zu welchen kleinen Meisterwerken das britische Genrekino in dieser Zeit fähig war.

image-2018-04-16-8 Dank wunderbarer Dekors, faszinierender Lichtsetzung und der bravurös geführten Inszenierung gestaltete sich DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN zum kleinen Klassiker der Firma und zeigte, dass Sangster mehr als nur filigraner Adaptierer, sondern sehr eigenständig ausbauender Freigeist und Top-Autor war. Natürlich wollte Hammer Films am Hitchcock-Hype partizipieren, aber nicht als simple Kopie – vielmehr gelang es Ihnen, Ideen in den sehr eigenen, britischen Stilmix zu transportieren und schufen somit etwas, das auch heute nichts von seiner Virilität verloren hat.

Beide Filme erscheinen im Rahmen der Hammer Edition bei Anolis, die uns schon so manche Perlen offeriert hat. Jeweils im sauberen Mono-Ton – sowohl in der englischen Originalfassung als auch der zeitgenössischen, deutschen Synchronisation – erscheinen die Blu-rays mit exzellenten Bildmastern, die vergessen lassen, dass die Filme mittlerweile ein stolzes Alter haben. Bei DIE BANDE DES CAPTAIN CLEGG werden als Extras ein Audiokommentar mit Dr. Rolf Giesen, Uwe Sommerlad und Volker Kronz sowie ein Making Of des Filmes kredenzt. Die Featurette „Die Kutschen des George Mossman“ ist ebenso erhellend wie die amerikanischen und deutschen Kinotrailer, die verschiedenen Werberatschläge sowie die Bildergalerie.

Als Extras zu DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN gibt es einen Audiokommentar mit Dr. Rolf Giesen und Volker Kronz sowie die Featurettes „Nightmare in the Making“ und „Madhouse: Inside Hammer‘s Nightmare“. Jennie Linden erinnert sich in einem Interview an ihren ersten Kinofilm, der amerikanische Kinotrailer entführt uns ebenso in die Zeit damaliger Kinoannoncen wie Werberatschläge und Filmprogramme. Eine Bildergalerie rundet diesen Teil ab; exklusiv nur im Mediabook enthalten ist außerdem ein 28-seitiges Booklet, das von Dr. Rolf Giesen, Uwe Sommerlad und Uwe Huber – unter Mitarbeit von Guiskard Oberparleiter – geschrieben wurde.

image-2018-04-16-2 Man kann den kleinen Filmen, die es im Fahrwasser der großen Erfolge um Frankenstein & Co. auch bei Hammer Films gab, gar nicht genug für ihre Existenz danken. Denn sie zeigen uns heute welche Früchte eine funktionierende Filmproduktion tragen kann, welche kleinen Zauberwerke sich im Genrefilm entfalten können, um wieviel ärmer die Filmgeschichte wäre ohne Michael Carreras und sein ‚Familie’ in den Bray-Studios. Wer vielleicht mit dem Gedanken spielt, diese Filme in der Sammlung auszulassen, sollte es sich schleunigst noch mal überlegen: er könnte etwas verpassen, was man unbedingt gesehen haben sollte.

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Captain Clegg, GB 1962, R: Peter Graham Scott, D: Peter Cushing, Yvonne Romain, Oliver Reed, Patrick Allen, Michael Ripper, Martin Benson u.a.

Nightmare, GB 1962, R: Freddie Francis, D: David Knight, Moira Redmond, Jennie Linden, Brenda Bruce, George A. Cooper, Clytie Jessop u.a.

Anbieter: Anolis Entertainment