Die allein erziehende Sarah (Seána Kerslake), die sich vor kurzem von ihrem gewalttätigen Mann getrennt hat, wohnt mit ihrem achtjährigen Sohn Chris (James Quinn Markey) seit kurzem in einem sehr abgelegenen Haus irgendwo in Irland. Das Haus liegt am Rande eines großen Waldgebiets und Sarah ist mit der Renovierung des alten Gebäudes beschäftigt, während Chris sich in der neuen Schule zurechtfinden muss.
Als Sarah Chris eines Tages von der Schule abholt, haben sie auf der Rückfahrt beinahe einen Unfall mit einer mitten auf der Straße stehenden alten, verwirrten Frau. Zuhause beim Essen streiten Sarah und Chris über die Trennung von Chris‘ Vater. Daraufhin läuft Chris fort in den Wald. Sarah folgt ihm und steht plötzlich vor einem riesigen Krater, dessen Boden ständig in Bewegung zu sein scheint. Sarah ist beinahe hypnotisiert von dem Krater und befürchtet schon, dass Chris hineingestürzt sein könnte, als er plötzlich neben ihr auftaucht.
In den Tagen danach meint Sarah, subtile Veränderungen in Chris‘ Verhalten festzustellen, ist sich jedoch nicht sicher, ob ihr Eindruck vielleicht nur an ihrer eigenen Schlaflosigkeit oder neuen Medikamenten liegen könnte. Eine ärztliche Untersuchung zeigt jedenfalls keinerlei Auffälligkeiten.
Es kommt zu einer weiteren Begegnung mit der verwirrten Frau, die sich als ihre Nachbarin erweist, die angeblich vor Jahren ihren eigenen Sohn mit dem Auto überfahren haben soll. „Das ist nicht dein Sohn“, brüllt die Frau Sarah hinterher. Als Sarah weitere Veränderungen in Chris Verhalten feststellt, beginnt sie sich zu fragen, ob die alte Frau Recht haben könnte…
Der irische Regisseur Lee Cronin legt mit THE HOLE IN THE GROUND ein ausgesprochen gelungenes Spielfilmdebut vor. Stimmungsvoller Arthouse-Horror mit einer zwar bereits vielfach variierten Geschichte, die dennoch mit einigen Überraschungen aufwarten kann und sowohl technisch als auch darstellerisch zu überzeugen weiß. Am Ende mögen zwar ein paar lose Fäden in der Luft hängen, aber insgesamt ist dieser Film das starke Debut eines Regisseurs, der mit sparsamen Dialogen und optischer Raffinesse eine Menge Spannung zu erzeugen weiß.
Bereits die mit Stephen McKeons (BORSTAL BOY) ominös-dröhnendem Score unterlegte und an THE SHINING erinnernde Kamerafahrt aus der Vogelperspektive gibt einen Vorgeschmack auf die Stimmung des Films, dessen Wechselbalg-Story Elemente aus INVASION OF THE BODY SNATCHERS über Ari Asters HEREDITARY bis zu Jennifer Kents THE BABADOOK verarbeitet. Die Eingangsszene, in denen der kleine Chris vor einer Reihe Zerrspiegel steht, deutet schon darauf hin, dass hier nicht alles so ist, wie es zu sein scheint.
Cronin greift durchaus auf klassische Zutaten wie quietschende Türen, merkwürdige Geräusche, flackernde Lampen und steile Kellertreppen zurück, verzichtet jedoch weitgehend auf billige Jump Scares, sondern sorgt stattdessen sehr stilvoll für eine sich langsam steigernde bedrohliche Stimmung. Hier kommt sein ausgezeichneter DP Tom Comerford (MICHAEL INSIDE) ins Spiel, der atmosphärische Bilder in einer manchmal fast monochrom anmutenden Farbpalette abliefert, die mich mehrfach an Michael Fimognaris Arbeiten für Regisseur Mike Flanagan erinnerten, besonders THE HAUNTING OF HILL HOUSE. Zusammen mit McKeons Score und dem cleveren Schnitt von Colin Campbell wird hier ein Großteil der Stimmung erzeugt. Dazu kommen die durchweg überzeugenden Darsteller, allen voran Seána Kerslake (DOLLHOUSE) und James Quinn Markey (VIKINGS), die diesen beinahe als Zweipersonenstück angelegten Film tragen.
Kerslake ist eine Entdeckung. Mit viel Charme, einer guten Portion Humor und einer sich nachvollziehbar steigernden Paranoia macht sie aus ihrer Sarah einen echten Charakter. Der junge James Quinn Markey überrascht mit einem ungewöhnlich subtilen Spiel. Die winzigen Nuancen, an denen Sarah die Veränderungen ihres Sohnes festmacht, bringt Markey ohne die für Kinderdarsteller oft typische Übertreibung auf die Leinwand. Beide sind so gut in ihren Rollen, dass auch die Mutter-Sohn-Konstellation perfekt funktioniert und mich mehrfach an das ähnlich angelegte Duo Toni Collette und Haley Joel Osment in THE SIXTH SENSE erinnerte.
James Cosmo (BRAVEHEART – lt. IMDB übrigens in seiner einhundertsechsundneunzigsten Rolle) gibt den freundlichen Nachbarn, während Kati Outinen (DARK CRIMES) zwei gruselige Auftritte als Cosmos verwirrte Ehefrau abliefert.
Neben einem guten Gespür für Atmosphäre, Timing und Charaktere beweist Regisseur Cronin auch noch einen gesunden Sinn für Humor, u.a. indem er Sarah das Haus mit Tapeten tapezieren lässt, die auch perfekt ins Overlook Hotel passen würden. Der geneigte Genrefreund wird außerdem die eine oder andere Einstellung erkennen, mit der Cronin deutlich seine Vorbilder zitiert.
Insgesamt also ein erfreulicher kleiner, sehr stilsicherer Thriller, der mich gespannt auf das nächste Werk von Cronin warten lässt.
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The Hole in the Ground, Irland/Belgien/Finnland 2019 | Regie: Lee Cronin | Drehbuch: Lee Cronin, Stephen Shields | Kamera: Tom Comerford | Musik: Stephen McKeon | Darsteller: Seána Kerslake, James Quinn Markey, Simone Kirby, James Cosmo, Steve Wall, Eion Macken, Sarah Hanly, Kati Outinen | Laufzeit: 91 Min.